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Das Ende der Teilzeitfalle

Arbeit soll wieder zum Leben passen, verspricht Arbeitsminister Heil. Doch nicht alle sind vom Kabinettsentwurf überzeugt. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Teilzeit-Arbeit soll in Deutschland wieder attraktiver werden. Was die Bundesregierung am Mittwoch beschlossen hat, dürfte diejenigen freuen, die ihr Berufs- besser mit dem Familienleben vereinbaren wollen. Denn die Bundesregierung hat das Rückkehrrecht von Teil- in Vollzeit auf den Weg gebracht. Was der Beschluss des Kabinetts bringen soll und was Kritiker bemängeln – die WirtschaftsWoche beantwortet die wichtigsten Fragen.

Wie sieht die Rechtslage bislang aus?

Bislang hat jeder Arbeitnehmer, der in einem Betrieb mit mehr als 15 Mitarbeitern arbeitet, nur einen Anspruch auf eine Teilzeitstelle – sofern sein Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate besteht. Das regelt das Teilzeit- und Befristungsgesetz. Was bislang gesetzlich nicht garantiert ist: Vom Teilzeit- zurück in den Vollzeitjob zu wechseln. Das dürfte sich nach dem Beschluss des Kabinetts nun ändern.

Was hat das Kabinett festgelegt?

Arbeitnehmer dürfen, sofern der Bundestag dem Gesetz zustimmt, ihre Arbeitszeit für eine vorher festgelegte Dauer reduzieren – für mindestens zwölf Monate und maximal fünf Jahre. Danach haben sie ein Recht darauf, in ihren bisherigen Vollzeitjob zurückzukehren. Das Vorhaben soll eine Brücke zwischen der Teil- und der Vollzeitstelle bauen. „Im Kern geht es darum, dass die Arbeit zum Leben passt“, sagt Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD), der den Gesetzentwurf zur Brückenteilzeit ins Kabinett eingebracht hatte. Die Neuregelung soll ab 2019 gelten.

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Gilt der Beschluss für alle Arbeitnehmer?

Nein. Das hängt von der Betriebsgröße ab. Das Recht auf befristete Teilzeit wird es nur in Firmen mit mindestens 46 Beschäftigen geben. Angestellte kleinerer Betriebe haben darauf keinen Anspruch. Für Unternehmen mit bis zu 200 Beschäftigten wurde eine Zumutbarkeitsgrenze gezogen: Sie müssen nur jedem 15. Beschäftigtem eine befristete Teilzeit gewähren. Erst für Unternehmen aber 200 Mitarbeitern gilt der Anspruch für jeden. Das geplante Gesetz würde insgesamt für etwa 22 Millionen Beschäftigte gelten.

SPD und Union hatten schon in der vergangenen Legislaturperiode darüber gestritten. Die Sozialdemokraten wollten den Rückkehranspruch für Unternehmen jeder Größe durchsetzen, die Union war dagegen. „Man hätte noch mehr Beschäftigten helfen können, indem man die Brückenteilzeit auf kleine Betriebe ausweitet – mit der Union ist das aber leider nicht möglich“, sagte der Vorsitzende der Jusos, Kevin Kühnert, der WirtschaftsWoche. CDU und CSU interessierten sich offensichtlich mehr für die Arbeitgeber als für die Arbeitnehmer, so der SPD-Politiker.

Alexander Spermann, Arbeitsmarktexperte an der Universität Freiburg, hält die Ausgestaltung des Entwurfs allerdings für sinnvoll: „Kleine Betriebe auszuschließen macht absolut Sinn.“ In kleineren Handwerksbetrieben mit nur wenigen Mitarbeitern sei ein Recht auf befristete Teilzeit unrealistisch, weil der Betrieb sonst seinen Aufgaben nicht nachkommen könne.

Ist das Gesetz überhaupt nötig?

„Die Entscheidung war längst überfällig“, sagt Spermann. „Es hilft den Beschäftigten, aus der Teilzeitfalle herauszukommen.“ Bislang war es häufig so, dass Arbeitnehmer, die sich vorübergehend für eine Teilzeitbeschäftigung entschieden hatten, im Anschluss keine Vollzeitstelle mehr bekamen – die sogenannte Teilzeitfalle. In diese tappen immer mehr Menschen, vier von fünf sind dabei Frauen: 2017 waren es mehr als 15 Millionen Beschäftigte. Zum Vergleich: 20 Jahre zuvor war es etwas mehr als die Hälfte, wie Zahlen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) zeigen.

Zudem wünschen sich die Arbeitnehmer in Deutschland flexiblere Arbeitszeiten: So wollen 2,6 Millionen Menschen laut Erhebungen des Statistischen Bundesamtes gerne mehr arbeiten. Auf der anderen Seite gibt es auch eine große Gruppe von Menschen, die ihre Arbeitszeit reduzieren will: Den Statistikern zufolge wünschen sich das 1,8 Millionen Erwerbstätige – aber nur, wenn der Arbeitgeber ihnen im Nachhinein wieder eine Vollzeitstelle garantieren kann.

Welche Bedeutung hat der Beschluss für die Karrieremöglichkeiten von Frauen?

Eine große. Gerade Frauen arbeiten häufiger in Teilzeit: Rund 40 Prozent der weiblichen Beschäftigten hatten 2016 einen Teilzeitjob, bei den Männern waren es gerade einmal zehn Prozent, wie eine Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linksfraktion zeigt.

Astrid Bendiks ist Inhaberin einer Anwaltskanzlei in München. Sie ist Arbeitsrechtsexpertin – und Mutter. Sie begrüßt den Schritt der Regierung. „Bislang waren Frauen immer vom guten Willen des Unternehmens abhängig. Jetzt haben sie endlich einen gesetzlichen Anspruch und das ist ein guter Erfolg.“ Nach der Einführung einer gesetzlichen Frauenquote sei nun auch die Zeit reif für flexible Arbeitszeiten.

Welche Reaktionen gibt es?

Arbeitnehmerverbände begrüßen den Entwurf. Verdi-Chef Frank Bsirske zeigte sich in der Passauer Neuen Presse „sehr zufrieden“. Kritik kommt etwa vom Arbeitgeberverband Gesamtmetall: „Wenn eine Rückkehr aus Teilzeit in Vollzeit scheitert, dann an fehlenden Kinderbetreuungsmöglichkeiten“, so Hauptgeschäftsführer Oliver Zander. Mit diesem Gesetz sollten ein weiteres Mal erfundene Probleme gelöst werden. Darauf angesprochen, sagte Juso-Chef Kühnert: „Wer sich erdreistet von ‚erfundenen Problemen zu sprechen‘, hat ganz offensichtlich den Kontakt zur Belegschaft verloren.“

Gibt es Schlupflöcher?

Lehnt der Arbeitgeber den Vollzeitwunsch seines Angestellten ab, muss der Arbeitgeber künftig nachweisen, dass kein geeigneter Arbeitsplatz vorhanden oder der Beschäftigte nicht geeignet ist. In der Gesetzesbegründung wurde klargestellt, dass der Arbeitgeber dafür keinen neuen Arbeitsplatz schaffen muss. Es liegt also in seiner unternehmerischen Freiheit, ob er eine freie Stelle besetzt oder nicht. Das könnte ein Schlupfloch des Entwurfs sein. Es wurde auf Drängen der Union in den Entwurf mitaufgenommen.

Da für Unternehmen zwischen 46 und 200 Angestellten der Anspruch ja nur für jeden 15. Beschäftigten gilt, ist für Arbeitsrechtlerin Bendiks eine Frage noch ungeklärt: „Wie entscheidet das Unternehmen welcher Angestellte das nun ist? Warum sollte es die Frau Maier sein und nicht die Frau Müller?“