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Historische Anklage in Dänemark: Banker soll wegen Milliarden-Steuerbetrugs vor Gericht

Sanjay Shah soll den dänischen Staat um 1,5 Milliarden Euro Steuergelder gebracht haben. Auch in Deutschland wird ermittelt. Shah beteuert: Der Staat sei selbst schuld.

24 Firmen in Malaysia, 224 angebliche Pensionsfonds in den USA, mehr als 70 Gesellschaften auf Inseln in der Karibik, in den Vereinigten Arabischen Emiraten und anderswo. Die Spur des Geldes im Steuerermittlungsverfahren gegen den Investmentbanker Sanjay Shah führt um die halbe Welt – auch nach Deutschland.

Die Suche ist teuer. Auf 317 Millionen Euro beziffert allein der dänische Staat die Kosten, um Shah und andere Verdächtige zu überführen. Neun Milliarden dänische Kronen soll sein Netzwerk hinterzogen haben, das sind umgerechnet 1,5 Milliarden Euro.

Auch Belgien, Großbritannien, Luxemburg und die USA melden Schäden. In Deutschland ermittelt die Staatsanwaltschaft Köln. Europol ist involviert, die Jagd auf Shah läuft unter dem Dach von Eurojust, der Agentur der Europäischen Union für justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen.

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Nun gibt es die erste Anklage. Per Fiig, der dänische Generalstaatsanwalt für schwere Wirtschaftsverbrechen und Internationale Kriminalität, wirft Shah und einem zweiten Angeklagten 3000 Einzeltaten vor. „Dies ist ein Fall eines äußerst schweren und außerordentlich umfangreichen Verbrechens gegen den dänischen Staat“, sagt Fiig. Die Staatsanwaltschaft fordere deshalb nicht die üblichen acht Jahre Haft, sondern zwölf. Die beiden Angeklagten hätten sich eines „zynischen und sorgfältig geplanten Betrugs“ schuldig gemacht.

Shah sieht das anders. Sein Sprecher sagt: „Herr Shah bestreitet weiterhin jegliches Fehlverhalten.“ Außerdem wolle er betonen, dass er „vor der Ausführung der Geschäfte professionellen Rat eingeholt“ habe.

Das ist ein Argument, das Shah seit Jahren vorbringt. Die Geschäfte, die er meint, waren Aktienhandel nach der Methode Cum-Ex. Wertpapiere wurden dabei im Kreis transferiert, um den Finanzämtern etwas vorzugaukeln, was es gar nicht gab: eine gezahlte Kapitalertragsteuer, für die ein rechtmäßiger Erstattungsanspruch besteht.

Die Behörden ließen sich mit falschen Steuerbescheinigungen täuschen und zahlten das Geld aus. Eine „Glanzleistung“ nannte der Präsident des Finanzgerichts Köln eine Form dieser Geschäfte im Juli 2019. „Aber eben eine kriminelle Glanzleistung.“

Gelohnt hat sie sich trotzdem. Cum-Ex-Investoren wurden zweistellige Renditen in wenigen Monaten versprochen. Wirtschaftsgrößen setzten viele Millionen Euro bei diesem Spiel auf Staatskosten ein. Der „professionelle Rat“, den Shah zur Verteidigung anführt, stammte von den vermeintlich besten Anwaltskanzleien und Wirtschaftsprüfungsfirmen der Welt.

Freilich, dieser Ruf ist hin. Der ehemalige Steuerchef von Freshfields Bruckhaus Deringer kam im November 2019 wegen des Verdachts auf Beihilfe zur Steuerhinterziehung in einem anderen Fall vorübergehend in Untersuchungshaft. Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY wird wegen ihrer Verwicklung in die Cum-Ex-Geschäfte vom Insolvenzverwalter der Maple Bank auf 195 Millionen Euro verklagt. Offenbar falsche Angaben über das Verhältnis und den Kenntnisstand verschiedener Beteiligter seien maßgeblich für deren Erfolg gewesen – und den Steuerschaden.

So gesehen ist Shah in guter Gesellschaft. Viele der hellsten Köpfe des internationalen Steuerrechts halfen beim Griff in die Staatskassen – und fast alle Banken. Dem Handelsblatt liegt eine Liste vor, die ein Insider des Systems Ende 2014 an die Steuerfahndung Wuppertal verkaufte. Sie war Ausgangspunkt für eine Welle von Ermittlungen. Auf der Liste stehen mehr als 130 Banken.

Shah findet, der deutsche Staat sei an dem Schaden genauso selbst schuld wie der dänische. „Einen Systemfehler“ nennt er den Umstand, dass Männer wie er jahrelang in die Steuerkasse greifen konnten. „Wir haben nichts Illegales gemacht, wir haben nur Marktopportunitäten ausgenutzt“, sagte Shah der dänischen Börsenzeitung. „Deutsche Anwälte haben mir erzählt, dass viele Leute mit diesen Geschäften viel Geld verdienten. Es war, als ob sie Lastwagen in ein Lagerhaus fahren und sie 24 Stunden am Tag mit Bargeld befüllen.“

Shah füllte, so viel er konnte. 1970 als Sohn indischer Eltern in London geboren, begann er 1994 ein Trainee-Programm bei KPMG, gab es aber 1995 wegen mangelnder Motivation wieder auf, wie Shah in seinem Lebenslauf schreibt. Erfolglose Stationen bei Merrill Lynch und Morgan Stanley führten ihn 1999 zu einer kleineren Investmentbank. Dort lernte Shah den Aktienhandel mit Fokus auf Dividenden kennen. Als er in der Finanzkrise den Job verlor, machte er sich selbstständig.

Zum ersten Mal in seiner Karriere entdeckte Shah ein sicheres Geschäft: Aktienhandel auf Kosten der deutschen Steuerzahler. Für das im März 2011 beendete Geschäftsjahr zahlte sich Shah laut Insidern 20 Millionen Euro aus. Dann nahm er sich Dänemark vor.

Ein Teil der Beute landete in Hamburg

Über ein Netzwerk von Hunderten von Firmen organisierte Shah das, was die Staatsanwaltschaft heute als größten Steuerraub in der dänischen Geschichte bezeichnet. 1,5 Milliarden Euro ließ sich sein Netzwerk zwischen 2012 und 2015 erstatten – für Steuern, die nie abgeführt wurden. Ein Teil der Beute landete in Hamburg.

Im September 2015 gingen dort 222 Millionen Euro auf einem Konto der Varengold Bank ein. Als Verwendungszweck war „Solo Payment to Elysium“ angegeben. Solo Capital war die Gesellschaft von Sanjay Shah. Elysium gehörte ihm auch. Bei Varengold war Shah Großaktionär, vorübergehend auch Aufsichtsrat.

Varengold musste Anzeige wegen Geldwäsche erstatten, dazu war die Bank gesetzlich verpflichtet, wenn sie keinen wirtschaftlichen Hintergrund einer Überweisung erkennen konnte. Dann ging alles sehr schnell. In Deutschland wurden Konten von Shah eingefroren, in London durchsuchten Polizisten seine Büros. Gegen Varengold-Verantwortliche begannen Ermittlungen, auch die inzwischen insolvente Dero-Bank in München unterhielt eine Geschäftsbeziehung zu Shah.

Es ist ein Schicksal, dem womöglich auch Shah näher rückt. Seit den Ermittlungen weilt er mit seiner Familie auf der Palmeninsel in Dubai. „Es ist zwar sehr viel Geld eingefroren, aber Herr Shah hat Reserven, die für viele, viele Jahre reichen“, sagte sein Sprecher im September 2018. Das sei heute anders: „Er hat einen winzigen Geldbetrag für die Bedürfnisse der Familie zur Verfügung. Es ist kaum genug.“

Der dänische Generalstaatsanwalt ist skeptisch. „Nach unserer Erfahrung aus schweren Betrugs- und Geldwäschefällen werden die Einnahmen aus Straftaten häufig an organisierte kriminelle Netzwerke ausgezahlt, die das Geld weltweit über clevere Systeme verteilen“, sagt Per Fiig. „Dies bedeutet im Allgemeinen, dass es sehr schwierig oder fast unmöglich ist, wieder an das Geld zu kommen.“