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Warum Europa bei Trumps Modell des Helikoptergelds skeptisch ist

Die US-Konsumschecks erhalten ökonomisch ungewöhnlich viel Lob. Auch europäische Ökonomen denken an Helikoptergeld – aber nicht in Trumps Variante.

Europäische Ökonomen plädieren für nicht rückzahlbaren Transfers der Zentralbank, um Einkommensausfälle zu kompensieren. Foto: dpa
Europäische Ökonomen plädieren für nicht rückzahlbaren Transfers der Zentralbank, um Einkommensausfälle zu kompensieren. Foto: dpa

US-Präsident Donald Trump hat als Reaktion auf die Coronakrise versprochen, allen Bürgern einen Konsumscheck zu schicken. Im Gespräch sind 1000 Dollar. Das Geld kommt nicht direkt von der Zentralbank Federal Reserve (Fed), sondern von der Regierung.

In diesem Fall würde es direkt die Definition von Helikoptergeld erfüllen, neu geschaffenes Geld, das an alle Bürger verteilt wird. Aber in Zusammenhang mit den bereits massiv ausgeweiteten Käufen von Staatsanleihen durch die Fed ist klar: indirekt finanziert die Notenbank die Zahlungen an die Bürger.

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Jedenfalls dann, wenn diese durch zusätzliche Ausgabe von Staatsanleihen finanziert werden. Denn dann zahlt der Staat Zins und Schuldendienst für die Anleihen an die Zentralbank und damit letztlich an sich selbst.

Die Maßnahme fand eine ungewöhnliche Bandbreite an Fürsprechern. Sie reichte von der jüngst aus dem Präsidentschaftsrennen ausgestiegenen linken Demokratin Tulsi Gabbard, über den den Demokraten nahestehenden Star-Ökonomen Nouriel Roubini bis zum konservativen Greg Mankiw. Der führende Lehrbuchautor ist so etwas wie das Sinnbild des ökonomischen Mainstream.

Doch die Maßnahme erntet auch Kritik und findet in dieser Form kaum Befürworter unter europäischen Ökonomen. Eine Ausnahme ist der ehemalige griechische Finanzminister Yanis Varoufakis, der auf Twitter schrieb: „Jedem Bürger des Euroraums 200 Euro zu geben, würde 750 Milliarden Euro kosten. Das würde die Nachfrage viel effektiver anregen, als Liquiditätsspritzen der Europäischen Zentralbank für Banken und Zombie-Unternehmen.“

Für die einen zu wenig, für die anderen unnötig

Emmanuel Saez und Gabriel Zucman, die mit Forschungen zur Ungleichheit berühmt geworden sind, kritisieren dagegen: „1000 Dollar sind zu wenig für diejenigen, die ihren Job verloren haben und werden von denen, die ihn nicht verloren haben, nicht gebraucht.“ Sie fordern, dass der Staat die Einkommensausfälle von Unternehmen und Selbständigen ausgleicht, und das vom Verzicht auf Kündigungen abhängig macht.

Bei einem Einbruch der Wirtschaftsleistung von 40 Prozent für drei Monate, überschlagen sie, würde das den Staat zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts kosten. Die Bankenrettung bei der letzten Finanzkrise kostete zunächst mehr.

Auch die ehemalige Bankanalystin und Kolumnistin Frances Coppola, die vergangenes Jahr im Buch „People‘s Quantitative Easing“ für den Einsatz von Helikoptergeld warb, widerspricht entschieden. „Dies ist nicht die Zeit für Helikoptergeld“, schreibt sie. Es gehe jetzt nicht darum, die Nachfrage zu stimulieren. Ganz im Gegenteil, sondern darum, Bürgern und Unternehmen das wirtschaftliche Überleben zu ermöglichen.

„Diejenigen, die durch die Krise ihr Einkommen verloren haben, brauchen einen ausreichenden Einkommensersatz“, schrieb sie auf der Website „OpenDemocracy“. Und diejenigen, die das Geld nicht bräuchten, würden ihr Helikoptergeld sparen, oder für Aktivitäten nutzen, die man nicht ermutigen will.

Das europäische Helikoptergeld

Doch auch europäische Ökonomen fordern einen Tabubruch, um Maßnahmen gegen die Wirtschaftskrise zu finanzieren, die nach vorherrschender Einschätzung wohl schlimmer wird als in der letzten Finanzkrise. Manche, wie etwa der renommierte spanische Ökonom und Zentralbankberater Jordi Gali nennen ihren Vorschlag in sehr weiter Definition auch Helikoptergeld. „Die Zeit für Helikoptergeld ist da – für direkte, nicht rückzahlbare Finanzierung der notwendigen Fiskaltransfers durch die Zentralbank“, schreibt er auf der Debattenwebsite „VoxEU.org“.

Dadurch solle es allen Ländern des Euroraums ermöglicht werden, Unternehmen und Bürgern mit nicht rückzahlbaren Transfers ihre Einkommensausfälle teilweise auszugleichen, anstatt nur durch Kredite. Sich auf Kredite zu beschränken würde nur zu lange anhaltender Überschuldung und später zu einer Welle von Konkursen führen.

Damit die Regierungen nicht durch eine stark ansteigende Verschuldung an Kreditwürdigkeit einbüßen, mit Schuldenregeln in Konflikt kommen, oder sich an den Anleihemärkten nur noch gegen hohe Zinsen verschulden können, fordert Gali, dass die EZB die Anleihen nicht einfach nur in großem Umfang kauft, wie sie es am Donnerstag angekündigt hat.

Statt den Regierungen indirekt Kredit zu geben, soll sie ihnen das Geld schenken. Das würde die Form annehmen, dass sie der Regierung auf ihrem Zentralbankkonto den entsprechenden Betrag gutschreibt.

Buchungstechnisch würde das entweder durch eine Reduktion des Eigenkapitals der Zentralbank, oder durch einen freihändig geschaffenen Gegenposten auf der Aktivseite der Bilanz abgebildet. Solche Posten gibt es in Gegenrichtung bereits. Damit wurden etwa Zuteilungen von Sonderziehungsrechten durch den Internationalen Währungsfonds neutralisiert, damit sie nicht zu Gewinnausschüttungen an die Regierungen führten. Sonderziehungsrechte sind eine Art Geld für den Zahlungsausgleich unter Regierungen.

Eine Gruppe von 18 portugiesischen Ökonomen erhebt ebenfalls auf „VoxEU“ eine ähnliche Forderung. Sie wollen, dass die EZB Krisenmaßnahmen refinanziert, indem sie den Regierungen Anleihen mit Laufzeiten von 50 oder mehr Jahren und sehr niedrigen Zinsen, am besten Nullzinsen, abkauft. Die Rückzahlung solle erst mit erheblicher Verzögerung und sehr allmählich stattfinden. Jede Regierung könnte nach diesem Vorschlag solche Anleihen in einem Volumen herausgeben, die den Einnahmeausfällen und Zusatzausgaben aufgrund der Corona-Epidemie entspricht.

Die Schweizer Variante

Für die Schweiz schlagen mit Hans Gersbach und Jan-Egbert Sturm von der ETH Zürich zwei renommierte Ökonomen etwas ganz ähnliches vor. Die Regierung solle für Einkommensausgleichszahlungen einen Sonderfonds von 100 Milliarden Franken auflegen, fordern sie. Das Geld solle sie als Sonderausschüttung von der Schweizerischen Nationalbank erhalten, die dafür ihre Rücklagen auflösen würde.

Das käme im Prinzip auch für die Notenbanken des Euroraums in Frage, die das Eurosystem bilden. Sie haben in Summe Rücklagen im dreistelligen Milliardenbereich. Gewinnausschüttungen haben den Vorteil, dass Gerichte sie kaum als verbotene monetäre Staatsfinanzierung klassifizieren können.

Bisher waren alle Arten der „monetären Staatsfinanzierung“ ein Tabu unter Mainstream-Ökonomen. Das wichtigste Argument dagegen lautet, dass alle Dämme gegen ausgabefreudiges Regierungsgebaren brechen würden, wenn man sich das Geld einfach von der Zentralbank holen könnte. Das würde zu einem Geldüberschuss und einem starken Anstieg der Inflation führen.

Jordi Gali nimmt diese Sorge ernst und setzt ihr in seinem Vorschlag eine Selbstverpflichtung von Regierungen und Zentralbank entgegen, diese Form der Zusammenarbeit strickt auf die aktuelle Notlage zu begrenzen. „Das ist eine Selbstverpflichtung, deren Einhaltung die Zentralbank immer garantieren kann“, schreibt er. Denn ohne sie gehe es nicht, und sie setze ihre Reputation aufs Spiel.