Illusion von freier Abstimmung: Russland hält Regionalwahlen ab

MOSKAU (dpa-AFX) -An diesem Sonntag ist in Moskau Bürgermeisterwahl - doch wer Wahlkampf sucht, der sucht vergeblich. Im Zentrum der russischen Hauptstadt gibt es kaum Plakate, Parteien-Stände erst recht nicht. In einigen Hausfluren liegen immerhin Zettel mit einem Aufruf zur Online-Stimmabgabe. Stattdessen gibt es Blumen von Amtsinhaber Sergej Sobjanin, der auf seine Wiederwahl setzt - und dieses Ziel Prognosen zufolge auch locker erreichen dürfte. Vor dem Roten Platz sind riesige Blumenbeete aufgestellt worden. In vielen Straßen laufen Passanten nun unter blütenreich bepflanzten Bögen hindurch. Bei spätsommerlichem Wetter sind die Straßencafés voll. Von Russlands Krieg gegen die Ukraine ist nichts zu spüren.

Sobjanin ist bekannt dafür, dass er - insbesondere vor Wahlen - die Millionenmetropole aufhübschen lässt. Dafür, dass es kaum noch Demonstrations- und Meinungsfreiheit gibt, aber stattdessen Blumenmeere, neue Spazierwege und schicke Kinderspielplätze in den reicheren Vierteln der Stadt. Bei vielen Bewohnern genießt der 65-Jährige Popularität. Bei kritisch eingestellten Moskauern hingegen sorgt sein Vorgehen für Spott und Verdruss. Gerne zeigt sich der Mann von der Kremlpartei Geeintes Russland bei öffentlichen Auftritten an der Seite von Präsident Wladimir Putin.

Doch nicht nur in Moskau stehen am Sonntag Wahlen an. Russlandweit werden an dem Tag in insgesamt 22 Regionen die Gouverneure neu bestimmt, in 16 Gebieten die Regionalparlamente. Mehr als anderthalb Jahre nach Beginn des Angriffskriegs gegen die Ukraine hat die russische Besatzungsmacht zudem Abstimmungen in den annektierten Gebieten Donezk, Luhansk, Saporischschja und Cherson angesetzt. Die Urnengänge dort haben bereits Ende August begonnen, doch international anerkannt werden ihre Ergebnisse nicht - ebenso wenig, wie das bei den Schein-Referenden zur völkerrechtswidrigen Einverleibung der vier Gebiete im vergangenen Jahr der Fall war.

Aber auch auf russischem Boden ist man Beobachtern zufolge von fairen und freien Wahlen so weit entfernt wie noch nie seit Beginn von Putins Herrschaft vor rund 24 Jahren. "Das ist der inhaltsleerste, langweiligste und unauffälligste Wahlkampf in der jüngeren Geschichte Russlands", schreiben die Wahlbeobachter der unabhängigen Organisation Golos (deutsch: Stimme) in einem Bericht. Ihr Co-Vorsitzender Grigori Melkonjanz wurde erst kürzlich in Moskau inhaftiert. Die Organisation, die bereits in den vergangenen Jahren immer wieder massive Verstöße gegen das Wahlrecht sowie Betrug offenlegte, ist dem Machtapparat ein Dorn im Auge und bereits seit Jahren als "ausländischer Agent" gebrandmarkt.