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Dieser bayrische Ort ist ein europäischer Hotspot der Corona-Bekämpfung

Forscher im Biotech-Cluster in Martinsried arbeiten an Impfstoffen, Medikamenten und Tests rund um Covid-19. Nun will das Innovationszentrum von der Pandemie profitieren.

Mit großem Pomp wollte das Biotechnologie-Zentrum in Martinsried vor den Toren Münchens im Juli sein 25-jähriges Bestehen feiern. Doch wegen Corona musste die Großveranstaltung gestrichen werden. Viel Zeit zu feiern hätten die Forscher ohnehin nicht gehabt. „Das Cluster ist einer der Hotspots in Europa bei der Bekämpfung von Corona“, sagte Peter Hanns Zobel, Geschäftsführer des Innovations- und Gründerzentrums Biotechnologie (IZB), dem Handelsblatt.

Ein halbes Dutzend der knapp 60 Biotech-Firmen im Cluster – einschließlich eines Ablegers in Weihenstephan – ist gerade im Bereich der Corona-Bekämpfung aktiv. So hat Immunic gerade im Rahmen einer Studie der mittleren Phase einem Patienten das Covid-Medikament IMU-838 verabreicht.

Das Start-up Leukocare entwickelt mit den Partnern ReiThera (Rom) und Univercells einen neuartigen adenoviralen, vektorbasierten Impfstoff gegen Covid-19. Und GNA Biosolutions hat einen Coronavirus-Test entwickelt, der in 15 Minuten ein Ergebnis liefert.

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IZB-Chef Zobel ist davon überzeugt, dass sich die Unternehmen und ihre Entwickler am Standort gegenseitig befruchten. Viele Projekte entstünden im Faculty Club, der im IZB-eigenen Hotel untergebracht ist, sowie bei anderen IZB-Netzwerkveranstaltungen. Auch helfe die Nähe zu zwei Max-Planck-Instituten und dem Klinikum Großhadern der LMU München. „Die eingeschworene Gemeinde funktioniert.“

So hat das Cluster in der Branche eine Sogwirkung ausgelöst. Leukocare zum Beispiel ist vor zehn Jahren von Frankfurt nach Martinsried umgezogen. In München finde er gut ausgebildete Fachkräfte, sagt CEO Michael Scholl. „In Frankfurt hatte ich bei einer Ausschreibung höchstens eine Handvoll Bewerber, hier melden sich Dutzende hochqualifizierte Kandidaten.“

Unbürokratische Kooperation

Dass die Coronakrise manche Regeln in der Branche außer Kraft gesetzt hat, zeigt das Beispiel Leukocare ganz gut. Die Partnerschaft mit den beiden europäischen Partnern begann, bevor auch nur ein Vertrag aufgesetzt war. „Normalerweise ist der Schutz des intellektuellen Eigentums in der Branche das Wichtigste“, sagt Vorstandschef Scholl. Doch dieses Mal habe man gleich losgelegt – wem welche Erfindung zuzuordnen ist, könne man dann immer noch klären.

Die klinischen Studien für den Impfstoff sollen im Sommer starten. Kurz danach schon soll die großflächige Impfstoffherstellung beginnen. Der geplante Impfstoff zielt auf das sogenannte Spike-Protein des Coronavirus ab und setzt als Transportvehikel (Genfähre) ein Virus ein, das bei Affen vorkommt.

Leukocare steuert zu der Arzneimittelentwicklung die Entwicklung einer flüssigen Impfstoffformulierung bei. Die Firma entwickelt eine Lösung von stabilisierenden Hilfsstoffen, in der der Impfstoff abfüllbar, lagerbar und am Ende spritzbar ist. Die Partner sind für die eigentliche Wirkstoffentwicklung und die Produktion verantwortlich.

Schon vor Corona galt das IZB als Erfolgsgeschichte. Seit Gründung konnten 200 Start-up-Unternehmen untergebracht werden. Die Auslastung lag in den vergangenen zehn Jahren nur knapp unter 100 Prozent. „Das IZB ist heute ein weltweit anerkannter Hotspot im Bereich Life-Science, an dem innovative Medikamente und Therapien der Zukunft entwickelt werden“, sagte Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger dem Handelsblatt.

Auch Federico Buersgens, Vorstandschef von GNA Biosolutions, sieht viele Synergien. So kooperiere man intensiv mit zwei aktuellen IZB-Unternehmen und drei Firmen, die dem IZB mittlerweile entwachsen seien. „Gerade um sehr schnell ein Projekt hochfahren zu können, sind diese Netzwerke und etablierten Partnerschaften absolut ausschlaggebend.“ Auch die geografische Nähe sei nicht zu unterschätzen, wenn zum Beispiel Reagenzien beim Partner binnen einer Stunde weiterverarbeitet werden müssten.

Die Netzwerkorganisation BioM hilft im Auftrag des Wirtschaftsministeriums den Unternehmen, sich untereinander auszutauschen und Kontakte in Sachen Corona-Bekämpfung zu knüpfen. „Dafür haben wir bereits Mitte März einen Projektaufruf gestartet und Unternehmen wie Forschungsgruppen aufgefordert, innovative Beiträge zur Lösung der Covid-19-bedingten Krise einzubringen“, sagte BioM-Managing-Director Horst Domdey. Zudem konnte BioM GNA dabei helfen, für seinen Corona-Schnelltest eine Anschubfinanzierung des Freistaats zu bekommen, um den Test zur Serienreife zu bringen.

„Enormes Interesse“ an Corona-Schnelltest

GNA ist laut Buersgens mit seinem Schnelltest gut vorangekommen: „Wir stoßen auf enormes Interesse, das wir noch im Sommer bedienen wollen.“ Eine Herausforderung sei aber die Verfügbarkeit von diagnostischen Vorprodukten auf dem Weltmarkt.

Derzeit gebe es weltweit viele vergleichbare Projekte. Doch könne GNA auf Basis des Industriestandards PCR schnellere, dezentralere und kostengünstigere Tests anbieten als die bisherigen Labor- oder Vor-Ort-Test-Systeme. „Konkret bedeutet dies, dass wir mit einem kleinen Tischgerät bis zu acht Proben parallel in einer halben Stunde testen können – und zwar ohne exotische Chemie wie bei manchen neuen Testverfahren.“

Im aktuellen Wettrennen um Impfstoffe und Covid-Medikamente sind deutsche und europäische Unternehmen recht gut positioniert. „Das hätte ich anfangs gar nicht erwartet“, sagt Leukocare-Chef Scholl. Schließlich fließt deutlich mehr Kapital an US-Konkurrenten.

Dennoch ist die Finanzierung ein ständiges Thema im Biotech-Cluster in Martinsried. „Die deutsche Biotech- und Medtech-Branche ist hochinnovativ und gut aufgestellt, leidet aber im internationalen Vergleich oft an mangelndem Wagniskapital und erreicht daher seltener die kritische Masse, um einen signifikanten Beitrag leisten zu können“, sagt Buersgens von GNA.

Das muss sich ändern, wenn die Branche hierzulande richtig groß werden soll. Denn auch wegen der Finanzierung hat sich der Charakter des IZB etwas gewandelt: Suchten anfangs Start-ups nach dem durchschlagenden neuen Medikament, sind viele derzeit eher als Dienstleister aktiv. Da ist die Schwelle zur Profitabilität schneller erreichbar.

IZB-Geschäftsführer Zobel hofft, dass die Branche nach der Coronakrise noch mehr Aufmerksamkeit bekommt, auch von Investoren. In den vergangenen Jahren habe sich die Politik stark auf die Energiewende und die Digitalisierung der Industrie konzentriert. „Jetzt geht der Fokus wieder stärker Richtung Pharma, Biotech und Medizintechnik.“

Der IZB-Geschäftsführer würde das 26.000 Quadratmeter große Cluster in Martinsried mit diesem Schwung gern noch einmal kräftig ausbauen. Denn es fehlt der Platz für Biotech-Unternehmen, die aus dem IZB herauswachsen, und für Pharmaunternehmen, die hier zum Beispiel Forschungsabteilungen errichten könnten.

Vor fünf Jahren, zur 20-Jahr-Feier, wurde aus Zobels Vorstoß nichts. Die Vergrößerung hätte 50 Millionen Euro gekostet. Damals war das viel Geld. In Zeiten von Corona und den laufenden Programmen scheint die Summe überschaubarer geworden.