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Ein Footballstar spaltet die USA

Die einen wünschen ihm den Tod. Die anderen sehen ihn als den neuen Helden der , vielleicht sogar den nächsten farbigen Präsidenten: Der American-Football-Star Colin Kaepernick. Der 28-Jährige ist seit wenigen Wochen Hassobjekt Nummer eins in den USA. Am 3. Oktober wird er, niederkniend und in voller Football-Montur, die Titelseite des Times Magazin schmücken.

Der Star-Spieler der San Francisco 49ers war ab Mitte August beim obligatorischen Absingen der Nationalhymne vor dem Spiel einfach sitzen geblieben. Kaepernick sagte später, er könne nicht beim Singen der Nationalhymne stehen, wenn Schwarze grundlos erschossen und diskriminiert würden. Erst wenn die US-Fahne für alle Amerikaner stünde, könne er sie stehend ehren, die Hand auf dem Herzen.

Kapernick verband auf diese Weise die Rassismus-Debatte mit Patriotismus – und traf damit eine tief gespaltene Gesellschaft an einer ihrer empfindlichsten Stellen.

Zunächst schien Kaepernicks stiller Protest nur ein „flash in the pan” zu sein. So nennt man in den USA unwichtigen Firlefanz, der hochgejubelt wird, aber am nächsten Tag schon vergessen ist – zum Beispiel, wenn das US-Promisternchen Kim Kardashian twittert oder ein mehr oder weniger geschmackvolles Foto veröffentlicht.

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Doch Kaepernick fand bald Nachahmer. Zunächst kniete ein Teammitglied aus Sympathie mit ihm auf dem Spielfeld. Später schlossen sich immer mehr Sportler aus anderen Teams diesem Protest an – statt sitzend wurde jetzt kniend gelauscht, die Lippen geschlossen. Eine High-School-Band im kalifornischen Oakland, Kaepernicks Geburtsort, spielte die Hymne kniend, andere folgten.

Es entstand eine landesweite Bewegung, die fast täglich zur besten Sendezeit auf Millionen TV-Schirmen auf den Rassismus in den USA aufmerksam macht. Und dies in Form eines stillen Protests – und nicht über hässliche Bilder gewalttätiger Krawalle und brennender Vorstädte nach der Tötung unbewaffneter Afroamerikaner. Schon früher, bei Olympischen Spielen, hatten farbige Athleten auf dem Treppchen mal zur Hymne die Faust der Black Panther geballt, und die Welt hatte sich trotzdem weitergedreht.

Doch dieses Mal ist die Empörung groß und andauernd. So mancher Football-Fan ist schockiert von Kaepernicks Verhalten. Indem er sitzenblieb, habe er öffentlich die Nationalhymne missachtet – und damit auch die Fahne und die Nation. Das ist die Meinung der – überwiegend weißen – überpatriotischen Fans der amerikanischsten aller amerikanischen Sportarten.

Dabei blicken viele Football-Fans ohnehin auf den Rängen gelangweilt auf ihr Smartphone, kippen vor dem Fernseher auf dem Sofa rülpsend noch ein Bier nach oder plaudern, wenn im Stadion die Hymne gesungen wird.

Aber so etwas? Pathetische Fans kauften sich ein 100 Dollar teures Kaepernick-T-Shirt, um es auf Youtube demonstrativ vor dem Hintergrund einer US-Fahne zu verbrennen. Andere zweifelten Kaepernicks Patriotismus an und erklärten, mit seiner Aktion beleidigte er alle US-Veteranen.

Der mächtige Football-Verband NFL stellte sich allerdings vorbehaltlos hinter seine Spieler und ihr Recht, Missstände ansprechen zu dürfen. Und selbst viele der angeblich beleidigten Kriegsveteranen meldeten sich zu Wort: Sie seien genau für dieses Recht des stillen, freien Protests in den Krieg gezogen und nicht für das Recht einiger, anderen befehlen zu dürfen, ob sie stehen oder sitzen müssen.


Was droht beim Super Bowl?

Um die vernichtende Wucht von Kaepernicks kleinen Geste zu verstehen, muss man sich eine Gesellschaft vergegenwärtigen, die längst nur noch von Flagge und Hymne zusammengehalten wird. Wird sie gespielt, verschwinden für einen Augenblick alle Rassen- und Klassenunterschiede. Vergessen sind alle Spannungen, wie groß sie auch seien.

Der arbeitslose Schwarze aus dem Ghetto und der Hedgefonds-Manager aus Manhattan stehen, zumindest im Geiste, unter der Flagge Hand in Hand vereint, um im Ernstfall gemeinsam und unterschiedslos in den Krieg ziehen. In den Hollywood-Filmen ist das der Moment, wenn die Streicher einsetzen. Dieser Glaube ist das Schmiermittel, mit dem alles in Bewegung gehalten wird.

Colin Kaepernick hätte in den Augen der konservativ-rechten Patrioten dieses letzte Tabu nicht brechen dürfen. Mike Ditka, ehemaliger Football-Trainer und Donald-Trump-Unterstützer, erklärte schlicht, wer die Flagge der nicht ehre, solle „machen, dass er rauskommt“. Das bedeutet soviel wie bei uns früher: „Dann mach doch rüber.“ Die Fronten in der Rassismus-Debatte verhärten sich zusehends, die Positionen werden extremer.

Den Vogel schoss ein in Alabama – dem Bundesstaat mit der schlimmsten Sklavengeschichte – ab. Wer die Hymne nicht stehend mitsingen wolle, könne schon mal hinten an der Wand Aufstellung nehmen, sagte der Pastor vor einem Football-Spiel einer lokalen Highschool, deren Stadionsprecher er ist. Die Soldaten, die sonst die Schüsse für sie auffängen, könnten dann ein paar Schüsse auf sie abfeuern. Die Zuschauer johlten.

Zunächst stimmte ihm auch seine Gemeinde zu. Erst als die christlich-patriotisch verbrämten Gewaltphantasien dank Twitter die Grenzen der trostlosen Kleinstadt McKenzie verließen und ein Sturm des Entsetzens über die Kirche hereinbrach, wurden alle Tweets schnell gelöscht. Pastor Allen Joiner verkündet jetzt, er sei „völlig missverstanden“ worden. Die Schulbehörde distanzierte sich von ihm.

Auch das ist Amerika: Ein schwarzer Sportler protestiert gegen fundamentale Missstände im Land – und wird im Internet gemobbt, bekommt sogar Todesdrohungen. Gleichzeitig hat ein weißer Milliardär gute Chancen, nächster US-Präsident zu werden; ein Mann, der sogar erklärt, dass das Land restlos am Ende, verschuldet, der Gewalt verfallen und fundamental ungerecht sei.

Die Hautfarbe macht bisweilen vor US-Gerichten einen großen Unterschied. Als ein weißer, wohlhabender Elite-Student eine bewusstlose Frau hinter einem Müllcontainer vergewaltigte, bekam er eine sechsmonatige Haftstrafe. Sein Vater schrieb sogar noch dem Gericht, das sei ein „heftiger Preis für 20 Minuten Action“ und man dürfe seinem Sohn deswegen doch nicht das Leben zerstören. Das Urteil löste einen landesweiten Aufschrei aus, aber das war es auch.

Als Cory Batey, schwarzer Ex-Footballer der Vanderbuilt-Universität, sich an einer bewusstlosen Frau verging, bekam er eine 15-jährige Haftstrafe. Colin Kaepernick will nicht sechs Monate für alle, sondern 15 Jahre.

Wie weit wird die von Kaepernick ausgelöste Protestwelle noch gehen? Wenn Roger Goodell, mächtiger Chef des Football-Verbands NFL, von Albträumen geplagt wird, dann dürften sie so aussehen: Ein Präsident Donald Trump regiert dann die USA. Wenn dann im Februar im texanischen Houston vor dem Football-Spiel die Hymne erklingt, knien ein Dutzend Spieler auf dem Rasen, und die Sängerin streckt die rechte Faust in die Luft. Derweil dröhnen im Himmel F16-Kampfflugzeuge der Luftwaffe. Zehntausende Fans verfolgen im Stadion das Geschehen – und über den Fernseher 120 Millionen Amerikaner. Und wenn die Albträume ganz schlimm sind, dann spielen auch noch Kaepernicks 49er im dann wohl politischsten Super Bowl der Geschichte. Aber wenn die so weiterspielen wie bisher, wird ihm das zumindest erspart bleiben.

KONTEXT

USA: Wichtige Daten

Bevölkerung

Die 324,33 Millionen starke Bevölkerung der Vereinigten Staaten besteht aus einem bunten Mix verschiedenster Kulturen. So sind rund 72,4 Prozent der Gesamtbevölkerung weiß mit einer größtenteils europäischen Abstammung. Rund 13,3 Prozent sind Afroamerikaner und etwa 5,6 Prozent Asiaten.

Unabhängig davon sind 17,61 Prozent der Bevölkerung Lateinamerikaner, 82,39 Prozent Nicht-Hispanics.

Arbeitslosenquote

Die Arbeitslosenquote beträgt in den USA 4,85 Prozent (Juni 2016). Bei 324,33 Millionen Einwohnern sind das immerhin 15,73 Millionen Menschen ohne Job.

BIP

Das Bruttoinlandsprodukt der USA ist seit 2006 stetig gewachsen. So ist es in der Zeit von 13.855 Milliarden auf 17.947 Milliarden US-Dollar (2015) gestiegen. Für 2016 liegen die Prognosen bei 18.558 Milliarden US-Dollar.

Fläche

Die Vereinigten Staaten belegen mit ihrer Fläche von 9.984.670 Quadratkilometern Platz drei der größten Länder weltweit. Einzig China und Russland liegen flächenmäßig noch vor dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Zum Vergleich: Das kleine Deutschland liegt mit seinen 357.168 Quadratkilometern weit hinter den Spitzenreitern.

Sprache

Der Großteil der amerikanischen Bevölkerung spricht zwar Englisch, allerdings ist das nicht die Amtssprache. Das liegt daran, dass die Vereinigten Staaten keine festgelegte Amtssprache haben. So wird zum Beispiel in den an Mexiko angrenzenden Staaten oftmals Spanisch ebenso häufig verwendet wie Englisch. Auch Chinesisch, Deutsch oder Französisch und viele weitere Sprachen sind im Land vertreten.