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Die IG Metall trauert der Kaufprämie nach – und zofft sich mit der SPD

Gewerkschaft und prominente Genossen kritisieren, dass die Sozialdemokraten mit der Ablehnung der Autoprämie Arbeitnehmerinteressen verraten hätten.

Für den Gewerkschaftschef hat die SPD ihr Vertrauen in der Autobranche verspielt. Foto: dpa
Für den Gewerkschaftschef hat die SPD ihr Vertrauen in der Autobranche verspielt. Foto: dpa

IG-Metall-Chef Jörg Hofmann fand deutliche Worte: Dass die SPD sich im Koalitionsausschuss gegen eine Kaufprämie für Autos mit Verbrennungsmotor ausgesprochen und mit Slogans wie „Kein Cent für Benziner und Diesel“ Stimmung gemacht habe, führe „zu einem massiven Vertrauensverlust der Beschäftigten der Autoindustrie und angrenzender Branchen gegenüber der Sozialdemokratie“, sagte der Gewerkschafter der „Augsburger Allgemeinen“. „Hier herrscht Enttäuschung, dass nicht industriepolitische Verantwortung, sondern die Demoskopie das Handeln der SPD-Spitze bestimmt hat.“

Die Gewerkschaft, die ihre Mitglieder zu einem großen Teil aus der Auto- und Zuliefererindustrie rekrutiert, ist sauer, dass die Große Koalition nur Elektro- und Hybridfahrzeuge mit einer verdoppelten staatlichen Prämie fördern will. Denn das Gros der Beschäftigung der Branche hängt nach wie vor an der Produktion von herkömmlichen Benzinern und Dieseln. Die Arbeiterpartei SPD, so kann man Hofmann verstehen, handele also gegen die Interessen der Beschäftigten.

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Diesen Vorwurf wollen die Sozialdemokraten natürlich nicht auf sich sitzen lassen. „In der Gesamtschau auf das ausgeglichene Konjunkturprogramm wird sich die abgesenkte Mehrwertsteuer zur Steigerung der Kaufkraft auswirken“, sagte die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion, Kerstin Tack, dem Handelsblatt. „Dies kommt auch der Automobilindustrie zugute.“

Anreize zur Kaufkraft seien auch der IG Metall wichtig gewesen, sagte Tack. Die Automobilwirtschaft werde sicher die Preisvorteile der abgesenkten Mehrwertsteuer weitergeben und mit eigenen Kaufanreizen aufstocken.

Die Einschätzung, dass die Mehrwertsteuersenkung der vom Strukturwandel und der Coronakrise doppelt getroffenen Branche wirklich hilft, wird aber nicht von allen Sozialdemokraten geteilt. Er hätte sich bei der Kaufprämie eine andere Entscheidung gewünscht, sagte Stephan Weil, Ministerpräsident im „Autoland“ Niedersachsen, wo Volkswagen seinen Sitz hat.

Ein anderer Niedersachse, Ex-SPD-Chef Sigmar Gabriel, keilte heftig gegen die eigene Partei: „Nach den Beschäftigten der Energiebranche gibt die Sozialdemokratie mit ihrer eher populistischen Ablehnung von Fördermitteln für die Autoindustrie den nächsten Teil ihrer klassischen Wählerschaft auf“, sagte er der „Rheinischen Post“. Klimapolitik sei ihr inzwischen wichtiger als die Interessenvertretung von Arbeitnehmern.

Gleichzeitig kritisierte Gabriel aber auch die IG Metall und ihren Chef: „Wer immer nur dann zur SPD geht, wenn die Hütte brennt, aber ansonsten lieber auf Distanz bleibt, der muss sich nicht wundern, wenn die Bindekräfte zwischen SPD und Gewerkschaft immer schwächer werden.“

Hofmann hatte sich wenige Wochen vor dem Koalitionsausschuss im Handelsblatt-Interview für eine Kaufprämie auch für Verbrenner stark gemacht – aber unter drei Bedingungen: Sie müsse zu einer deutlichen Senkung der Emissionswerte beitragen und Beschäftigung und Produktion sichern. Und den Autoherstellern müsse ein Eigenbeitrag abverlangt werden: „Der Steuerzahler darf nicht die ohnehin gewährten Rabatte finanzieren“ sagte Hofmann.

Fehlende Lenkungswirkung der Mehrwertsteuersenkung

Die Mehrwertsteuersenkung sorgt jetzt aber dafür, dass auch große Autos mit hohem Benzinverbrauch oder Fahrzeuge mit älteren Motoren und schlechteren Abgaswerten billiger werden.

„Steuergeld sollte bestmöglich steuern“, sagte dazu Johann Horn, IG-Metall-Bezirksleiter im BMW-Stammland Bayern, dem Handelsblatt. Mit der Absenkung der Mehrwertsteuer hätten nun aber alle Unternehmen, auch die der Automobilindustrie, eine indirekte und unspezifische Prämie bekommen.

„Ich richte nun den Blick nach vorne und auf die Sache“, sagte Horn. „Politik und Unternehmen stehen in der Verantwortung, mit den jetzt beschlossenen Geldern die Beschäftigung unserer Kolleginnen und Kollegen zu sichern.

Über das befristete Konjunktur- und Krisenbewältigungspaket hinaus seien aber auch Impulse für eine nachhaltige industrielle Produktion notwendig. Ohne Übergangstechnologien, und dazu zählten modernste Verbrennungsmotoren, seien keine deutlichen Fortschritte in der CO2-Bilanz zu erzielen.

Ähnlich äußerte sich Thorsten Gröger, Bezirksleiter der IG Metall in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt: „Wir hätten uns eine andere Entscheidung gewünscht, vor allem im Hinblick auf die vielen Beschäftigten nicht nur bei den Herstellern, sondern auch bei den Zuliefererbetrieben.“

Ein Konzept für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor als Übergangslösung, bis die E-Mobilität in den nötigen Stückzahlen zur Verfügung steht, hätte ein wichtiges Signal sein können. Denn 90 Prozent der Beschäftigten in der Branche seien aktuell noch mit dem Bau von Autos oder Teilen für Autos mit Verbrennungsmotoren beschäftigt. „Der Übergang ist kein Hebel, der sich einfach so von heute auf morgen auf einmal umlegen lässt“, sagte Gröger dem Handelsblatt.

Am Freitagmorgen hatte schon Roman Zitzelsberger, IG-Metall-Bezirksleiter in Baden-Württemberg, in einer Pressekonferenz auf die schwierige Lage der Metall- und Elektroindustrie im Allgemeinen und der Autobranche im Besonderen hingewiesen. Ihm dränge sich der Eindruck auf, dass die Folgen der Coronakrise „überproportional auf den Schultern der Beschäftigten abgeladen werden“ sollen, sagte Zitzelsberger.

Die Kurzarbeit sei weiter auf hohem Niveau, zunehmend würden aber auch Sparpläne und Stellenabbau angekündigt. Schon vor Corona hätten zahlreiche Betriebe in der Automobilwirtschaft versucht, unter dem Deckmantel notwendiger Transformationsaufgaben Sparprogramme und Jobabbau durchzusetzen und ihre Rendite zu steigern, sagte Zitzelsberger. „Die Coronapandemie befeuert dieses Streichkonzert nun zusätzlich in weiteren Branchen.“