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Biontech will der EU mehr Impfstoffdosen liefern – Firmenchef „verwundert“ über Europas Strategie

Der Mainzer Hersteller stellt der EU 100 Millionen weitere Impfstoff-Einheiten zur Verfügung. Ihr Zögern kommt für den Biontech-Chef jedoch überraschend.

Der Mainzer Hersteller Biontech will mehr Corona-Impfstoff als bisher geplant an die Europäische Union liefern. Das Unternehmen befinde sich „in fortgeschrittenen Diskussionen, ob und wie wir weitere Impfstoffdosen aus Europa für Europa in diesem Jahr zur Verfügung stellen können“, teilte Unternehmenschef Ugur Sahin am Freitag der dpa mit.

Hintergrund sind Klagen über die Knappheit von Impfstoff in Deutschland und anderen EU-Staaten. Sowohl Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) als auch die EU-Kommission müssen sich Kritik anhören.

Bisher hat nur der Biontech-Impfstoff eine europäische Zulassung. Die EU-Kommission hatte für alle 27 Staaten gemeinsam einen Rahmenvertrag über bis zu 300 Millionen Impfstoffdosen des Herstellers abgeschlossen – eine feste Bestellung von 200 Millionen Dosen und eine Option auf 100 Millionen weitere, die diese Woche auch gezogen wurde. Nun wird über zusätzliche Mengen verhandelt. Insgesamt hat die EU bei Biontech und fünf weiteren Firmen zwei Milliarden Impfdosen für die 450 Millionen EU-Bürger bestellt.

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„Aufgrund der aktuell hohen Infektionszahlen ist eine zügige Impfstoffversorgung besonders wichtig“, betonte Sahin. „Wir arbeiten mit der EU zusammen, um unsere Produktionskapazitäten weiter auszubauen und zusätzliche Impfstoffdosen bereitstellen zu können.“

In einem Interview mit dem „Spiegel“ hatte Sahin erklärt, die zögerliche Bestellung der EU habe ihn „verwundert“. Der Prozess in Europa sei wegen des Mitspracherechts der einzelnen Länder nicht so schnell und geradlinig abgelaufen wie anderen Ländern. Die EU habe zudem auch auf andere Hersteller gesetzt, die nun doch nicht so schnell liefern können. „Offenbar herrschte der Eindruck: Wir kriegen genug, es wird alles nicht so schlimm, und wir haben das unter Kontrolle“, sagte Sahin: „Mich hat das gewundert.“

Im Austausch mit weiteren Partnern

Mehr als 160.000 Menschen in Deutschland wurden bislang gegen das Coronavirus geimpft. Bis Freitagmittag wurden insgesamt 165.575 Impfungen an das Robert Koch-Institut (RKI) gemeldet. Unter den Geimpften sind 71.590 Bewohner von Pflegeheimen. 77.253 Personen erhielten die Impfung aus beruflichen Gründen. Insgesamt 39.214 Menschen wurden wegen ihres hohen Alters über 80 Jahre geimpft.

Gegenüber dem „Spiegel“ betonte Biontech-Chef Sahin, er versuche nun. neue Kooperationspartner zu gewinnen, die für sein Unternehmen produzieren. „Aber es ist ja nicht so, als stünden überall in der Welt spezialisierte Fabriken ungenutzt herum, die von heute auf morgen Impfstoff in der nötigen Qualität herstellen könnten.“ Ende Januar werde man wissen, ob und wie viel mehr produziert werden könne.

Allerdings unterstrich er auch die Komplexität bei der Herstellung von mRNA-Impfstoffen. „Da kann man nicht einfach umschalten, so dass statt Aspirin oder Hustensaft plötzlich Impfstoff hergestellt wird. Der Prozess braucht jahrelange Expertise und eine entsprechende bauliche und technologische Ausstattung.“

Außerdem erklärte Sahin die kurz- und mittelfristigen Pläne hinsichtlich der weiteren Forschung. Im Spätsommer könne außerdem eine weiterentwickelte Impfstoffgeneration bereitstehen, die auch bei weniger starker Kühlung transportiert werden könne, sagte Sahin. Kurz nach Weihnachten hatte es in Nordbayern offenbar Probleme mit der Kühlkette gegeben: Die Impfdosen waren zeitweise mit einer Temperatur über den erforderlichen acht Grad Celsius gekühlt worden. Rund 1000 Impfeinheiten wurden deshalb nicht genutzt, entgegen der Empfehlung von Bionech.

Ob der Impfstoff auch gegen die in England aufgetauchte, möglicherweise deutlich ansteckendere Mutation des Virus wirke, werde derzeit untersucht, führte Firmenchef Sahin aus: „Wir testen, ob unser Impfstoff auch diese Variante neutralisieren kann, und wissen bald mehr.“

Falls der Impfstoff dagegen nicht wirke, könne er „rein technologisch“ relativ einfach angepasst werden, was vielleicht sechs Wochen dauern würde, erklärte Sahin. Die Frage sei, ob die Zulassungsbehörden die bereits nachgewiesene Wirksamkeit und Sicherheit in diesem Fall weiter akzeptieren würden – andernfalls wäre eine neue Studie mit Zehntausenden Probanden nötig.

Diskussion über zweite Impfung

Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Carsten Schneider, forderte ein Gipfeltreffen der Bundesregierung mit allen in Deutschland produzierenden pharmazeutischen Unternehmen. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) müsse klären, „welche Produktionsstätten bestehen und kurzfristig nutzbar gemacht werden können“. Er habe alle Möglichkeiten, weitreichende Maßnahmen zur Umstellung und Öffnung von Produktionsstätten der pharmazeutischen Industrie zu ergreifen.

Zuletzt hatte es Wirbel um die Lieferungen der Impfdosen an die Bundesländer gegeben. „Es ist nicht akzeptabel, dass dieser Impfstoff nach dem Impfbeginn nicht mal in der angekündigten Menge zur Verfügung steht“, kritisierte Schneider. Die nächste Charge soll nun am 8. Januar eintreffen. Das bestätigte der Bund am Freitag ausdrücklich.

Diskutiert wird in Deutschland derzeit, ob man die nötige zweite Impfdosis später verabreichen sollte, um zunächst möglichst viele Menschen mit den knappen Vorräten zu impfen.

Die europäische Zulassungsbehörde EMA dämpfte nun die Erwartungen. Zwar sei eine Obergrenze für den zeitlichen Abstand zwischen den Dosen nicht explizit definiert, der Nachweis der Wirksamkeit basiere aber auf einer Studie, bei der die Verabreichung der Dosen im Abstand von 19 bis 42 Tagen erfolgte, erklärte die EMA am Freitag gegenüber dpa. Eine Verabreichung etwa im Abstand von sechs Monaten stehe nicht im Einklang mit den Bestimmungen. Eine solche Änderung würde demnach eine Änderung der Zulassung sowie mehr klinische Daten zur Unterstützung einer solchen Änderung erfordern.

Auch WHO erteilt Impfstoff-Zulassung

Derweil hat auch die Weltgesundheitsorganisation WHO grünes Licht für den Einsatz des besagten Impfstoffes gegeben. Am Silvestertag erhielt das Präparat eine Notfallzulassung, wie die WHO in Genf mitteilte.

Mit der WHO-Notfallzulassung können UN-Organisationen nun den Impfstoff von Biontech und Pfizer einkaufen und verteilen. Ebenso können Länder, die keine eigenen Kapazitäten für solche wissenschaftlichen Prüfungen haben, aufgrund der Vorarbeit der WHO eine Zulassung in ihrem Land erteilen. Die UN-Organisation prüft wie die Regulierungsbehörden einzelner Länder wissenschaftliche Studien zu neuen Medikamenten oder Impfstoffen und wägt die Risiken eines Einsatzes ab.

Der Impfstoff erfülle alle Sicherheits- und Wirksamkeitsanforderungen der WHO, hieß es. „Der Nutzen eines Einsatzes, um mit der Covid-19-Pandemie fertigzuwerden, wiegt mögliche Risiken auf“, teilte die WHO mit.

Auch der Impfstoff des britisch-schwedischen Konzerns Astrazeneca und der Universität Oxford ist inzwischen in weiteren Ländern im Einsatz. In Argentinien erteilte die Arzneimittelbehörde Anmat nach eigenen Angaben eine auf ein Jahr begrenzte Notfallregistrierung für den Verkauf des Mittels gegen Rezept. Die Arzneimittelbehörde des mittelamerikanischen El Salvador teilte mit, sie habe eine Notfallzulassung für Import, Verteilung und Gebrauch dieses Impfstoffs erteilt. Wann mit dem Einsatz des Präparats zu rechnen ist und wie viele Dosen sie jeweils erhalten sollen, war für beide Länder zunächst unklar.

Die EU-Arzneimittelagentur EMA prüft das Mittel von Astrazeneca derzeit im sogenannten Rolling-Review-Verfahren. Dabei werden Daten von den Herstellern nach und nach eingereicht, die Prüfung und gegebenenfalls Zulassung des Impfstoffes sollen so beschleunigt werden. Anders als in Großbritannien erteile man in Europa keine Notfallzulassung, sondern eine „bedingte Marktzulassung“ – mit allen damit verbundenen Schutzmaßnahmen, Kontrollen und Verpflichtungen, teilte die EMA mit.