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Der Fluch der Fläche – Einkaufsfläche wird für Händler zunehmend zum Problem

So konsequent wie L & T in Osnabrück verfolgt wahrscheinlich kein anderer Modehändler in Deutschland das Ziel, die Konsumenten zu unterhalten. Das Familienunternehmen hat vor genau einem Jahr eine stehende Welle für Surfer in sein Innenstadt-Haus gebaut, eine spektakuläre Investition, die in ganz Deutschland für Aufsehen sorgte.

Rund 35 Millionen Euro hat L & T in die Hand genommen, um das Modehaus zu modernisieren, knapp die Hälfte vom Jahresumsatz. „Wir wollen der Treffpunkt schlechthin in Osnabrück sein“, betont Geschäftsführer Thomas Ganter.

Auf der Tribüne neben der Welle säßen samstags bis zu 100 Zuschauer. Zudem sei L & T inzwischen der größte Gastronom der Stadt, mit vier eigenen Betrieben im Haus, einer komplett vermieteten Markthalle im Erdgeschoss und mehreren an andere Betreiber vergebenen Flächen in der City.

Auch der Modehändler Hagemeyer aus Minden hat sein 20.000-Quadratmeter-Haus komplett umgebaut. Ein Viertel des 140 Jahre alten Traditionshauses im Zentrum der ostwestfälischen Stadt ist untervermietet. Da gibt’s die Brot-Kette „Pano“ und einen Kiosk, Feinkost und eine Buchhandlung, Parfümerien, einen Juwelier und andere Shops.

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Vor allem aber hat Geschäftsführer Matthias Linn die Gastronomie ausgebaut. Im Schnitt kämen jetzt jeden Tag 350 Leute alleine zum Frühstück, erläutert er. Die würden zwar nicht automatisch alle auch einkaufen. Aber das Angebot lohne sich trotzdem: „So schaffen wir es, dass der Kontakt nicht verloren geht und die Konsumenten immer wieder kommen.“ Mehr noch: Linn hat zuletzt immer häufiger Verkaufsfläche in den für die Jugend attraktiven Bereichen freigeräumt. Das zahle sich aus: „Da sitzen die jungen Leute und treffen sich.“

Der Einzelhandel klagt über verödete Innenstädte, Kaufhof und Karstadt greifen zur Notfusion, Textilketten wie Gerry Weber gehen in die Insolvenz – doch das Ladensterben ist offenbar kein Naturgesetz. Immer wieder zeigen kreative Mittelständler den Großkonzernen, wie man noch Kunden in die Geschäfte locken kann.

Dabei ist die Situation in der Tat mehr als schwierig. „Die Frequenzen gehen permanent runter“, warnt Daniel Ohr, Handelsexperte der Unternehmensberatung Keylens. Die Konsumenten würden immer mehr online ordern. In der Tat wächst der E-Commerce in Deutschland seit Jahren zweistellig und lag vergangenes Jahr schon bei einem Umsatz von rund 63 Milliarden Euro. Damit erzielt der Einzelhandel bereits mehr als zehn Prozent seiner Erlöse im Netz.

Zugleich aber ist die Verkaufsfläche im Einzelhandel in den vergangenen zehn Jahren sogar noch um fünf Millionen auf 124 Millionen Quadratmeter gestiegen. Das drückt bedrohlich auf die Flächenproduktivität. So ist nach Berechnungen der Branchenberatung Hachmeister + Partner selbst bei den besten Großflächenhäusern der Umsatz pro Fläche gesunken. Lag er beispielsweise bei Damenmode 2012 noch bei 6450 Euro pro Quadratmeter, betrug er fünf Jahre später nur noch 6070 Euro.

Ein noch viel drastischeres Bild dürfte sich im Elektronikhandel ergeben, wo der Onlineanteil am Umsatz schon fast 30 Prozent beträgt. Der Marktführer Ceconomy mit den Ketten Media Markt und Saturn kämpft verzweifelt dagegen - mit zahlreichen Innovationen in Pilotfilialen, wie Robotern, die Kunden betreuen. Doch angesichts der riesigen Verkaufsfläche – fast 2,8 Millionen Quadratmeter in über 1000 Filialen – ist das nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

Häufig bleiben Flächen einfach leer

Bei Warenhäusern verschärft sich das Problem noch, weil sie nicht nur zu viel Fläche haben, sondern diese auch auf mehreren Etagen. Die Kundenfrequenz aber nehme von Etage zu Etage dramatisch ab und damit auch der Umsatz, erklärt Immobilienexperte Frank Emmerich.

So liege der Umsatz in der ersten Etage im Schnitt nur noch bei der Hälfte dessen, was im Erdgeschoss zu erzielen sei, rechnet der Head of Retail des Immobilienunternehmens CBRE vor. Und mit jeder weiteren Etage halbiere er sich erneut.

Selbst Filialschließungen sind nicht immer eine Alternative, denn häufig gehören die Immobilien den Händlern – oder sie sind in lang laufenden Mietverträgen gefangen. In ihrer Not geben sie dann ganze Etagen zu lächerlichen Mieten an Fitnessstudios ab oder lassen sie einfach leer stehen.

Beispiel P & C: Der Modehändler wird in diesem Jahr zwei Filialen schließen, eine in Gießen und eine in Berlin. Außerdem sollen in den meisten Filialen die Abteilungen für Kinderkleidung geschlossen werden. Geprüft wird, in großen Häusern die Fläche zu verkleinern oder Teile an Untermieter abzugeben.

Doch häufig beschleunigt das nur den Niedergang. „Die reine Verkleinerung der Fläche ist zu kurz gesprungen, phantasielos und allenfalls ein Notprogramm“, kritisiert Michael Hauf, geschäftsführender Gesellschafter von Hachmeister + Partner. Es würden zwar Kosten reduziert, aber meistens verliere auch die Attraktivität weiter. „Denn es kommt ja nichts Neues hinzu“, sagt der Handelsexperte.

Der Outdoorhändler Globetrotter beispielsweise ist gerade dadurch bekannt geworden, dass er nicht nur die Waren in die Regale gelegt, sondern mit viel Aufwand ein Shoppingerlebnis erzeugt hat. So haben die Kunden die Möglichkeit, in Kälte- und Regenkammern und an Kletterwänden die Ausrüstung auszuprobieren oder mit Kanus über einen kleinen Teich im Kaufhaus zu rudern.

Nun kämpft aber auch Globetrotter damit, dass in den riesigen Filialen jedes Jahr weniger Kunden vorbeischauen. Die Mieten in den Innenstädten aber sind nach wie vor hoch. Weil er trotzdem weiter expandieren will, eröffnet der Händler nun kleinere Geschäfte. In Hamburg und Düsseldorf entstanden bereits zwei Shops mit nur rund 1000 Quadratmetern.

„Wir probieren das jetzt aus und werden sehen, ob es funktioniert“, sagt Martin Nordin, Chef des Globetrotter-Eigentümers Fenix. Fünf dieser Mini-Filialen sollen in diesem Jahr noch folgen, in Hannover, Leipzig, Karlsruhe, Nürnberg und Regensburg. Mit dem neuen Format will der Skandinavier verstärkt auch den stationären Handel mit dem Internetgeschäft verbinden.

Ob der Weg, Technologie und Onlineanbindung in die Läden zu bringen, die Lösung ist, ist jedoch umstritten. „Die Händler müssen Gründe schaffen, damit die Leute wieder in die Läden kommen“, betont Berater Ohr. Technische Lösungen seien meist unbrauchbar, sagt er: „Sprechende Spiegel sind nicht die Antwort.“

Der ehemalige Marketing-Chef von Breuninger rät seinen Kunden, nur noch auf 70 Prozent der bestehenden Fläche das derzeitige Sortiment anzubieten. Auf dem Rest sollte Neues entstehen: Services, Unterhaltung, Erlebniselemente, etwas, das die Menschen überrascht und begeistert.

Mittelständler optimieren ihre Läden

L & T-Geschäftsführer Ganter beispielsweise bietet den Kunden jeden Tag ein anderes Event. Mal dürfen sie zur Generalprobe ins lokale Theater, mal lädt Lieferant Adidas zur morgendlichen Jogging-Runde. „Bei uns ist was geboten“, schwärmt Ganter.

Neben der stehenden Welle hat er noch ein modernes Fitness-Studio mit Höhentraining eingebaut – aber eben eins, das ins Geschäft eingebunden ist. Das richtet sich insbesondere an Frauen, die drei Viertel aller Kundenkarten besitzen.

Das Ziel: Wer bei L & T trainiert, der kauft auch seine Shirts und Shorts dort ein. Umgekehrt darf aufs Laufband, wer in der Sportabteilung neue Jogging-Schuhe aussucht. „Das Studio gibt unserem Sporthaus Kompetenz“, erläutert Ganter.

Während die großen Handelskonzerne alle im Onlinehandel den Heilsbringer sehen, konzentrieren sich die erfolgreichen Mittelständler darauf, den Kauf im Laden zu optimieren. Um sich nicht zu verzetteln, verzichtet Hagemeyer in Minden deshalb sogar ganz auf einen eigenen Online-Store.

„Wir müssen trotzdem unheimlich viel investieren ins Digitale“, sagt Geschäftsführer Linn. Aber eben sehr gezielt: So hätten die Kunden überall im Haus die Chance, nicht vorrätige Ware per Tablet zu bestellen – oder ihren Besuch im Haus auf Terminals zu kommentieren. Auch die Verwaltung der Kundenkarten sei ein gewaltiger Aufwand – der sich aber in zusätzlichem Umsatz auszahle.

Stephan Schusser, Partner der Unternehmensberatung Keylens, rät Händlern, sogar noch radikaler zu denken – und eventuell komplett umzusteuern. Schusser fragt seine Kunden: „Wie würde ein Start-up heute physischen Handel neu erfinden, wenn es die bestehenden Flächen bekommen würde?“

Hagemeyer-Geschäftsführer Linn ist dazu bereit, falls es denn nötig ist – und würde sich notfalls auch vom Kerngeschäft mit Textilien verabschieden: „Ich weiß nicht, ob wir in zehn Jahren noch Mode verkaufen“, sagt er. Einen Sportshop hat er bereits im Untergeschoss eingerichtet, und auch einen eigenen Schuhladen.