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Wie die Hannover Messe für den Mittelständler zum Tor zur Welt wurde

Als Barack Obama 2016 die Hannover Messe besuchte, machte der damalige US-Präsident in Halle 11 auch Mittelständler Harting aus Ostwestfalen seine Aufwartung. Schließlich hatte der Steckverbinder-Spezialist, der in dritter Generation von Philip Harting geführt wird, am Vorabend den „Hermes Award“ verliehen bekommen, den Oscar der Industrie.

Doch Obama interessierte sich zunächst weniger für die Innovationen der Hartings als für deren Sneakers in den Firmenfarben Gelb-Weiß. „What about the shoes?“, fragte er amüsiert im Blitzlichtgewitter der Weltpresse. „Von deutschen Unternehmern war er so etwas Lockeres wohl nicht gewohnt“, erzählt der Harting-Chef. Danach erkundigte sich Obama, wie das funktioniere – ein Unternehmen über Generationen weiterzugeben.

Die Stippvisite des US-Präsidenten zeigte Wirkung. „Auf der Messe haben wir mehr Schuhe als Stecker verkauft“, lacht Harting, „wobei die Hannover Messe schon lange keine Verkaufsmesse mehr ist. Bei amerikanischen Unternehmen hat uns der Obama-Besuch Türen geöffnet.“ Texas Instruments und Microsoft zeigten danach großes Interesse an smarten Verbindungen von Harting.

Von der Hannover Messe karrt Harting regelmäßig mögliche Kunden aus der ganzen Welt im Bus in die ostwestfälische Provinz. Hier im beschaulichen Espelkamp erleben sie Europas größtes Steckverbinderwerk.

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„Messen sind das beste Medium für einen Mittelständler, um mit potenziellen Kunden und Mitarbeitern weltweit in Kontakt zu kommen“, betont der 44-Jährige. Und wenn Politprominenz den Stand besucht, gebe das den Firmen noch mal Schub. Philip Harting ist Aussteller aus Überzeugung.

Seit zwölf Jahren engagiert er sich ehrenamtlich beim Verband der deutschen Messewirtschaft Auma. Am Dienstag wurde er zum neuen Auma-Vorsitzenden gewählt. Zufall oder nicht: Vorgänger Walter Mennekes ist ebenfalls Steckerspezialist.

Strafzölle kosten Harting Millionen

Wie wichtig der globale Freihandel ist, dessen Marktplatz Messen sind, bekommt Harting gerade zu spüren. Rund 762 Millionen Euro Umsatz machte das Unternehmen im vergangenen Geschäftsjahr. Das stürmische zweistellige Wachstum der letzten beiden Jahre ist ins Stocken geraten.

Unter anderem haben Handelskonflikte rund um die USA und China die Geschäfte verhagelt. „Die Strafzölle kosten uns Millionen im Jahr. Geld, das für Investitionen fehlt“, klagt Harting.

Mehr als 70 Prozent seines Geschäfts macht Harting heute im Ausland, fertigt in 13 Ländern, darunter in China. Die Hannover Messe war für den Mittelständler von Anfang an das Tor zur Welt. Harting zählt zu der Handvoll Aussteller, die immer dabei waren – auch als sie 1947 noch „Exportmesse“ hieß. „Mein Großvater hat damals auf dem Stand geschlafen, damit nachts nichts wegkam“, erzählt Harting. Er selbst schnupperte wie sein Vater schon als Kind Messeluft.

Nach dem Krieg fertigte der Großvater in Minden elektrische Geräte für den täglichen Gebrauch – von Kochplatten, Bügeleisen bis Heizlampen. Später stellte er in Lizenz Röntgengeräte, Musikboxen und Zigarettenautomaten her – alles, was einen Stecker hatte. Nach Kupplungssteckern für Wohnwagen folgte 1956 der erste Rechteck-Steckverbinder, bis heute ein Klassiker. „Gib mir mal den Harting“, ist in der Industrie heute ein geflügeltes Wort.

Nach der Wende boomten Zigarettenautomaten. Doch just als Harting am Mittellandkanal ein neues Werk gebaut hatte, kamen strikte Gesetze zum Jugendschutz. „Der Markt ist von einem Tag auf den anderen eingebrochen, wir mussten restrukturieren“, so Harting. Heute stellt die Firma komplette Kassenzonen mit Zigarettenspendern her.

Kerngeschäft sind weiter Steckverbinder, auch wenn Maschinen zunehmend digital vernetzt sind. „Stecker braucht es trotzdem immer“, ist Harting überzeugt. „Inzwischen verbinden wir Maschinen und Anlagen über unsere Stecker mit der Cloud.“ Daneben ist Harting in die Elektromobilität eingestiegen. Die Ostwestfalen entwickeln Stecker und Kabel für Ladesäulen. Harting arbeitet hier mit VW, Porsche, BMW und Energieversorgern zusammen.

Aus der Provinz nach China

Ein Mitbewerber auf dem Gebiet ist Mennekes aus dem Sauerland. Der geschäftsführende Gesellschafter Walter Mennekes sagt: „Harting ist führend bei Steckverbindungen. Diese werden immer wichtiger, da sie kommunizieren können. Dahin geht die Zukunft.“

Für Mennekes ist Philip Harting ein lebensfroher, offensiver Unternehmenslenker, der das Familienunternehmen mit der Schwester weiter nach vorne bringe. Harting habe echten „Messe-Stallgeruch“, unabdingbar für den Auma-Vorsitz, so Mennekes über seinen Nachfolger.

Je globaler Mittelständler Harting wird, umso stärker wird die schlechte Anbindung in der Provinz zur Herausforderung. „Videos ruckeln, Telefonate brechen ab. Das kann man im Ausland keinem erklären“, ärgert sich Harting. Homeoffice ist ohne stabiles Internet rund um Espelkamp schwierig. Deshalb hat Harting seine Softwareentwicklung in der Hauptstadt aufgebaut. „Wir gehen dahin, wo wir gute Leute finden und auch halten können – sei es nach Berlin oder ins Ausland.“

Die Gewerkschaft ärgert indes, dass Harting seit 2001 nicht mehr in der Tarifbindung ist. Deshalb wären schon so einige Mitarbeiter zu besser zahlenden Wettbewerbern mit Tarifvertrag gewechselt, sagt Lutz Schäffer, Geschäftsführer IG Metall Minden. 90 Prozent der Steckerindustrie sitzen in Ostwestfalen von Phoenix Contact, Weidmüller bis Wago. „Philip Harting weiß, dass er am Markt etwas tun muss“, so Schäffer. Er und seine Manager sollten dabei aber mehr auf die Belegschaft eingehen. Der Mensch gehe immer noch vor Marge.

2018 hatte Harting erstmals genauso viele Beschäftigte im Ausland wie im Inland. Rumänien ist ein wichtiger Standort für Kunden aus der Autoindustrie. In China ist die Firma seit 1997 aktiv. Hongkong war auch der Einstieg für Philip Harting ins Familienunternehmen. Nach seinem Studium der Elektrotechnik und BWL leitete er ab 2005 drei Jahre das Chinageschäft. Für ihn ist klar: „China ist in zehn Jahren unser wichtigster Markt.“

Harting ist stolz darauf, dass die Firma in all den Jahren nie Verluste schrieb und bankenunabhängig ist. 2016 wurde das Unternehmen in eine Stiftung umgewandelt. „Wir wollten die Zersplitterung der Anteile vermeiden, schließlich gibt es in der vierten Generation acht Kinder.“ Die Eltern sind weiter im Unternehmen tätig. Mutter Margrit leitet als Vorstand die Ressorts Personal und Kommunikation. Schwester Maresa Harting-Hertz verantwortet Finanzen, Steuern und Einkauf. Alle zwei Wochen treffen sich alle bei der Vorstandssitzung.

Vater Dietmar Harting überließ erst 2015 mit Mitte 70 dem Sohn den Chefsessel. „Wir sind dankbar, dass unsere Eltern aktiv dabei sind“, sagt Philip Harting. Sein Vater ist heute Vorstand für Technologie. In Berlin hat der Senior gerade ein firmeninternes Start-up gegründet. Den Sohn freut das: „Mein Vater wird 80 und tüftelt an der Zukunft.“

Mehr: Wie auch die Hartings wollen viele Familienunternehmer den Einfluss der Sippe bewahren und trotzdem zukunftsfähig bleiben. Wie auch Sie die Nachfolge richtig regeln, beispielsweise durch eine Familienstiftung, lesen Sie hier.