Gröhe will Apotheken-Versandhandel verbieten
Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe will den Versandhandel mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln verbieten. Gröhe arbeite an einem entsprechenden Gesetz, sagte ein Sprecher am Freitag in Berlin. Nur mit einem solchen Verbot könne die Qualität und die Sicherheit einer flächendeckenden, wohnortnahen Versorgung mit Medikamenten sichergestellt werden, sagte der Sprecher, der damit einen Bericht der „Rheinischen Post“ bestätigte. Der Versandhandel könne die wohnortnahe Beratung und Versorgung nicht ersetzen. Einen Zeitplan für den Gesetzentwurf nannte der Sprecher nicht.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte in der vergangenen Woche die in Deutschland geltende Preisbindung für verschreibungspflichtige Arzneien für Versandapotheken mit Sitz im Ausland gekippt. Die Richter hatten argumentiert, die Regelung sei eine nicht gerechtfertigte Beschränkung des freien Warenverkehrs. Als Reaktion auf das Urteil kündigte die niederländische Versandapotheke DocMorris einen verschärften Preiswettbewerb an. Gröhe selbst hatte erklärt, er sei fest entschlossen, das Notwendige und Mögliche zu tun, um die flächendeckende Arzneiversorgung durch ortsnahe Apotheken zu sichern.
Die Krankenkassen wollen das gekippte Rabattverbot im Versandhandel hingegen zur Senkung ihrer Ausgaben nutzen. Der Vorstandsvorsitzende von Doc Morris, Olaf Heinrich, sagte der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, es gebe sehr viele Anfragen von Kassen, die zusammen mehr als 20 Millionen Kunden hätten. „Ich gehe davon aus, dass wir bis Ende des Jahres den ersten Vertrag mit einer Krankenkasse abschließen werden.“
Kritik an Gröhes Plänen kam denn auch vom Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). „Im 21. Jahrhundert eine ganze Branche per Gesetz vom Online-Versandhandel ausschließen zu wollen, erscheint nicht zeitgemäß“, sagte Vizechef Johann-Magnus von Stackelberg. Gerade der Versandhandel könne dazu beitragen, dass die Versorgung von Patienten, die schon heute auf dem Land längere Anfahrtswege zu Apotheken hätten, verbessert werde.
SPD protestiert
Auch die SPD hat Widerstand gegen Gröhes Pläne angekündigt. „Es kann doch nicht sein, dass die Bundesregierung auch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes, dass den mangeln Preiswettbewerb in Deutschland kritisiert, mit einer gesetzlichen Maßnahme reagieren, die den Wettbewerb bei Arzneimitteln weiter einschränkt“ sagte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD, Karl Lauterbach, dem Handelsblatt. Zudem sei er nicht damit einverstanden, dass ausgerechnet in Deutschland Menschen von einer Dienstleistung abgeschnitten werden, die viele Bürger um Deutschland herum genießen können.
„Viele Patienten betrachten die Versandhandel mit Medikamenten als Segen. Denken sie nur an Menschen, die an Orten wohnen, wo es keine Apotheke gibt oder Gehbehinderte“, fügte Lauterbach hinzu. Die SPD sei auch grundsätzlich dagegen, den Versicherten die Möglichkeit abzuschneiden, Medikamente mit einem Preisvorteil einzukaufen. „Aus all diesen Gründen stehen wir dem Plan Gröhes sehr skeptisch gegenüber.“
Sollte Gröhe sich mit seiner Absicht durchsetzen den Versandhandel mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln zu verbieten, würde das Rabattverträge beispielswiese zwischen DocMorris und den Krankenkassen unmöglich machen. Ein Sprecher des Ministers verteidigte die Pläne für ein Verbot damit, dass nur mit einem solchen Verbot die Qualität und die Sicherheit einer flächendeckenden, wohnortnahen Versorgung mit Medikamenten sichergestellt werden könne. Lauterbach widersprach. Auch er sei dafür, die Präsenzapotheken zu sichern. „Ich bin aber nicht der Meinung, dass ein Verbot des Versandhandels dazu der richtige Weg ist.“
Unterstützung für Gröhe kam von der CSU. Die bayerisches Gesundheitsministerin Melanie Huml sagte, sie begrüße, dass nun auch der Bundesgesundheitsminister den Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln verbieten wolle. Unabhängig davon treibe die bayerische Landesregierung ihre Bundesratsinitiative für ein Verbot zügig voran. Bayern will damit erreichen, dass das Verbot noch in den Entwurf des Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetz (AM-VSG) eingearbeitet wird, der am 9. November im Gesundheits-Ausschuss des Bundesrats beraten werden soll.
KONTEXT
Für welche Produkte in Deutschland Preisbindungen gelten
Verlagserzeugnisse
Für Produkte wie Bücher, Noten, Landkarten und sogenannte "Buchsubstitute" wie zum Beispiel E-Books gilt in Deutschland die Buchpreisbindung. Sie schreibt den Verlagen beziehungsweise Buchimporteuren vor, für jedes Buch einen unveränderbaren Preis festzusetzen, der an allen Verkaufsstellen gilt.
Zeitungen und Zeitschriften
Ebenso gelten feste Preise für Zeitungen und Zeitschriften - wenn der Verleger mit dem Großhändler einen entsprechenden Preisbindungsvertrag geschlossen hat. Anders als bei der Buchpreisbindung ist die Festsetzung freiwillig.
Tabakwaren
Die Preise für Tabakwaren wie Zigaretten, Zigarren und Zigarillos werden im Tabaksteuergesetz festgelegt.
Beförderungsentgelte
Auch die Preise für meisten Taxifahrten werden gebunden festgelegt.
Mieten
Nach unten offen, aber nach oben gedeckelt sind die Mieten im sozialen Wohnungsbau. Die Grenze setzt hierbei die sogenannte Kostenmiete, also einen Mietzins, der zur Deckung der laufenden Aufwendungen unter Berücksichtigung der tatsächlichen Finanzierungskosten erforderlich ist. Eine Unterschreitung der Kostenmiete ist indes erlaubt, weshalb es sich nicht um eine Preisbindung im strengen Sinne handelt.
Rezeptpflichtige Arzneimittel
Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass ausländische Apotheken die gesetzlich festgeschriebenen Preise für Arzneimittel in Deutschland unterbieten dürfen. Damit gilt die Preisbindung für Arzneimittel lediglich noch vorläufig.