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EZB-Anleihekäufe: Geheimpapier auf Umwegen

Berlin liegt nun eine Begründung der EZB zur Verhältnismäßigkeit ihrer Aufkäufe vor. Die Diskussion um die Geldpolitik ist damit aber noch nicht aus der Welt.

Im Stillen arbeiteten Notenbankchefin Christine Lagarde, Bundesfinanzminister Olaf Scholz und Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble in den vergangenen Wochen an einer Lösung für ihr delikates Problem – und fanden am Ende einen pragmatischen Ansatz.

Die Europäische Zentralbank (EZB) schickt ihre Papiere zur Begründung ihrer Anleihekäufe an die Bundesbank, die die Papiere an die Bundesregierung weiterleitet, von wo aus sie dann an den Bundestag gehen.

Das umständliche Vorgehen war wegen des Urteils des Bundesverfassungsgerichts im Mai nötig geworden. Karlsruhe hatte das Anleiheaufkaufprogramm PSPP, das die EZB Ende 2015 aufgelegt hatte, Anfang Mai als teilweise verfassungswidrig eingestuft.

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Die Richter forderten die EZB auf, der Bundesregierung und dem Bundestag darzulegen, dass ihre Käufe „verhältnismäßig“ sind. Was heikel ist, weil die EZB eigentlich politisch unabhängig ist. Deshalb gelangen die Informationen auch nur mit einiger Geheimniskrämerei von Notenbank zu Politik.

Vergangene Woche setzte sich die ausgeklügelte Informationskette dann in Gang. Die EZB gab grünes Licht für die Weitergabe der Protokolle ihrer Juni-Sitzung, in der sich die Notenbank ausgiebig mit der Frage der Verhältnismäßigkeit ihrer Aufkäufe beschäftigte, die Protokolle liegen inzwischen dem Bundesfinanzministerium vor. Minister Olaf Scholz ließ seine Beamten über das Wochenende umgehend eine Bewertung erstellen. Danach wird auch der Bundestag seine Stellungnahme abgeben.

Karlsruhe hatte dafür eine Frist bis zum 4. August gesetzt. Andernfalls wäre die deutsche Bundesbank, die an dem EZB-Programmen beteiligt ist, gezwungen, aus den Aufkäufen auszusteigen – mit möglicherweise schwerwiegenden Folgen für Finanzmärkte und EU-Rechtsrahmen.

Dass Bundesregierung und Bundestag in ihren Stellungnahmen die Verhältnismäßigkeit der EZB-Aufkäufe als erfüllt ansehen werden, ist sicher. Dennoch stehen sie vor keiner leichten Aufgabe. Sie müssen in ihren Bewertungen sowohl die Unabhängigkeit der EZB als auch die Anforderungen des Verfassungsgerichts berücksichtigen.

Ein weiteres Problem: Die EZB deklariert nach Handelsblatt-Informationen einen Teil der Protokolle als „geheim“ – die Dokumente liegen in den Geheimschutzstellen. Eine Debatte innerhalb des Bundestags sei so kaum möglich, monieren Parlamentarier.

Der Bundestag dürfte sich in seiner Stellungnahme formal der positiven Bewertung der Bundesregierung anschließen. Union und SPD versuchen dabei, auch die Opposition mit ins Boot zu holen. Zumindest Grüne und FDP sollen hinter dem Antrag der Regierungsfraktionen stehen.

Die Opposition will dann aber auch etwas Einfluss nehmen. Grünen-Europapolitikerin Franziska Brantner fordert: „Der Bundestag sollte in seiner Einschätzung die Bedeutung der Unabhängigkeit der EZB herausstellen. Auch sollte klar die Bedeutung des Europäischen Gerichtshof für den europäischen Rechtsrahmen zum Ausdruck kommen.“

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte anders als das Bundesverfassungsgericht den Anleihekäufen grünes Licht erteilt. Das Urteil aus Karlsruhe hatte auch deshalb für so viel Aufsehen und Kritik gesorgt, weil das deutsche Verfassungsgericht damit erstmals dem EuGH widersprochen hatte.

Zudem hätte der Bundestag in den vergangenen Jahren auch außerhalb des Plenums mit der EZB über ihre Geldpolitik gesprochen, so Brantner. „Es wäre sinnvoll, dies auch schriftlich zu erläutern, damit klar ersichtlich wird, dass es einen regelmäßigen Austausch über die Ankaufprogramme der EZB gab.“

Wie viele Treffen, Fragerunden und Ähnliches es gab, zeigt ein Papier des Bundestagsreferats „EU-Grundsatzangelegenheiten, Fragen der Wirtschafts- und Währungsunion“, das dem Handelsblatt vorliegt. Darin werden alle „parlamentarischen Aktivitäten des Deutschen Bundestags zur Beobachtung der EZB-Geldpolitik“ seit 2016 aufgezählt. Das Papier fällt recht lang aus.

„Ich wäre auch dafür, einen monetären Dialog zwischen Bundestag und Bundesbank zu etablieren“, sagt Brantner. Der Bundestag solle mit Bezug auf die Bundesbank die gleichen Rechte bekommen, die das EU-Parlament heute gegenüber der EZB hat. Allerdings dürfte Brantner dafür kaum eine Mehrheit finden.

Während die Grünen die Aufkäufe der EZB für richtig halten, hat die FDP große Zweifel. Deren Finanzexperte Florian Toncar signalisiert zwar Zustimmung zu einem gemeinsamen Papier. „Fürs Erste geht es jetzt darum, das Urteil umzusetzen. Wenn die EZB dem Bundestag für ihr Anleihekaufprogramm eine fundierte Verhältnismäßigkeitsprüfung übermittelt, ist das Thema von der rechtlichen Seite her geklärt.“

Bauchschmerzen angesichts der jahrelangen großvolumigen Anleihekäufe der EZB blieben aber, so Toncar. Die Frage, wie ein Übergreifen der Geldpolitik in die allgemeine Wirtschaftspolitik oder gar die Staatsfinanzierung vermieden werden kann, müsse jetzt auf politischer Ebene besprochen werden, fordert der FDP-Politiker.

„Die Unabhängigkeit der Geldpolitik ist wichtig, aber sie umfasst nicht das Recht der EZB, frei von jeder Kontrolle selbst festzulegen, welche Maßnahmen noch als Geldpolitik einzustufen sind. Das Mandat der EZB muss dringend nachgeschärft werden.“

Während die europäische Notenbank dies strikt ablehnen dürfte, stünde das Verfassungsgericht dem wohl wohlwollend gegenüber. Auch wenn nächste Woche das Problem abgeräumt sein dürfte, wie Bundesregierung und Bundestag auf die Forderung Karlsruhes nach Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Anleihekäufe angemessen reagiert – die Diskussionen um die Kontrolle und die Rechtmäßigkeit der EZB-Aufkäufe werden weitergehen.

Mehr: Der Bundesbank-Präsident soll nun alle drei Monate die EZB-Geldpolitik vor dem Finanzausschuss erläutern. Er gehört selbst zu den Kritikern einiger Beschlüsse.