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Huawei wirbt mit einer Charmeoffensive um Vertrauen in den Standort China

Eric Xu kommt gleich zur Sache. „Wenn jemand beweisen kann, dass die Netzwerke und der Mobilfunk ohne Huawei sicherer sind, dann lasse ich Huawei gerne bankrottgehen“, sagt der Firmenchef, der gemeinsam mit zwei Kollegen Chinas wichtigsten Netzwerkausrüster führt.

Er kennt den Generalverdacht der Staatsspionage, der sein Unternehmen seit Jahren belastet. „Aber ist das amerikanische Netz das sicherste der Welt? Ich denke nicht“, stellt Xu für sich selbst fest.

Selbstbewusst empfängt die Huawei-Spitze eine Gruppe deutscher Journalisten am Dienstag, um Werbung in eigener Sache zu machen. Der Termin im Hauptquartier in Shenzhen ist Teil einer Charmeoffensive, mit der die Chinesen seit Wochen versuchen, die öffentliche Meinung jenseits der Heimat für sich zu gewinnen.

Technologisch führend, kosmopolitisch und natürlich über jeden Staatseinfluss erhaben soll der mittlerweile größte Netzwerkausrüster der Welt sein, lautet die Botschaft. In einwandfreiem Englisch präsentieren Huawei-Wissenschaftler ihre Errungenschaften, deren Bezugsrahmen längst nicht mehr China ist.

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„Arche Noah“ tauften sie ein Projekt zur Künstlichen Intelligenz, in der Materialforschung blicken die Porträts großer europäischer Erfinder auf die Angestellten. Die Campus-Kantine führt neben chinesischen Gerichten italienischen Espresso und heiß Frittiertes der Fast-Food-Kette KFC. Huawei will ein globales Unternehmen sein – nur eben mit Hauptsitz in China. Doch genau darin liegt das Problem.

180.000 Menschen beschäftigt Chinas Vorzeigeunternehmen, der weltweit führende Ausrüster von Mobilfunknetzen und neben Apple und Samsung einer der führenden Smartphone-Anbieter. Doch so kometenhaft der Aufstieg, so groß ist die Skepsis im Westen. Vor allem die US-Regierung sieht in Huawei ein trojanisches Pferd, das im Auftrag der Regierung in Peking beim Aufbau von Kommunikationsnetzen Hintertüren für die Spionage anlegen soll.

Schon seit Jahren hat die Firma Schwierigkeiten, auf dem Markt in den USA Fuß zu fassen. Huawei widerspricht diesem Vorwurf und wirft den USA vor, aus industriepolitischen Gründen Huawei als Konkurrenten für US-Firmen zurückdrängen zu wollen. Spätestens im Dezember ist der Konflikt auf der ganz großen Bühne der Weltpolitik angekommen. Kanadas Behörden verhafteten auf Geheiß der US-Behörden Huaweis Finanzchefin Meng Wenzhou. Sie soll gegen die von den USA aufgesetzten Iransanktionen verstoßen haben.

So ist Huawei mittlerweile einer der wichtigsten Spielbälle im Kampf um die technologische Vormacht zwischen China und den USA geworden. Doch das hatte den Konzern bislang nicht gehindert, im Rest der Welt erfolgreich Geschäfte zu machen.

Trotz aller Widerstände rechnet Huawei für 2018 mit einem Umsatzwachstum im zweistelligen Bereich auf rund 108 Milliarden Dollar. Europa und besonders Deutschland sind für die Chinesen von strategischer Bedeutung. In Europa hat die Firma 2 398 Patente angemeldet – mehr als die deutsche Industrie-Ikone Siemens. Mit Huawei ist zum ersten Mal ein Unternehmen aus China Patentkönig in Europa.

Diese Vorreiterposition wollen die Chinesen festigen. Denn schon bald steht der Umstieg auf die nächste Mobilfunkgeneration 5G an. Die Technik soll es möglich machen, dass alles mit allem vernetzt wird. Besonders die Industrie erhofft sich völlig neue Geschäftsmodelle, wenn irgendwann Roboter an mehreren Standorten gleichzeitig und in Echtzeit per 5G gesteuert werden können. Doch wenn künftig besonders sensible Daten über die Mobilfunknetze versendet werden, spielt Sicherheit eine entscheidende Rolle.

Nokia und Ericsson hinken hinterher

Huawei gilt als unangefochtener Technologieführer bei 5G-Netzen. Auf zwölf bis 16 Monate schätzen deutsche Mobilfunkanbieter den Vorsprung, den die Chinesen im Vergleich zu den europäischen Rivalen Nokia und Ericsson haben. Aber gleichzeitig wachsen die Sorgen, ob die Technik von Huawei wirklich sicher ist. Denn neben den USA haben auch Australien und Neuseeland die Chinesen weitgehend vom Aufbau ihrer 5G-Netze ausgeschlossen.

Dabei hat noch keine Sicherheitsbehörde öffentlich Beweise vorlegen können, dass in Produkten von Huawei wirklich Hintertüren für Spionage stecken. In Shenzhen ist man sich der Gefahr bewusst – und macht dafür auch die eigene Darstellung verantwortlich. „Wir haben uns zu spät geöffnet. Diesen Fehler gestehe ich ein“, sagt Xu am Dienstag. „Aber wir bessern uns gerade.“

Das wird höchste Zeit, denn auch in Deutschland droht die Stimmung zu kippen. Lange hatten sich Deutschlands Netzwerkbetreiber Telekom, Vodafone und Telefónica öffentlich gegen eine Kritik an Huawei ausgesprochen. Alle drei hatten argumentiert, sie würden die Technik genau prüfen und ohnehin auf mehrere Anbieter setzen.

Doch nun ändert sich die Tonlage. „Wir dürfen nicht naiv sein“, sagte Telefónica-Deutschlandchef Markus Haas Anfang der Woche auf der Digitalkonferenz DLD in München. Auch wenn er Huawei nicht namentlich erwähnte, verwies er auf einen bedenklichen Umgang der chinesischen Führung mit Daten.

„Deutschland ist wichtig für Huawei, aber Huawei ist auch wichtig für Deutschland“, erklärt Xu im fernen Shenzhen. Schließlich sei man nicht nur Dienstleister und Produktlieferant, sondern arbeite auch eng mit deutschen Zulieferern zusammen. Unter ihnen seien klangvolle Namen wie Leica, Siemens und SAP. „Cybersicherheit ist eine technische, keine politische Angelegenheit. Wenn aber Sicherheit zu einem ideologischen Problem verkommt, dann ist es schwierig oder gar unmöglich, eine Lösung zu finden“, sagt Xu.

Um die eigene Transparenz zu belegen, führen die Huawei-Mitarbeiter in ihr Cybersicherheitslabor. Es sei von der TÜV Informationstechnik zertifiziert worden, erzählt Abteilungsleiter Wang Jin. Hier können Kunden, Regierungen und Partner ihre Produkte in 40, 80 oder 160 Stunden prüfen lassen. 2012 arbeiteten hier nur 20 Leute, inzwischen sind es 137, die insgesamt 540 Produkte verifiziert haben.

„Huawei hat eine exzellente Bilanz in Sachen Cybersicherheit“, behauptet Mika Laudhe, Vizepräsident für Cybersicherheit. Eine ähnliche Einrichtung gibt es auch in Bonn, gleich in der Nähe des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik. Huaweis eigenes Motto dabei lautet: „Nimm nichts an. Glaube keinem. Überprüfe alles.“

Es ist nicht zuletzt Chinas Regierung, die für Zweifel sorgt. In einem neuen Cybersicherheitsgesetz wurde nochmals verankert, dass Peking aus Gründen nationaler Sicherheit von Firmen verlangen kann, ihre Informationen offenzulegen und Sicherheitsbehörden Zugang zu verschaffen. Das gilt für Huawei, aber auch für Niederlassungen deutscher Firmen in China, wie Volkswagen oder Siemens.

„Peking benutzt Daten, um die Bevölkerung zu kontrollieren“, sagt Claudia Nemat, Technikvorständin der Deutschen Telekom. Die Telekom hatte im Dezember angekündigt, die Beschaffung von Netzwerkausrüstung neu zu bewerten. Bislang wird Huawei an vielen Stellen im Netz der Telekom eingesetzt.

Das Management ist rein chinesisch

Huawei wie auch die chinesische Regierung weisen darauf hin, dass die Zugriffsrechte der Behörden nur für das chinesische Staatsgebiet gelten. Sensible Daten aus Deutschland, so versichert Cybersicherheitsexperte Laudhe, befinden sich in Deutschland. Darauf könne aus Shenzhen gar nicht zugegriffen werden. Im Ausland müssten sich die Unternehmen nach den dort geltenden Gesetzen verhalten. „Wir würden niemals etwas tun, was anderen Ländern oder anderen Individuen schaden würde“, beteuert Eric Xu.

Doch was genau Behörden unter „nationale Sicherheit“ verstehen, ist sowohl in China wie auch in den USA Interpretationssache. Wer vage formuliert, kann es nach eigenem Gutdünken interpretieren. Genau das wirft Xu aber auch denjenigen vor, die sich gegenüber Huawei misstrauisch zeigen. Konkret benannte Probleme könne man angehen, aber ideologische Probleme ließen sich nicht lösen.

Den Vorwurf, eine zu große Nähe zu Peking zu pflegen, weist Xu von sich. Natürlich müsse Huawei eine Beziehung zur chinesischen Regierung pflegen, schließlich befinde sich das Unternehmen in China. Aber das Gleiche mache man in jedem anderen Land auch. „Die chinesische Regierung kann nicht anstelle von Huawei handeln“, sagt er.

Huawei gibt sich zwar international. Doch in der Realität gibt es klare Grenzen, argumentiert William Plummer, der sieben Jahre lang die Öffentlichkeits- und Lobbyarbeit für Huawei in den USA leitete. „Wer andere davon überzeugen möchte, dass man eine globale Firma mit Sitz in China ist, muss diesen Anspruch auch im Vorstand widerspiegeln“, so Plummer.

Tatsächlich aber werden die wichtigen Posten und Entscheidungen von Chinesen bekleidet und gefällt. Dabei sei Loyalität zum Unternehmen wichtiger als spezifische Kenntnisse über ein Land. Einige schieben diese Tatsache auf die Sprachbarriere, andere wiederum meinen, dass es tatsächlich eine unsichtbare Grenze gebe.

Nächsten Monat beginnt Zou Defeng in der Huawei-Niederlassung in Düsseldorf als Deutschlandchef. Der Ingenieur bringt zwar Erfahrung aus verschiedenen Büros in China mit und hat zehn Jahre in Nordafrika gearbeitet.

Deutsch spricht er jedoch nicht und hat auch noch keinen Kurs besucht. Das werde er nachholen, wenn er in Deutschland sei, sagt er. Sein neues Heim wird in der gleichen Straße wie sein Arbeitsplatz sein. „Damit ich immer arbeiten kann“, sagt Zou mit einem Lachen.

Gleichzeitig droht Huawei neuer Ärger. In Polen ist der Verkaufsdirektor von Huawei festgenommen worden. Laut polnischen Medien werfen ihm die Ermittler vor, für den chinesischen Geheimdienst spioniert zu haben. Die Ermittlungen wollte Huawei erst gar nicht abwarten. Der Konzern hat den Mitarbeiter sofort entlassen.