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EU-Klimapolitik: Wie grün geht es nach der Krise weiter?

Ein Entwurf der EU-Biodiversitätsstrategie zeigt, dass der Green Deal das Fundament des europäischen Wiederaufbaus sein soll. Der Rat könnte das Ganze dennoch abschwächen.

Eine große Artenvielfalt erhöht die Produktivität des Ökosystems – und bedient so auch wieder wirtschaftliche Interessen. Foto: dpa
Eine große Artenvielfalt erhöht die Produktivität des Ökosystems – und bedient so auch wieder wirtschaftliche Interessen. Foto: dpa

In Brüssel verhärten sich derzeit die Klima-Fronten: Zahlreiche Wirtschaftsverbände und einzelne EU-Staaten fordern aufgrund der Coronakrise ein Aufweichen des EU-Klimapakets Green Deal, andere dagegen sehen den Green Deal als unabdingbare Notwendigkeit, die Wirtschaft nach der Pandemie wiederaufzubauen.

„Wir können uns auf zwei Arten aus der Krise herausholen“, sagte EU-Vizekommissionspräsident und Klimakommissar Frans Timmermans vergangene Woche auf dem Petersberger Klimadialog. „Wir können wiederholen, was wir zuvor getan haben und viel Geld in die alte Wirtschaft werfen. Oder wir können klug sein und dies mit der Notwendigkeit verbinden, zu einer grünen Wirtschaft überzugehen. Ich denke, das ist eine große Chance.“

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An der Aussage könne man heraushören, dass die EU-Kommission nicht vorhabe, den Green Deal aufzuweichen, sagte Delara Burkhardt, umweltpolitische Sprecherin der SPD im Europaparlament, dem Handelsblatt. „Tatsächlich geht aus dem Entwurf der bald von der EU-Kommission vorgestellten EU-Biodiversitätsstrategie hervor, dass der Naturschutz und der Green Deal das Fundament des europäischen Wiederaufbaus nach der Coronakrise sein sollen.“

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In dem Arbeitspapier der Kommission, das dem Handelsblatt vorliegt, wird viel von „Wiederherstellung“ gesprochen. „In den Entwürfen der Strategie, die ich vor der Coronakrise gesehen habe, war das nicht der Fall“, so Burkhardt. „Die Kommission hat ihre Strategie also noch einmal ambitionierter gestaltet und spricht von verbindlichen Restaurationszielen. Das ist gut.“

Eigentlich wollte die EU-Kommission ihre Strategie zur biologischen Vielfalt bereits im März vorstellen, vertagte ihr Vorhaben aber, als die Pandemie auf ihren Höhepunkt zuschritt.

Die Strategie zur Artenvielfalt ist eines von mehreren tragenden Säulen des Klimapakets Green Deal, dessen Ziel die EU-Klimaneutralität im Jahr 2050 ist. Eine hohe Biodiversität macht das Ökosystem widerstandfähiger gegenüber äußeren Ereignissen, wie Krankheiten – oder eben einem veränderten Klima.

Artenvielfalt ist auch im wirtschaftlichen Interesse

Zudem erhöht eine große Pflanzenvielfalt die Produktivität des Ökosystems – und bedient so auch wieder wirtschaftliche Interessen. Insbesondere die Sektoren Bau, Land- und Forstwirtschaft, Lebensmittelproduktion, sowie die Versicherungswirtschaft sind von einer intakten Natur abhängig und werden nach Einschätzungen der Kommission vom Naturschutz profitieren. Global gesehen basiert die Hälfte der Wirtschaftsleistung auf einer gesunden Umwelt.

Auch neue Arbeitsplätze gehen mit stärkeren Naturschutz-Bemühungen in der EU einher: „Natura 2000“ ist ein EU-weites Netz von Naturschutzgebieten mit dem Ziel, gefährdete Lebensräume und Arten zu erhalten. Es besteht aus 27.000 Gebieten, die fast 20 Prozent der EU-weiten Fläche ausmachen.

Die EU-Kommission strebt nun an, die unter Schutz stehenden Flächen auf 30 Prozent der EU-Landes, sowie auf 30 Prozent der EU-Meeresfläche auszuweiten und zudem drei Milliarden neue Bäume zu pflanzen. Damit einher gehen Hunderttausende Arbeitsplätze.

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Die Biodiversitätsstrategie nimmt auch die Landwirtschaft in die Pflicht, die in Brüssel stark gegen den Green Deal opponiert: So sollen zehn Prozent der Landwirtschaftsfläche stillgelegt werden und die Agrarwirte sollen allgemein nachhaltiger und mit weniger Pestiziden arbeiten. Das Strategiepapier sieht ein Viertel der EU-Agrarfläche für den Bioanbau vor.

Trotz aller Ambitionen: Eine komplett grüne Post-Corona-Politik, wie sie die Kommission gerne hätte und auch vom Parlament gefordert wird, ist in Brüssel wohl nicht so einfach durchzusetzen.

Beispielsweise schiebt die EU-Kommission die Vorlage ihres Wiederaufbauplans, für den ein Recovery Fund von 1,5 Billionen Euro eingeplant ist, vor sich her: Eigentlich wollte sie ihn diese Woche vorlegen, doch nun wird es mindestens eine Woche später.

„Hinter den Verzögerungen stehen sicherlich politische Gründe und nicht technische“, sagte der haushaltspolitische Sprecher der Grünen im Europaparlament, Rasmus Andresen, dem Handelsblatt. „Die Kommission sucht noch nach Verständigung.“ Er bemängelt zudem, dass das Parlament derzeit in die Überlegungen der Brüsseler Behörde wenig eingebunden wird. „Dann müssen wir später mehr nachverhandeln, was die Umsetzung verzögert.“

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Die EU-Kommission steht derzeit unter Druck von allen Seiten: Parlament, Mitgliedsstaaten, Wirtschafts- und Umweltverbänden. Die einen wollen schnelle Hilfen, die anderen, dass am Green Deal keinesfalls gerüttelt wird.

Mitgliedsländer könnten grüne Ambitionen abschwächen

Besonderes Aufsehen erregte die Forderung des Automobilverbandes, die EU-Kommission solle von der angekündigten Überprüfung und Verschärfung der CO2-Grenzwerte von Pkws absehen. Die Industrie hat in Brüssel viel Einfluss – was Green-Deal-Befürwortern Sorge bereitet. Zudem blockiert Berlin im Rat häufig Klima- und Umweltschutzbemühungen, die den wichtigsten heimischen Wirtschaftszweig schwächen könnten.

Der EU-Abgeordnete Andresen mahnt daher: „Wenn wir jetzt zu sehr dem Druck der Autoindustrie nachgeben, ohne sie zu Klimazielen zu verpflichten, dann können wir den Green Deal vergessen. Dieser Sektor ist eines der Schlüsselbereiche, um Klimaneutralität zu erreichen, und wenn wir dort Aufweichungen durchgehen lassen, macht das auch alle anderen Klimavorhaben unglaubwürdig.“ Der Wiederaufbaufonds der Kommission müsse an Green-Deal-Kriterien geknüpft werden.

Nur: Wie so häufig ist die größte Hürde im Brüsseler Politikbetrieb gar nicht die Kommission, sondern der Rat.

Zwar hat dieser sich im Dezember auf Klimaneutralität bis 2050 geeignet – wobei sich Polen allerdings ausklammern ließ – doch ein EU-Beamter sagte dem Handelsblatt: „Die politische Priorität ist nun eine andere.“ Zwar hätten viele EU-Länder die Petition für eine grünen Wiederaufbau unterschrieben, „aber eben nicht alle. Deswegen muss es einen Kompromiss geben.“

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Die EU-Klima- und Umweltpolitik müsse komplett neu durchdacht werden, zudem seien viele Hauptstädte diesbezüglich derzeit vorsichtig. „Durch die Coronakrise haben viele Menschen ihren Job verloren und wenn wir jetzt zu strikte Klima- und Umweltauflagen aufsetzen, riskieren wir eine Gegenbewegung – und das will niemand“, so der EU-Beamte.

So ist fraglich, ob der grüne Wiederaufbauplan wirklich so grün sein kann, wie aus den bisherigen Aussagen der Kommission herauszuhören ist, und es von vielen Seiten gefordert wird.

Auch in puncto Artenvielfaltsstrategie rechnet die SPD-Europapolitikerin Burkhardt mit möglichen Aufweichungen des Rates: „Ich kann mir vorstellen, dass sich einzelne Länder dafür einsetzen, die Ziele der Artenschutzstrategie so unverbindlich wie möglich zu formulieren. Bei der bisherigen EU-Artenschutzstrategie war die Unverbindlichkeit der Ziele bereits der große Schwachpunkt.“

Zudem befürchtet sie, dass EU-Länder, deren Branchen von zusätzlichen Schutzleistungen stark betroffen sind, den EU-Artenschutz weniger ambitioniert gestalten wollen: „Wenn der Landwirtschaft Quoten für ökologische Brachflächen oder Reduktionsziele für Pestizide aufgelegt werden, oder wenn Fischereigebiete eingeschränkt werden, um geschützte Meeresgebiete auszuweiten, kann das natürlich kurzfristig die Profitmargen schmälern.

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Aber ich bin fest überzeugt, dass die Erholung der Natur mittel- bis langfristig auch diesen Industrien zugute kommt. Diejenigen, die jetzt am meisten gegen den Green Deal opponieren, waren auch schon vor der Coronakrise keine Fans des Vorhabens.“