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Frankreich geht in neuen, harten Lockdown – Macron: „Brutale Bremsung“ ab Freitag nötig

Frankreichs Präsident sieht das Land „von der zweiten Corona-Welle überwältigt“ und verordnet drastische Maßnahmen. Besonders eine Erkenntnis hatte Macron umdenken lassen.

Emmanuel Macron ist auf einem Bildschirm eines Fernsehers in einem Café zu sehen, während er sich in einer TV-Ansprache an die Nation wendet. (Bild: Christophe Simon/AFP/dpa)
Emmanuel Macron ist auf einem Bildschirm eines Fernsehers in einem Café zu sehen, während er sich in einer TV-Ansprache an die Nation wendet. (Bild: Christophe Simon/AFP/dpa)

Frankreich geht wieder in den harten Lockdown: Am Mittwochabend hat Staatspräsident Emmanuel Macron in einer TV-Ansprache angekündigt, dass „eine brutale Bremsung“ notwendig sei, um die Zirkulation des Coronavirus zu verlangsamen. Geschehe das nicht, dann müssten schon in wenigen Wochen „die Ärzte wählen, wen sie behandeln: ein Covid- oder ein Unfallopfer, den einen oder den anderen Covid-Kranken“, sagte Macron mit schonungsloser Offenheit: „Die zweite Welle hat uns überwältigt.“

Das Gesundheitssystem droht ebenfalls überwältigt zu werden: Landesweit befinden sich schon mehr Menschen mit einer Covid-Erkrankung auf Intensivstationen als am 16.März, als der erste Lockdown beschlossen wurde. Drei Viertel der Betten für künstliche Beatmung im Raum Paris sind belegt, im ganzen Land fast zwei Drittel.

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Bilder kehren zurück, die man aus dem Frühjahr kennt: Militärtransporter und Hubschrauber, die Schwerkranke aus Städten, in denen sie nicht mehr versorgt werden können, in andere fliegen. Nur gibt es diesmal weniger Ausweichmöglichkeiten, denn es gibt keine Regionen mehr, in denen das Virus nicht zirkuliert.

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Deshalb kündigte Macron an: „Wir müssen ab Freitag den Lockdown wiederbeginnen, der im Frühjahr das Virus gestoppt hat.“ Sämtliche Geschäfte mit Publikumsverkehr werden geschlossen, nicht nur Bars, Restaurants, Theater und Sportstätten. Alle Bürger dürfen ihre Wohnung nur verlassen, wenn das für die Arbeit unverzichtbar ist oder ein Arzttermin ansteht.

Anders als im Frühjahr bleiben aber die Schulen wie auch in Deutschland geöffnet, alle Unternehmen außer den genannten sollen weiterarbeiten können. Das gelte auch für den Bau und die Landwirtschaft, sagte Macron ausdrücklich. Ämter sollen anders als im Frühling weiterhin Publikum empfangen.

Besuche in Altersheimen werden möglich sein. Alle europäischen Grenzen Frankreichs bleiben geöffnet. Im Privatleben dagegen wird es wieder empfindliche Einschränkungen geben: Treffen sind nur im engsten Familienkreis erlaubt, Privatreisen nur an Allerheiligen.

Der Präsident verwies darauf, dass Frankreich eines der Länder sei, die am meisten testen. Die Nachverfolgung sei bei Infektionszahlen von täglich 40.000 oder mehr aber nicht mehr möglich. Ziel sei es, auf einen Wert von 5000 Neuinfektionen täglich herunterzukommen. „Wie alle Nachbarn sind wir überwältigt vom Virus, das plötzlich schneller zirkuliert“, sagte Macron.

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Auf den Lockdown zu verzichten sei unrealistisch, sagte der Staatspräsident, oder widerspreche den europäischen Werten: „Abzuwarten, bis die Herdenimmunität erreicht ist, würde 400.000 Tote zusätzlich bedeuten, das ist nicht mit unseren Werten zu vereinbaren.“ Lediglich die Risikopersonen wie ältere Menschen oder solche mit Vorerkrankungen zu isolieren sei „auch nicht realistisch, und es wäre unzureichend“.

Einen kleinen Hoffnungsschimmer ließ der Präsident: „Wenn es in 14 Tagen besser geht, können bestimmte Geschäfte wieder öffnen.“ Zunächst aber müsse Frankreich geeint und solidarisch bleiben in dieser schweren Phase: „Wir müssen uns zusammenschließen, wir sind Frankreich, alle zusammen werden wir es schaffen.“

Noch vor wenigen Tagen hatten sowohl Macron als auch führende Mitglieder der Regierung versichert, es werde keinen neuen Lockdown geben. Sie wiesen auf die „brutale Krise“ hin, die der Lockdown im Frühjahr ausgelöst habe. So sei die Bauindustrie um 85 Prozent eingebrochen.

„Heute haben wir exakte Vorschriften für die Arbeit unter Corona-Bedingungen, es gibt keinen Grund mehr für einen vollständigen Lockdown“, lautete noch Anfang der Woche die Ansage. Auf jeden Fall müssten Schulen und Unternehmen geöffnet bleiben und ohne Behinderung funktionieren können.

Drohender Mangel an Intensivbetten

Ausschlaggebend für Macrons Entscheidung, von seiner bisherigen Linie abzuweichen, waren offenbar neue Berechnungen des Institut Pasteur, die an diesem Mittwoch die Tageszeitung „Les Echos“ zitiert. Falls die Pandemie sich weiter so entwickelt wie in den vergangenen 14 Tagen, werden demzufolge am 6. November 98 Prozent der zur Verfügung stehenden Intensivbetten mit Covid-Patienten belegt sein.

Gesundheitsminister Olivier Véran hatte versichert, von knapp 6000 Betten könne das System innerhalb kurzer Zeit auf 12.000 hochfahren. Doch selbst das wird den Forschern zufolge keine dauerhafte Entlastung bringen. Sie rechnen damit, dass schon Mitte November 9000 Betten mit Covid-Patienten belegt sein werden, die künstlich beatmet werden müssen.

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Unternehmen und Wirtschaftsverbände sträuben sich mit dem Hinweis auf die fatalen wirtschaftlichen Folgen gegen einen neuen Lockdown. Die Kurzarbeitsregelungen, Entschädigungen und Hilfspakete der Regierung sind zwar großzügig, doch sie können auf Dauer nicht das reguläre Geschäft ersetzen. Eine Ausnahme bildet zumindest teilweise der Handel.

Die Supermarktkette Carrefour meldet an diesem Mittwoch ein Rekordergebnis für das dritte Quartal, weil sich in Brasilien, Spanien und Frankreich das Geschäft sehr kräftig erholt hatte. Generaldirektor Alexandre Bompard sprach von der „besten Leistung seit mindestens 20 Jahren“.

Unternehmen sind in „Rekordhöhe“ verschuldet

Doch wichtige Branchen wie die Luft- und Raumfahrtindustrie, aber auch Dienstleistungen wie der Tourismus, die Gastronomie und alles, was mit Kultur und Veranstaltungen sowie unternehmensnahen Dienstleistungen zusammenhängt, haben sich nach dem Einbruch im Frühjahr nicht wieder richtig erholt. Sie fürchten eine Pleitewelle nie da gewesenen Ausmaßes.

Die ständige Warnung vor „Zombie-Unternehmen“, die vom Staat über Wasser gehalten würden, hält man im Wirtschaftsministerium vor diesem Hintergrund für abstrakt richtig, aber deplatziert, weil Anfang nächsten Jahres sehr viele Unternehmen aufgeben müssten.

Die Wirtschaftsforscherin Véronique Riches-Flores weist auf die „Verschuldung der Unternehmen in Rekordhöhe“ hin. Die Hoffnung auf einen fortgesetzten Aufschwung sei nicht mehr realistisch, ein neuer Abschwung habe bereits begonnen, noch vor den verschärften Restriktionen. Die Verbraucher würden auf die verschärften Einschränkungen mit einer neuen Sparwelle reagieren, die den Konjunkturabschwung verstärken werde.

Riches-Flores erinnert daran, dass das vierte Quartal in den meisten Ländern besonders wichtig ist, weil sich hier normalerweise die Nachfrage konzentriert und viele Großaufträge abgewickelt werden. „Die gleichen Zwangsmaßnahmen stellen daher am Jahresende ein größeres wirtschaftliches Risiko dar als im Frühjahr, insbesondere für die Sektoren, die bereits durch die erste Welle der Pandemie am stärksten geschwächt wurden.“