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Gegen die Macht der Konzerne – Wie das Amerika des Bernie Sanders aussehen würde

Noch hat der Linke Bernie Sanders Chancen, Präsidentschaftskandidat zu werden. Er würde alles tun, um das Land grundlegend zu verändern.

Er will keine Macht um der Macht willen. Er verzichtet weitgehend auf politisch korrekte Sprechblasen, die Politiker heutzutage so austauschbar machen. Er ist sich und seinen Positionen jahrzehntelang treu geblieben – Zeitgeist hin, Zeitgeist her.

Es gibt viele Gründe, Bernie Sanders zu mögen. Der Senator aus Vermont stellt sich am Donnerstag in seinem Heimatstaat vor die Kameras und gibt eine Erklärung ab. Gerade hatte Elizabeth Warren, Sanders einzige Rivalin im linken Lager, ihre Präsidentschaftskandidatur aufgegeben.

„Wie Sie wissen“, sagt Sanders, „bin ich seit einigen Jahren in der Politik“. Es seien „schwierige Tage für Senatorin Warren, für ihre Leute und für die vielen, vielen Anhänger“, die sie habe. Was folgt, ist eine lange Würdigung ihrer Person und die „richtige Sache“, für die sie gekämpft habe.

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Sanders ist betroffen – es ist nicht gespielt – und jeder weiß es, spürt es. Authentizität ist vielleicht das passende Wort, dass das Phänomen Sanders am besten beschreibt. Keiner der Bewerber um die Präsidentschaftskandidatur hat eine derart eingeschworene und vor allem auch junge Fangemeinde wie Sanders. Keiner der Bewerber kämpft so leidenschaftlich wie Sanders, und keiner ist dabei so unprätentiös.

Der Senator ist 78 Jahre alt, vor einigen Monaten erlitt er einen Herzinfarkt – trotzdem nimmt er die Strapazen einer Kandidaten-Tour, die es in dieser Form nur in den USA gibt, auf sich. Er erträgt es, weil es ihm um die Sache geht. Seine Sache ist der völlige Umbau der amerikanischen Gesellschaft. „Demokratischer Sozialist“ nennt er sich selbst – schon das ist im kapitalistischsten aller kapitalistischen Länder eine Provokation. Doch Sanders meint es ernst.

Sanders will die privaten Krankenkassen abschaffen – und eine staatliche Krankenversicherung für alle einführen. Er will die Macht der Wall Street und der Konzerne beschränken, sie notfalls zerschlagen. Er will die Steuern für die Reichen des Landes massiv erhöhen. Und Bildung soll eine staatliche Gratisleistung für alle US-Bürger werden – die bislang aufgelaufenen Studentenkredite in Höhe von knapp 1,6 Billionen Dollar will Sanders erlassen.

Die Sandersche Revolution ist ebenso kühn wie waghalsig – allein die steuerfinanzierte Krankenversicherung würde nach Schätzung des „Committee for a Responsible Budget“ innerhalb von zehn Jahren eine Lücke von fast 13 Billionen Dollar in die staatlichen Finanzen reißen. Das gesamte jährliche Wirtschaftsleistung der USA beträgt gut 22 Billionen Dollar. Aus finanzpolitischer Sicht also wäre Sanders’ Kurs für die größte Volkswirtschaft, die mit 108 Prozent des BIP verschuldet ist, ein Himmelfahrtskommando.

Und trotzdem ist es nicht einmal unwahrscheinlich, dass Sanders einmal die Chance bekommt, zumindest einen Teil seiner Pläne umzusetzen. Der Kampf um die Präsidentschaftskandidatur ist nach dem Super Tuesday zu einem Duell zwischen Sanders und Joe Biden geworden. Der Senator liegt nach aktuellen Umfragen trotz seines Rückschlags am vergangenen Dienstag, als in 14 Bundesstaaten parallel Vorwahlen abgehalten wurden, immerhin noch bei gut 35 Prozent.

Biden, der ehemalige Vizepräsident von Barack Obama, hat Sanders inzwischen überholt und liegt jetzt bei 51 Prozent. Auch bei den Vorwahlen an diesem Dienstag in sechs Bundesstaaten, darunter Michigan, Mississippi und Missouri, ist Biden der Favorit. Aber der Weg zur Kandidatur ist noch lang. Biden hat bislang 664 der 1990 für eine Mehrheit auf dem Nominierungsparteitag der Demokraten notwendigen Delegiertenstimmen hinter sich versammelt. Sanders kommt auf 573.

Lieblingsfeind der Wall Street: „Wirtschaft ruinieren“

Dass bei den Vorwahlen der Demokraten und auch bei den Präsidentschaftswahlen im November noch alles möglich ist, weiß man auch an der Wall Street. Ein Sieg Sanders hätte massive Folgen für die Wirtschaft und vor allem für die Banken.

So hat Sanders angekündigt, die Trennung zwischen Investment- und Geschäftsbanken wieder einzuführen, die 1999 von Bill Clinton abgeschafft wurde. Für Großbanken wie JP Morgan Chase würde das eine Aufspaltung zur Folge haben. Auch will Sanders verhindern, dass Banken zu groß werden. 2018 kündete er ein Gesetz an, nach dem alle Banken ab einer bestimmten Größte aufgespalten werden müssen – was JP Morgan, Bank of America, Citigroup und Wells Fargo, die vier größten Banken des Landes, getroffen hätte.

Sanders will auch eine Obergrenze für Zinsen auf Verbraucherkredite einführen, die bei 15 Prozent liegen soll. Das würde das Kreditkartengeschäft für viele Banken deutlich weniger lukrativ machen. Auch fordert Sanders, dass die Post Kleinkredite zu niedrigen Zinsen vergeben soll.

All das käme einer Kriegserklärung für die Banken gleich – entsprechend groß ist die Skepsis gegenüber Sanders an der Wall Street. Er würde „die Wirtschaft ruinieren“, twitterte Lloyd Blankfein, der frühere Chef der Investmentbank Goldman Sachs kürzlich. In einem Interview mit der „Financial Times“ sagte Blankfein, es würde ihm leichter fallen, für Donald Trump zu stimmen als für Sanders. Damit sprach er aus, was viele in Amerikas Finanzzentrum denken.

„Sollte Sanders der Kandidat der Demokraten werden und in den Umfragen eine nennenswerte Chance haben, Trump zu schlagen, dann erwarten wir, dass die Märkte deutlich einbrechen, vor allem die Bank-Aktien“, sagt Brian Gardner, Analyst der Investmentbank Keefe, Bruyette & Woods. Ein Private-Equity-Manager, der seinen Namen lieber nicht in der Zeitung lesen will, rechnet mit Kursverlusten von „locker 25 Prozent, wenn er gewinnt“.

Für Sanders ist die geradezu hysterische Stimmung an der Wall Street ein Zeichen dafür, dass er richtig liegt. „Was wir im Moment sehen, ist dass die Wall Street ihre Scheckbücher für Joe Biden öffnet“, sagte er am Donnerstag. Aber das spornt ihn nur noch weiter an.

Das Silicon Valley hadert mit Sanders

Anders als in New York ist die Stimmung im Silicon Valley, dem zweiten Kraftzentrum der amerikanischen Wirtschaft, sehr viel differenzierter. Wer mitten in der Corona-Epidemie 9500 Menschen in eine Veranstaltungshalle bringt, muss echte Fans haben: Bei einem seinen letzten Events vor dem Super Tuesday, in San Jose im Süden des Silicon Valley, konnte sich Sanders eindrucksvoll seiner Unterstützung in der Tech-Industrie vergewissern. Im Publikum waren zahlreiche Mitarbeiter von Google, Facebook und anderen Tech-Riesen.

Dabei hätten gerade Apple, Google, Amazon und Facebook unter einem Präsidenten Sanders wohl große Schwierigkeiten, ihren Status als wertvollste Konzerne der Welt zu behaupten. Der Senator hält sie für zu groß, zu mächtig und zu reich und gelobt, sie zu zerschlagen. „Wir brauchen kraftvolle Wettbewerbsregeln“, sagte Sanders kürzlich. Die Technologie-Branche sei eine von mehreren, die von „weniger und weniger Großkonzernen dominiert“ werde.

Sanders erklärte bislang nicht detailliert, wie er die Macht der Konzerne brechen will oder welche Unternehmensteile Facebook, Google und Co. unter seiner Regierung abspalten müssten. Doch ein Trommelfeuer an Initiativen gegen ihre bislang hochprofitablen Geschäftsmodelle wäre den Tech-Riesen unter einem Präsidenten Sanders gewiss. Er will, dass Amazon höhere Steuern zahlt und seine Lieferfahrer und Lagerarbeiter besser behandelt.

Sanders fordert, dass Uber seine Fahrer als Angestellte einstuft und sie krankenversichern muss. Er will die als „Section 230“ bekannte Regel einschränken, die Plattformen wie Facebook und YouTube von der Haftung für ihre Inhalte freispricht – das Fundament jeder offenen Plattform, die nicht jeden Beitrag vor Veröffentlichung überprüfen will.

Der „demokratische Sozialist“ wäre für die Management-Eliten in Cupertino, Mountain View und Menlo Park eine größere Bedrohung als der amtierende Präsident – dabei ist schon Trump mit seinem Handelskrieg und den Ausfällen gegen die angeblich gegen ihn voreingenommenen sozialen Medien ein Problem.

Anders als mit Trump drohen den Tech-Millionären und -Milliardären unter Sanders auch höhere Steuern. Die Vermögenssteuer ab 32 Millionen Dollar in seinem Programm würde nicht nur Topmanager treffen, sondern auch manchen frühen Mitarbeiter eines Start-ups, das einen erfolgreichen Börsengang geschafft hat.

Besonders ärgert die Investoren und Unternehmer aber ein anderer Sanders-Vorschlag: Der Senator aus dem fernen Vermont will Aktienoptionen für Menschen mit einem Einkommen ab 130.000 Dollar besteuern – was in der Bay Area allenfalls ein Mittelklasse-Einkommen ist.

Die Steuer soll bereits fällig werden, wenn die Optionen gewährt werden, nicht erst bei Einlösung. Bis solche Optionen aber liquide werden, können Jahre vergehen – geht das Start-up pleite oder wird notverkauft, sind die bereits versteuerten Optionen sogar wertlos. „Wenn dein Ziel ist, das Ökosystem im Silicon Valley zu zerstören, das neue Unternehmen hervorbringt, ist das eine effektive Methode“, schrieb Dropbox-Manager Adam Nash auf Twitter. Der Investor Keith Rabois gelobte sogar, eher Trump als Sanders zu wählen.

Rabois, ein Intimus von Trump-Unterstützer Peter Thiel, ist bislang ein Einzelfall. Gerade Topmanager der großen Tech-Konzerne hüten sich, im linken Kalifornien zu deutlich gegen Sanders zu stehen. Laut einer Analyse der „Financial Times“ vor dem Super Tuesday ging ein Drittel des Spendengeldes von Mitarbeitern der größten Tech-Konzerne an Sanders und ein weiteres Drittel an Warren. Biden erhielt gerade einmal acht Prozent der Spenden wohlhabender Ingenieure und Software-Entwickler.

Dass die Mitarbeiter der Tech-Konzerne einen Politiker favorisieren, der ihre Arbeitgeber wohl um Milliardengewinne bringen wird, ist nur auf den ersten Blick überraschend: An die gemeinsame Mission, auf die Google, Facebook und andere ihre Mitarbeiter lange einschwören konnten, glauben immer weniger Mitarbeiter der Big-Tech-Unternehmen. Dass sich der einstige „Don’t be Evil“-Konzern Google um einen Großauftrag der CIA bewarb und mit einer zensierten Suchmaschine den chinesischen Markt erobern wollte, sehen viele als Verrat an den eigenen Prinzipien.

So ist es auch kein Wunder also, dass Sanders in Kalifornien am Super Tuesday gewonnen hat. Und wie sagte der 78-Jährige bei seiner Rally in San Jose noch: „Wer Kalifornien gewinnt, gewinnt in der Regel auch die Nominierung“.

Menschenrecht Krankenversicherung

Dass ein Mann wie Sanders, der in nationalen Umfragen leicht vor Trump liegt, in den USA überhaupt Chancen hat, liegt vor allem daran, dass sich auch die Stimmung in den USA gewandelt hat. An Sanders linken Thesen hat sich – mal abgesehen vom ökologischen Greendeal, den er neuerdings propagiert – hat sich seit mehr als 30 Jahren nicht viel geändert. Geändert hat sich vielmehr die Haltung der Amerikaner. Kapitalismuskritik ist längst salonfähig in den USA. Umfragen bestätigen das eindringlich für jüngere Leute.

Die Finanzkrise und die Rettung der Großbanken mit Steuergeldern, die wachsende Ungleichheit und die sinkenden Realeinkommen der Mittel- und Unterschicht haben Einkommen – all das hat den Kapitalismus so diskreditiert, dass selbst Wall-Street-Größen nach einer Reichensteuer und mehr sozialer Gerechtigkeit rufen. Soziale Gerechtigkeit – das bedeutet für Sanders vor allem eine staatliche Krankenversicherung für alle, das wichtigste Element seines zukünftigen Amerikas.

„Mein Sohn kommt heute nicht zum Fußball. Ich habe Angst, dass er sich verletzt. Mein Mann wechselt gerade den Job und wir haben erst nächsten Monat wieder eine Krankenversicherung“. Es sind solche Sätze aus dem Mittelklasse-Alltag, die die Realität des US-Gesundheitssystems veranschaulichen. Oder auch der New Yorker Bürgermeister Bill De Blasio, der bei seiner Pressekonferenz zu den ersten Coronavirus-Fällen eindringlich mahnt: „Rufen Sie auf der Hotline an, wenn Sie Symptome haben. Egal, ob Sie versichert sind oder nicht!“

Die große Sorge bei der jüngsten Epidemie ist, dass sich Kranke aus Angst vor hohen Rechnungen nicht bei den Ärzten melden. Beispiele dafür gibt es bereits: So fand Frank Wucinski, der nach seiner Rückkehr aus China mit seiner Tochter 14 Tage in die Quarantäne ins Krankenhaus geschickt wurde, zuhause Arzt- und Krankenhausrechnungen über knapp 4000 Dollar vor.

Die hohen Kosten für das amerikanische Gesundheitssystem und die rund 30 Millionen Nicht-Versicherten sind ein grundsätzliches Problem in den USA. Selbst bei Versicherten reicht die Abdeckung oft nicht aus, wenn sie ernsthaft krank werden. Eine Krebserkrankung kann für viele den finanziellen Ruin bedeuten.

Sanders will die staatliche Versicherung Medicare, die ab 65 Jahren und bei bestimmten Krankheiten auch schon jünger greift, auf die gesamte Bevölkerung ausdehnen und erweitern. In Sanders Welt soll die gesamte Versorgung aus einer Hand kommen, so dass zwischengeschaltete Krankenkassen überflüssig wären.

Er strebt ein steuerfinanziertes Modell an, wie es es in Ländern wie Italien oder Großbritannien gibt. Wer zum Arzt oder ins Krankenhaus geht, soll ohne jede Zuzahlung die nötigen Dienstleistungen und Medikamente erhalten.

Mit diesem Plan geht Sanders deutlich weiter als Obama-Care. Obama hatte lediglich eine Versicherungspflicht eingeführt, die Strafzahlungen für Nicht-Versicherte vorsah und Obama-Care-Policen eingeführt, die bestimmte Leistungen garantieren. Allerdings wurden auch diese Policen von privaten Versicherern herausgegeben und waren oft sehr teuer.

Fakt ist: Die USA haben das teuerste Gesundheitssystem der Welt und geben 18 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für Gesundheit aus. Das entspricht mehr als 11.000 Dollar jährlich pro Kopf. Damit haben sich die Kosten innerhalb der letzten zwei Jahrzehnte verdreifacht. Dennoch liegen die USA unter den Industrieländern bei der Lebenserwartung, bei der Säuglingssterblichkeit und bei anderen Kriterien weit hinten.

Grund für die hohen Kosten in den USA sind unter anderem die vielen verschiedenen Spieler, die an dem System verdienen. Laut dem Peterson KFF Health System Tracker geht nur etwas mehr als die Hälfte der Gesundheitsausgaben tatsächlich an Ärzte und Krankenhäuser.

Da die Preise für Medikamente nicht zentral verhandelt werden, haben sich zwischen die Versicherer und die Pharmakonzerne etwa so genannte Pharmacy-Benefit/Manager (PBM) geschaltet. Theoretisch sollen diese PBMs die besten Preise für die Versicherer aushandeln.

De facto sind es meist börsennotierte Unternehmen, die oft stark auf die eigene Marge schauen. Sanders Plan sieht vor, all diese Spieler abzuschaffen. Die Preise für Medikamente will er halbieren, indem er sie an den Preisen in Kanada, Großbritannien, Frankreich, Deutschland und Japan ausrichtet.

Gesundheitsreform würde Billionen kosten

Sanders Gegner werfen ihm vor, dass das System nicht finanzierbar sei. Laut Berechnungen verschiedener Organisationen wird die von Sanders geplante Gesundheitsreform den Staat über zehn Jahre zusätzliche 34 Billionen Dollar kosten. Das wären also zusätzliche 3,4 Billionen pro Jahr.

Insgesamt hatte der Staat für Gesundheit im Jahr 2018 1,6 Billionen Dollar ausgegeben. Im privaten Sektor waren es gut zwei Billionen Dollar. Das geht aus den offiziellen Zahlen des National Health Expenditure Accounts (NHEA) hervor. Die privaten zwei Billionen Dollar würden in Sanders Welt theoretisch wegfallen. Aber das System wäre immer noch deutlich teurer.

Viele bereits versicherte Amerikaner wollen von dem Sanders-Vorstoß jedoch nichts wissen. Sie wollen ihre Versicherung behalten, wenn sie eine gute haben. Das gilt nicht nur für Gutverdiener, wie der Demokrat auf seiner Wahlkampftour hautnah erleben konnte: Bei seinem Besuch bei der stärksten Gewerkschaft Nevadas, der Culinary Workers Union im Dezember musste er seine Pläne gegenüber den 350 demokratisch gesinnten Gewerkschaftlern verteidigen.

Die Culinary Workers Union vertritt die Köche und Kellner in Las Vegas. Sie hat in ihrer Geschichte den längsten Streik der USA hingelegt, um die Casino- und Hotelbesitzer in der Wüstenstadt dazu zu zwingen, ihren Mitarbeitern eine gute Krankenversicherung zu zahlen.

Als Bernie Sanders ihnen erzählt, dass er das wegnehmen und stattdessen eine staatliche Versicherung für alle einführen will, steht Elodia Munoz auf. „Wir haben gestreikt, um für unsere Krankenversicherung zu kämpfen, eine Krankenversicherung, die ich für meine Familie brauche“, sagt die Casino-Mitarbeiterin. „Wir lieben unsere Krankenversicherung. Wir wollen sie behalten.“

Für Sanders ist Abschaffung der privaten Krankenversicherung nichts weiter als der Kollateralschaden eines übergeordneten Ziels: garantierte Gesundheitsversorgung für alle. Die Krankenversicherung ist für ihn ein „Menschenrecht“ – das betont er auf jeder Wahlkampfveranstaltung.

Für die Mehrheit der Amerikaner bedeutet eine staatliche Krankenversicherungspflicht nichts anderes als Sozialismus pur. So sehr das jüngere Amerika mit dem Kapitalismus hadert, noch immer geben 53 Prozent der Amerikaner insgesamt an, dass sie niemals einen Sozialisten wählen würden.

Das heißt aber auch: So gut Sanders Chancen auch sein mögen, Präsidentschaftskandidat zu werden, für sein eigentliches Ziel, einen Sieg über den „gefährlichsten Präsidenten aller Zeiten“ ist er womöglich selbst das größte Hindernis. Denn Demokraten gewannen tendenziell immer dann das Weiße Haus, wenn ein moderater Kandidat angetreten war.