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Homeschooling: Der Ernst des Lebens kommt nach Hause

Chefreporterin Tanja Kewes berichtet aus ihrem Homeoffice – mit drei kleinen Kindern und Ehemann. Es ist der private Stresstest schlechthin mit lustigen und nachdenklichen Momenten.

15.03.2020, Schweiz, Zürich: Eine Frau sitzt im Homeoffice an ihrem Laptop und telefoniert, während ihr Kind neben ihr in einem Kinderstuhl am Tisch sitzt. Die Schweiz hat das öffentliche Leben drastisch eingeschränkt, um die Verbreitung des neuartigen Coronavirus zu verlangsamen. Die Leute sind dazu angehalten, wenn möglich von zu Hause aus zu arbeiten. Foto: Christian Beutler/KEYSTONE/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Eine Frau sitzt im Homeoffice an ihrem Laptop und telefoniert, während ihr Kind neben ihr in einem Kinderstuhl am Tisch sitzt. (Bild: dpa)

Als ich unseren beiden großen Jungs am Frühstückstisch erzähle, dass wir am Sonntag vorerst das letzte Mal auf einem Spielplatz waren, stoppen sie sofort mit dem Reinschaufeln ihrer Cornflakes. Sie schauen mich mit großen Augen und offenen Mündern ungläubig an. “Wieso, Mama? Ist er abgebrannt?”, fragt der Vierjährige schließlich.

Die Vermutung ist nicht so weit hergeholt. Schließlich ist vor einiger Zeit bei uns in der Nähe wirklich das Holzhaus eines Spielplatzes abgebrannt und bis heute nicht ersetzt worden. Und außerdem, das müssen Sie wissen, ist sein Berufswunsch: Feuerwehrmann.

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“Nein”, antworte ich. “Das ist wegen dieses Coronavirus. Wir dürfen dort nicht mehr hin, weil wir uns auch dort bei anderen Kindern und Eltern anstecken und dann krank werden könnten ...”

“Wie soll das denn gehen?”, fragt der Sechsjährige keck. “Der Wind bläst doch alles weg. Und die Hände waschen wir uns nach dem Spielplatz auch immer ...”. “Dieses Virus”, setze ich an, “dieses Virus ist wirklich klein und gemein. Es sucht und findet seine eigenen Wege ...”. Und dann nehme ich – verbotenerweise zu Tisch – mein Smartphone und zeigen den Jungs dieses Video.

Das Spielplatzverbot erscheint gerade an diesem ersten richtigen Frühlingstag des Jahres 2020 grausam. 17 Grad haben wir hier in Düsseldorf. Die Sonne scheint. Der Himmel ist so blau wie mit Filzstiften gemalt. Das Grün des Rasens leuchtet ebenso künstlich-knallig.

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Tag zwei beginnt also mit bestem Wetter, aber leider gleich mit einer schlechten Nachricht. Unser Familien-Stresstest steht unter immer strengeren Bedingungen. Ich komme mir schon ein bisschen vor wie in einer Fernsehshow. Erinnern Sie sich noch an die Truman-Show?

Sie kam anno 1998 mit diesem schrecklich-komischen Jim Carrey in der Hauptrolle im Kino. Er ist Hauptdarsteller einer Serie, ohne es zu wissen. So in etwa komme ich mir momentan auch vor. Ist das alles noch Realität, was ich hier erlebe? Oder gibt es eine versteckte Kamera?

Deutschland macht dicht. Erst am Freitag die Schulen und Kitas, dann Sonntag die Grenzen, schließlich Montag viele Läden und Restaurants, nun sogar die Spielplätze. Eine solche Einschränkung war noch nie. “Das ist alternativlos” sagt Kanzlerin Angela Merkel. “Wir sind im Krieg”, sagt Frankreichs Premier Emanuel Macron. Wir befinden uns also in einem alternativlosen Krieg mit einem Virus.

Immerhin, alle gegen einen, meine ich. Hoffentlich hilft das alles. Hoffentlich ist diese Fernsehshow bald aus und abgesetzt.

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Lehraufträge per E-Mail

All das erzähle ich den Jungs natürlich nicht. Sie scheinen das Spielplatz-Aus wie ihre Cornflakes geschluckt zu haben. Sie sind an diesem Tag zwei auch schon einiges an verschärften Bedingungen gewohnt. Als ich unserem Ältesten am Samstagmorgen noch eröffnete, dass sein “wichtiges” Fußballspiel heute nicht stattfinden wird, war er noch echt sauer. Er sprang von seinem Tripp-Trapp-Stuhl auf und schrie mich an: “Mama, ich habe meine Hausaufgaben alle gemacht! Du hast keinen Grund, mir das zu verbieten!”

Apropos Hausaufgaben. An Tag eins unseres unfreiwilligen Familien-Stresstest mit Arbeiten, Spielen und Lernen unter einem Dach angelegt für 24 Stunden, sieben Tage die Woche, 21 Tage lang gab es noch Neuigkeiten.

Am Nachmittag trudelte, nachdem die Lehrer der örtlichen Grundschule konferiert hatten, die von einigen Eltern ersehnte, von uns Eltern befürchtete E-Mail der Klassenlehrerin ein. Die E-Mail mit den Lehraufträgen für uns Laien. Arbeitsblätter für Deutsch, Mathe und Englisch und Instruktionen für diese Woche.

Eine E-Mail, die nicht nur unserem Sohn, hätten wir sie ihm gezeigt, Stressflecken verursacht hätte, sondern auch uns zusetzt. Ganz schön viel Stoff. Und diesen dürfen wir jetzt unserem mäßig begeisterten Spross selbst nahebringen? Ich fühle mich überfordert. “Das wird noch Kirmes”, kommentiert eine Freundin mit Führungsjob und zwei Kindern in der Grundschule und einem Kitakind zuhause. Eine dreiwöchige Kirmes ...

Die Kirmes bei Kewes, Pardon der Unterricht in der Privatschule Kewes, beginnt an diesem Tag zwei des Corona-sei-Undank-Home-and-Play-Office um 9.45 Uhr. Der Plan: Der Große macht seine Deutsch-Hausaufgaben, der Mittlere ein paar Aufgaben im Lük-Kasten, der Kleine wird von einem von uns Eltern bespaßt und so aus dem Bootcamp ferngehalten.

Da ich weiß, dass meine pädagogischen Fähigkeiten arg beschränkt sind, habe ich gestern Abend noch schnell das passende Kapitel “Überforderung und Stress” in Katharina Saalfranks Bestseller “Kindheit ohne Strafen” zur Vorbereitung inhaliert. Ich ahne, so in Reinform werde ich das natürlich nicht schaffen, aber ich bin schließlich auch keine Supernanny, sondern Journalistin.

Doch ich will mich anstrengen. In die Handflächen schreibe ich mir deshalb auch noch – quasi als Spickzettel –, den Titel von Wladimir Kaminers Erziehungsbuch: “Coole Eltern leben länger.”

Nun, grau und leise ist alle Theorie, und kunterbunt und laut die Praxis. In der Hausschule Kewes verzögert sich an diesem ersten Tag schon der Start. Unser kleiner Großer weigert sich, erst einmal schlichtweg überhaupt anzufangen. “Ach, nö, warum denn? Ich will Ninjago spielen”, mault er. “Ich kann doch schon alle Buchstaben lesen und schreiben. Warum denn jetzt dieses blöde G noch einmal und dann noch dieses Eieiei.” Das G habe er schon letzte Woche gehabt, das Ei kenne er schon. Und außerdem: “Es sind Corona-Ferien, Mama!”

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Digitales Lernen ist gesichert

Ich rede auf ihn ein. Argumentiere, bitte, schmeichele, schließlich drohe ich ihm. Er dürfe heute nicht in den Garten, wenn er jetzt nicht endlich seine Aufgaben machen. Ich hasse mich in diesem Moment selbst. Schließlich und endlich: Unser Sohnemann lenkt ein. Er macht schließlich diese Arbeitsblätter, nicht schön, dafür schnell und überwiegend richtig. Ich bin echt erleichtert, mein Mann auch.

Doch ich frage mich und ihn sogleich schon wieder: Wird das jetzt jeden Tag so eine Aktion? Es ist zu befürchten. Wem es geht wie mir, findet hier vielleicht Hilfe oder Anregung.

Und unangenehm muss einem das Nicht-Lehren-Können als Eltern auch nicht. In ganz Deutschland müssen seit 1919 schließlich alle Kinder und Jugendlichen eine Schule besuchen. Ausnahmen gibt es nur bei schweren Erkrankungen, Kindern von Diplomaten oder Schaustellern.

Bei uns zuhause an diesem Tag zwei der Corona-Ferien hat der Vierjährige natürlich auch keine Lust auf diesen zugegebenermaßen antiquierten Lük-Kasten. Da spiele er ja noch lieber mit seinem Baby-Bruder ... Die Anton-App des großen Bruders gibt für den Vierjährigen leider aber auch noch nichts her. Da hilft nur eines: eine schnelle Internetrecherche. Und da ploppen wie Sternschnuppen einige vielversprechende Lern- und Spielprogramme auf. Auch die Fernsehsender haben ihr Programm entsprechend ausgedehnt.

Die nächsten Tage und Wochen scheinen, was das digitale Lernen angeht, also gesichert. Obwohl: Die von der Schule empfohlene Anton-App begrüßt mich schon an diesem Morgen mit: “Es kann wegen hoher Serverlast im Moment zu Verzögerungen kommen.” Und tatsächlich, das Programm stottert. Na, herrlich. Hoffentlich halten wenigstens Blitzrechnen und Zebra vom Klett-Verlag dem Ansturm stand.

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Womit wir bei unserem Überlebenselixier dieser Tage sind: dem digitalen Datenstrom. Was wären wir in unserem Homeoffice ohne Smartphone, Apps oder Mediathek? Wir wären nichts. Wir wären im Zwangsurlaub. Ich glaube deshalb, die Regierung kann eigentlich – außer vielleicht die Lebensmittelläden, Drogerien und Apotheken – alles dichtmachen, nur nicht das Internet.

Welchen Schub die Digitalisierung diesem Coronavirus verdankt, dazu morgen mehr. Nur dank ihr können wir unsere Wirtschaftsleben überhaupt noch einigermaßen aufrechterhalten. Ja, ich würde sogar soweit gehen, und sagen: Eigentlich ist Telekom-Chef Tim Höttges gerade und mehr denn je der heimliche Kanzler der Bundesrepublik Deutschland. Er hat die Macht über alle Kabel und Masten. Doch dazu morgen mehr.