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Das steckt hinter der 500-Millionen-Spritze für Byton

Für Daniel Kirchert und seine Kollegen läuft es aktuell richtig gut. So gut, dass ihm die runzelnde Stirn einiger seiner ehemaligen Kollegen gar nicht auffällt, die an diesem Abend im Publikum sitzen. Das chinesische Start-up Byton feiert die Premiere seines zweiten Konzeptautos in Shanghai. Dazu hat es seine Series-B-Finanzierung abgeschlossen. Während Tesla die Kündigung von über 3.000 Mitarbeitern verkündet, winken Kirchert und sein Kollege Carsten Breitfeld fröhlich von der Bühne eines Shanghaier Kinosaals.

Die zwei Gründer stammen beide aus dem Hause BWM. Der deutsche Manager Breitfeld hat den Hybridsportwagen I8 entwickelt. Kirchert hat das Joint-Venture von BMW und dem chinesischen Partner Brilliance aufgebaut und war zwischenzeitlich für die Nissan-Tochter Infiniti tätig. Nun sind sie die beiden führenden Köpfe hinter dem chinesischen Start-up mit Sitz in Nanjing, dass einigen seiner ehemaligen Kollegen inzwischen ziemlich Sorgen bereiten dürfte. Schon der Weggang der beiden Kollegen vor zweieinhalb Jahren hatte damals für viel Verärgerung gesorgt.

Nun wird klar, warum: Die neuen Kapitalgeber der Series-B sind fast ausschließlich Staatsunternehmen oder staatliche Fonds. Darunter ist auch der Belt & Road Investment Funds, mit dem China eigentlich seine Infrastrukturprojekte in Asien und Afrika vorantreiben will. Geld kommt auch vom chinesischen Joint-Venture-Partner von Volkswagen FAW, einem Staatsunternehmen. Der hat in den vergangenen Jahren gewaltige Summen aus dem Zwangsunternehmen gezogen. Nun schießt es satte 260 Millionen US-Dollar in das E-Start-up – und investiert damit in die direkte Konkurrenz.

Überraschend ist das nicht. China verfolgt seit Jahren eine klare E-Strategie, indem es die Hersteller zu festen E-Quoten in der Produktion zwingt und gleichzeitig gewaltige Summen in die Entwicklung heimischer Hersteller pumpt. Damit kämpft es nicht nur gegen die schlechte Luft in den Metropolen, wo die reiche Mittelschicht inzwischen gegen die Umweltverschmutzung rebelliert.

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Wichtiger ist für Peking die Hoffnung, durch die Förderung von Elektroantrieben an die ausländischen Hersteller aufschließen zu können. Junge Start-ups haben kaum eine Chance, wettbewerbsfähige Verbrennungsmotoren zu entwickeln. Beim Thema Elektromobilität starten alle bei null. Und zumindest im Moment sieht es so aus, als hätten die chinesischen Hersteller in diesem Bereich zunehmend die Nase vorne. China hat mächtige Batteriehersteller wie BYD und CATL aufgebaut, dazu sitzt der Staat auf einem Großteil der Rohstoffe. Auf Befehl Pekings investierten Unternehmer und Staatsfonds nun in eigene Start-ups, Batteriefabriken und neue Technologien wie das autonome Fahren.

Die deutschen Hersteller hinken mit ihrer zögerlichen Taktik hinterher. Dabei ist kein Markt für die Autobauer wichtiger. 42 Millionen Fahrzeuge sollen schätzungsweise ab 2030 in China verkauft werden. Heute sind es bereits knapp 25 Millionen pro Jahr. Noch dominieren die Joint-Venture-Partner der großen ausländischen Firmen den Markt. Unternehmen wie Volkswagen verkaufen dort fast jedes zweite Auto. Doch mit Byton, Nio und WM folgen Technologie-getriebe Start-ups, die mit viel Kapital und Hunger auf den Markt drängen. Der Anteil chinesischer Marken wird in den kommenden Jahren steigen, prophezeien Experten. Schon heute gibt es rund 60 chinesische Marken am Markt.

„Von der Investorstruktur sind wir aktuell relativ chinesisch“

Byton will bereits Ende kommenden Jahres die ersten Autos in China auf die Straße bringen. Hergestellt werden die Fahrzeuge im ostchinesischen Nanjing. Ab Anfang kommenden Jahres wird das Unternehmen die Massenfertigung starten. Und von dort wird auch exportiert: Die Modelle für Europa und die USA sollen ebenfalls aus dem neuen Werk stammen. Der Preis des ersten angekündigten SUVs ist eine Kampfansage an die Konkurrenz: Ab umgerechnet 38.000 Euro werden die Fahrzeuge zu haben sein. Die Reichweite der Autos soll bis zu 520 Kilometern betragen und die Batterie innerhalb von 30 Minuten um bis zu 80 Prozent geladen sein.

Im Gespräch mit der WirtschaftsWoche erklärt Kirchert die Strategie des Start-ups, die er an dem Abend bereits in fließendem Chinesisch vorgestellt hat:

Herr Kirchert, wie viele Ihrer ehemaligen Kollegen von BMW haben sie heute zur Premiere für ihr zweites Konzeptauto eingeladen?
Daniel Kirchert: Es sind einige da, weil wir gerade unsere Handelspartner aussuchen. Wir haben auch einige Kollegen in unserem Team, die von BMW und Infiniti zu uns gewechselt sind.

In Deutschland werden die ersten Dieselverbote durchgesetzt, gegen den Audi-Chef Rupert Stadler wird seit dieser Woche offiziell ermittelt und Daimler muss tausende Autos zurückrufen. Schauen Sie manchmal mit Genugtuung nach Deutschland?
Nein, nicht mit Genugtuung. Aber ich bin überzeugt, dass die Zukunft elektrisch ist. Sie können sich vorstellen, dass der Hintergrund für die Gründung unseres eigenen Start-ups war, dass wir das Gefühl hatten, dass die traditionellen Unternehmen nicht besonders daran interessiert sind, die Entwicklung möglichst schnell voranzutreiben. Die deutschen Unternehmen versuchen, einen evolutionären Pfad zu nehmen und möglichst langsam voranzugehen. Auch um ihre Investitionen in die Vergangenheit zu schützen.


Die Vision von der zukunftsfähigen Plattform für Elektrofahrzeuge

Sie präsentieren Byton als globales Unternehmen. Gleichzeitig haben sie nun eine weitere Finanzierungsrunde abgeschlossen. Darunter sind aber keine nicht-chinesischen Investoren. Welche sind denn Ihre großen ausländischen Investoren?
Von der Investorstruktur sind wir aktuell relativ chinesisch. Das Managementteam ist aber selbst mit der größte Aktionär. Das Team ist sehr international. In unsere Series-C-Finanzierungsrunde werden wir stärker im europäischen und amerikanischen Raum suchen. In Europa ist der Kapitalmarkt aber nicht vorbereitet, in Unternehmen wie uns zu investieren.

Sie bekommen aber auch massiv Unterstützung von chinesisch-öffentlicher Seite. Zum Beispiel von dem Belt & Road Investment Funds und der Lokalregierungen in der Provinz Jiangsu und der Stadt Nanjing.
Ja, unser Werk in Nanjing ist ein Gemeinschaftsprojekt mit der Regierung von Nanjing. Und da haben wir eine Serie von Unterstützungsleistungen bekommen. Anfangen mit Krediten, Zugang zu Land und anderen Ressourcen. Dazu massive Unterstützung bei den bürokratischen Hürden, so dass wir möglichst schnell vorankommen. Das ist auch sehr wichtig und ein Faktor, warum wir in China sind.

Machen Sie sich nicht abhängig?
Nein, die Nanjinger Stadtregierung investiert in uns, weil sie eine Vision hat, um ihre Stadt in eine zukunftsfähige Plattform für Elektrofahrzeuge zu entwickeln, die auch einen globalen Einfluss hat. Aber wir sind ein unabhängiges Unternehmen. Auch wenn wir unser Werk und unser Hauptsitz dort haben. Die Zentralregierung hat verschiedene Gründe, das Thema so stark nach vorne zu schieben. Das ist mit Sicherheit auch Industriepolitik, wo man die Chance sieht, ein chinesisches Unternehmen jetzt global in die erste Reihe zu heben.

Sie kooperieren unter anderem mit Tencent, dem chinesischen Messenger-Betreiber WeChat, und dem chinesischen Suchmaschinenbetreiber Baidu in China: Wie wollen Sie in Zukunft Kunden garantieren, dass ihre Daten nicht auf chinesischen Servern landen?
Tencent war ein Partner bei der Gründung, ist jetzt aber kein Investor bei uns. Baidu ist ein strategischer Partner. Wir arbeiten aber auch mit anderen Internetfirmen zusammen. Wir haben keinen Anteilseigner eines chinesischen Internetunternehmens.

Aber beispielsweise der Kartendienst von Baidu wird Daten speichern.
In der Entwicklung unseres Systems arbeiten wir mit fast allen wichtigen Internetunternehmen der Welt zusammen, um deren Inhalte auf unsere Plattformen zu bringen. Zum Beispiel arbeiten wir mit Amazon zusammen, um Alexa zu integrieren. Was wir in China machen, und was wir außerhalb des Landes machen, wird für den Nutzer komplett unterschiedlich aussehen. Wir arbeiten an zwei unterschiedlichen Versionen. Und Datensicherheit hat bei uns oberste Priorität.

Sie arbeiten mit dem chinesischen Batteriehersteller CATL zusammen. Deutsche Hersteller haben es bisher nicht geschafft, einen eigenen Batterieproduzenten aufzubauen. Wieso eigentlich nicht?
Batterien- und Zelltechnologie hat mit der traditionellen Automobilindustrie wenig zu tun. Das ist hochkomplex. Die Unternehmen aus Korea und Japan, die in diesem Bereich führend sind, haben jahrelang in diesem Bereich geforscht. Sie können nicht nur eine Fabrik hinstellen und Zellen produzieren. Sie müssen in Vorleistung gehen und mit fünf bis zehn Jahren rechnen. CATL ist mit chinesischem Tempo unterwegs und hat auch zehn Jahre gebraucht. Jetzt sind sie technologisch global mitführend.

Die deutschen Hersteller hätten sich auch zusammentun können. Haben es VW, BMW und Co. nicht schlicht verpennt?
Absolut. Wenn sie morgen sagen würden, wir stellen jetzt komplett auf Elektro um, das würden sie schnell hinkriegen. Die Technologie ist nicht komplexer als bei Verbrennungsmotoren. Aber wenn sie die Zellen selbst machen wollen, dann müssten sie fünf Jahre in Vorleistung gehen. Da hätte man früher starten müssen.


„Wir setzen klar auf autonomes Fahren“

Die chinesischen Hersteller profitieren auch davon, dass gar keine anderen Produzenten zugelassen sind.
Laut der Regularien darf man auch ausländische Batteriehersteller verbauen, aber dann bekommt man keine Subventionen. Sprich, die sehr hohen Zuschüsse vom Staat, die die Elektroautos im Moment extrem attraktiv machen. Aber wir gehen davon aus, dass die Zuschüsse in den kommenden Jahren auch wieder zurückgefahren werden.

Autobauer entwickeln sich immer stärker zu Mobilitätsanbietern. Was unterscheidet Sie von der Konkurrenz?
Wir setzen klar auf autonomes Fahren. Unser nächstes Auto, das wir 2019 einführen, wird die Stufe 3 in der Klassifizierung des autonomen Fahrens erreichen. Der Fahrer muss das System dann nicht mehr dauernd überwachen. Das entwickeln wir gemeinsam mit Bosch. Wir sind mit dem amerikanischen Start-up Aurora dabei, die Stufe 4 umzusetzen. Wann das im großen Maßstab auf die Straße kommt, ist noch unklar. Aber das ist die Zukunft.

Das machen andere auch.
Ja, aber wir glauben, dass wir da ganz vorne mit dabei sind. Dazu ist die Frage: Wenn es so weit ist, was macht der Passagier im Auto. Unsere Autos sind für das Zeitalter des autonomen Fahrens designt. Jetzt nach dem Abschluss unserer B-Serie werden Mobilitäts-Dienstleistungen für uns das nächste Thema. Ich kann ihnen nicht sagen, wie die Zukunft in den kommenden zehn Jahren aussieht. Aber wir sind da gut vorbereitet.

Wo werden die ersten autonomen Fahrzeuge auf der Straße unterwegs sein?
Unsere ersten Fahrzeugen fahren schon im Silicon Valley. Wo die ersten Autos serienmäßig fahren werden, das ist noch nicht klar. China und Nordamerika liefern sich da im Moment ein Kopf an Kopf rennen. China hat in diesem Bereich enorm aufgeholt. Es gibt einige chinesische Lokalregierungen, die nun Testzonen schaffen. Mit einigen sind wir auch im Gespräch. Das Thema wird von den Regierungen getrieben werden.

Werfen Ihnen manche ehemaligen Kollegen eigentlich Verrat vor?
Nein, wieso? Wir haben ja nichts von BMW oder anderen Firmen geklaut. Wir sind mit unserem Wissen, dass wir im Kopf hatten, zu Byton gekommen. Wir haben von null angefangen. Wir haben aber ein deutsches Herz und eine deutsche DNA. Das kombinieren wir jetzt mit Neuem. Aber die Denke, eines deutschen oder chinesischen Unternehmens, das ist von gestern. Die jungen Leute interessieren sich dafür nicht mehr. Die wollen ein cooles Produkt haben. Wir sind zwar verwurzelt in China und stark finanziert vom chinesischen Kapitalmarkt, aber wir sind ein globales Unternehmen.