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Aus für Werkverträge: Tönnies gründet 15 Tochterfirmen für die Produktion

Der Fleischkonzern will Mitarbeiter über Tochtergesellschaften direkt anstellen. Kritiker fürchten, die neue Konstruktion soll das alte System aufrechterhalten.

Allein im Stammwerk ist bisher die Hälfte der 7000 Beschäftigten über 25 Subunternehmen angestellt. Foto: dpa
Allein im Stammwerk ist bisher die Hälfte der 7000 Beschäftigten über 25 Subunternehmen angestellt. Foto: dpa

Es ist ein plötzlicher Sinneswandel, den Clemens Tönnies durchlebt hat. Lange hatte sich der Chef von Deutschlands wichtigstem Schlachtbetrieb gegen das geplante Verbot von Werkverträgen in der Fleischindustrie gewehrt. Nun will er mit dem „Sofortprogramm Werkverträge“ den Wandel in der Branche anführen. Ein Blick ins Handelsregister zeigt: Die Vorbereitungen laufen schon.

Tönnies kündigte an, bis Ende des Jahres alle Arbeiter in der Schlachtung, Zerlegung und Verpackung mit einem direkten Arbeitsvertrag anzustellen, also nicht mehr über Subunternehmen. Der Schlachtkonzern hat diese Woche eine ganze Reihe von Tochterfirmen beim Amtsgericht Gütersloh eintragen lassen, die dabei helfen sollen.

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Sie heißen „Tönnies Production“ und sind mit den römischen Ziffern von eins bis 15 durchnummeriert. Als Gegenstand der Gesellschaften wird die Herstellung und der Vertrieb von Fleischwaren aller Art angegeben – einschließlich der Schlachtung, Zerlegung und Kommissionierung sowie die „Be- und Verarbeitung zu handelsfähigen Endprodukten“.

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Bislang waren die Arbeiter in diesen Bereichen vor allem über Werkverträge angestellt. Bei einem Werkvertrag trifft etwa ein Schlachthofbetreiber mit einem Subunternehmer eine Vereinbarung über die Schlachtung einer bestimmten Anzahl Tiere für ein bestimmtes Entgelt. Wie und mit wie vielen Arbeiter er dies umsetzt, bleibt dem Subunternehmer überlassen.

Allein im Tönnies-Stammwerk ist die Hälfte der 7000 Beschäftigten über 25 solcher Dienstleister angestellt. Kritiker bemängeln schon lange deren Arbeits- und Lebensbedingungen. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) kündigte am Freitag noch für diesen Monat einen Gesetzentwurf an, der dem System zumindest in der Fleischbranche ein Ende setzen soll.

„Wir haben die Töchter gegründet, um die Mitarbeiter bei 100-prozentigen Tochterunternehmen einzustellen”, teilte ein Tönnies-Sprecher auf Anfrage mit. Da die Gruppe aus verschiedenen Gesellschaften mit unterschiedlichen Geschäftsbereichen bestehe, seien mehrere Neugründungen nötig.

Neues Konstrukt, altes System?

Wie viele der bisherigen Werkvertragsarbeitnehmer unbefristet oder befristet angestellt werden, könne Tönnies noch nicht sagen. Die Gewerkschaft NGG fürchtet, dass das Unternehmen das bisherige System nach dem Verbot unter einem anderen Namen weiterführt.

„Es ist ein seltsamer Zufall, dass gerade jetzt die Tochtergesellschaften aus dem Boden sprießen“, sagt NGG-Sprecher Jonas Bohl. Das nähre den Verdacht, dass über neue Konstruktionen die künftig verbotenen Werkverträge weiterhin genutzt werden sollen – nur eben im eigenen Haus.

Auch die Politik reagiert skeptisch auf die neuen Tönnies-Tochterunternehmen: „Wir sind es gewohnt, dass die deutsche Fleischindustrie, sobald eine Gesetzesverschärfung ansteht, anfängt, Schlupflöcher zu suchen“, sagte SPD-Fraktionsvize Katja Mast dem Handelsblatt.

„Klare Ansage: Wir werden dies nicht zulassen“

Das bisher praktizierte Geschäftsmodell müsse enden. „Klare Ansage: Wir werden dies nicht zulassen“, so die SPD-Politikerin, die auch eine Taskforce der SPD-Bundestagsfraktion zu den „Sozialen Folgen der Corona-Pandemie“ leitet und das Gesetzgebungsverfahren zu dem geplanten Verbot begleitet. Werkverträge und Leiharbeit, so Mast, sollen im Kernbereich der Fleischindustrie der Vergangenheit angehören.

Als Geschäftsführer der neuen Tochterfirmen sind der Personaler Sven Geier und Tönnies-Justiziar Martin Bocklage eingetragen. Bocklage ist in der Branche bekannt: Er war schon für Westfleisch, Vion und Lutz Fleischwaren tätig, bis das Unternehmen von Tönnies und Vion übernommen wurde.

Der Chef-Justiziar führt auch die Geschäfte der FSD Technical Services GmbH, die seit 2019 ebenfalls zur Tönnies-Gruppe gehört. FSD beschäftigt Elektriker und Mechaniker, die vor allem an den Tönnies-Standorten arbeiten. Branchenkenner sahen in der Übernahme einen ersten Hinweis darauf, dass Tönnies auf unternehmensinterne Dienstleister umstellt.

Ermittlungen gegen Geschäftsführung

Die Staatsanwaltschaft ermittelt derweil nach zahlreichen Anzeigen gegen die Tönnies-Geschäftsführung. Grund dafür sei aber kein neuer Ermittlungsstand, sondern das übliche Fortschreiben eines solchen Verfahrens, sagte ein Sprecher der Bielefelder Staatsanwaltschaft am Freitag. Die Behörde hatte in den vergangenen Wochen zunächst gegen Unbekannt wegen des Anfangsverdachts auf fahrlässige Körperverletzung und Verstoßes gegen das Infektionsschutzgesetz ermittelt.

Deutschlands größtes Fleischwerk: Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Tönnies-Geschäftsführung

Bei der Staatsanwaltschaft sind seit dem Corona-Ausbruch in Rheda-Wiedenbrück Mitte Juni nach Angaben der Behörde rund 50 Strafanzeigen eingegangen. Darunter ist auch eine Anzeige der Bielefelder Bundestagsabgeordneten Britta Haßelmann (Grüne). Der Ermittlungskommission der Polizei gehörten derzeit fünf Beamte an, sagte ein Sprecher der Bielefelder Polizei. Sie trägt den Einsatznahmen EK „Carne“.

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