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Deutschlands erstes Flüssiggas-Terminal könnte Streit über russische Pipelines entschärfen

Frankreich hat vier, Italien drei, Spanien sieben, Großbritannien sechs, die Niederlande, Griechenland, Portugal, Belgien, Polen und Litauen haben jeweils eines. Nur Deutschland steht noch ohne ein Terminal für verflüssigtes Erdgas („liquefied natural gas“, kurz: LNG) da. Das könnte sich allerdings sehr bald ändern. Im schleswig-holsteinischen Brunsbüttel, gelegen an der Mündung des Nord-Ostsee-Kanals in die Elbe, könnte bald schon ein solches LNG-Terminal Realität werden.

Das Vorhaben wird von der Bundesregierung und von der schleswig-holsteinischen Landesregierung ausdrücklich begrüßt. „Die Bundesregierung hat großes Interesse daran, dass in Deutschland ein LNG-Terminal entsteht“, sagte Norbert Brackmann, Koordinator der Bundesregierung für die maritime Wirtschaft und CDU-Bundestagsabgeordneter, dem Handelsblatt.

Auch das Land Schleswig-Holstein rollt den roten Teppich aus: Er freue sich, „dass ein Investor sich für Brunsbüttel entschieden und die Vorbereitungen aufgenommen hat“, sagte Thilo Rohlfs, Staatssekretär im Kieler Wirtschaftsministerium, dem Handelsblatt.

Handfeste politische Argumente sprechen für das Projekt. Ein LNG-Terminal wäre für die Bundesregierung ein Befreiungsschlag, weil es den Vorwurf des amerikanischen Präsidenten Donald Trump entkräften könnte, Deutschland sei immer mehr von russischem Gas abhängig und sperre sich gegen Gas aus den USA.

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Mit diesem Argument hatte Trump gerade in den vergangenen Wochen Stimmung gegen Nord Stream 2 gemacht. Die Erweiterung der bereits bestehenden Ostseepipeline von Russland nach Deutschland ist Trump ein Dorn im Auge. Dabei steht nur vordergründig die Frage im Mittelpunkt, ob Deutschlands Abhängigkeit von russischem Erdgas zu groß wird.

Vielmehr geht es Trump ums Geschäft. Der US-Präsident macht keinen Hehl daraus, dass er es lieber sähe, wenn Deutschland sich mit LNG aus seiner Heimat versorge, als zusätzliche Mengen Erdgas aus Russland zu importieren. Trumps Vorbild ist dabei Polen. Das Land nimmt bereits LNG ab, das per Tanker aus den USA geliefert wird. Polen gehört zugleich zu den schärfsten Kritikern von Nord Stream 2.

US-Gas drängt auf den Markt

Die USA sind in den vergangenen Jahren vom Erdgasimporteur zum Erdgasexporteur geworden. Ausschlaggebend für den Gasboom in den USA ist die umstrittene Gasförderung mittels Fracking aus Schiefergestein. Erdgas aus den USA drängt nun in verflüssigter Form auf die Weltmärkte. Jeder neue Abnehmer ist den Amerikanern willkommen.

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hat zuletzt mehrfach deutlich gemacht, er sperre sich nicht gegen LNG-Lieferungen aus den USA. Das Thema spielt auch im Handelsstreit zwischen Europa und den USA eine Rolle. Die Amerikaner drängen in den Verhandlungen darauf, ihnen den Zugang zum europäischen Gasmarkt zu erleichtern. Dabei zielen sie insbesondere auf Deutschland. Denn Deutschland gehört zu den wenigen Ländern in Europa, die zwar über einen Seezugang verfügen, aber dennoch bislang keine Möglichkeit haben, LNG-Tanker zu löschen.

Die Bundesregierung stellt sich dem Eindruck entgegen, LNG aus den USA sei nicht erwünscht: „Wenn LNG aus den USA zu wettbewerbsfähigen Preisen nach Deutschland kommt, dann soll uns das recht sein“, sagt der maritime Koordinator Brackmann.

Lange war verflüssigtes Erdgas für Deutschland kein Thema. Deutschland ist seit Jahrzehnten über Pipelines aus Russland, Norwegen und den Niederlanden bestens mit Erdgas versorgt. Der Zugriff auf vergleichsweise günstiges Pipeline-Erdgas gilt als Standortvorteil.

LNG für sauberen Schiffsverkehr

LNG ist teurer als Erdgas, das via Pipeline nach Deutschland kommt. Das liegt an dem aufwendigen Verfahren der Verflüssigung: Erdgas muss auf minus 160 Grad Celsius abgekühlt werden, um es zu verflüssigen. Dafür hat LNG dann nur noch den 600. Teil des Volumens von Erdgas in gasförmigem Zustand und kann mit speziellen Tankschiffen über die Weltmeere gefahren werden.

Wer LNG verwenden will, braucht für die Tankschiffe ein spezielles Terminal. Die Anwendungsmöglichkeiten für LNG sind breit gefächert. Es lässt sich als Treibstoff für Schiffe oder Lkws einsetzen, als Prozessgas für die Industrie verwenden, man kann es aber auch wieder in den gasförmigen Zustand zurückversetzen („Regasifizierung“) und ins herkömmliche Erdgasnetz einspeisen.

Die hohe Flexibilität von LNG ist ein Vorteil, der den hohen Preis teilweise aufwiegt. Die Tanker können beliebig über die Weltmeere geschickt werden und bei Bedarf während der Fahrt den Kurs ändern: Entscheidend ist, wer den höchsten Preis zahlt. LNG kann dabei helfen, einen kurzfristigen Anstieg der Nachfrage auszugleichen oder Versorgungsengpässe abzufedern.

„Energiesicherheit ist nicht dadurch definiert, wo man kauft, sondern von der Möglichkeit, die Bezugsquelle zu wechseln. LNG spielt dabei eine Schlüsselrolle“, sagt etwa BP-Chefökonom Spencer Dale. Flüssiggas sei „wie eine Versicherungspolice“ zu betrachten.

LNG werde erheblich an Bedeutung gewinnen, sagt Harald Hecking von „ewi Energy Research & Scenarios“, einer Tochter des Energiewirtschaftlichen Instituts der Uni Köln (EWI), voraus. „Sollte Russland als Gaslieferant tatsächlich an der Preisschraube drehen, würde das den Anreiz für Flüssiggasimporte erheblich erhöhen“, sagt Hecking. Russisches Erdgas sei wachsender Konkurrenz ausgesetzt, was die Position der EU als Gasimporteur erheblich verbessere.

Umweltfreundlicher als Schweröl

LNG dürfte aber auch aus umwelt- und klimapolitischen Gründen eine große Zukunft haben: Verflüssigtes Erdgas ist eine umweltfreundliche Alternative zu herkömmlichem Schweröl, mit dem Schiffe betankt werden. „Verflüssigtes Erdgas kann auf Jahre und Jahrzehnte hinaus eine wichtige Rolle als Treibstoff für die See- und Binnenschifffahrt spielen“, sagt CDU-Politiker Brackmann.

Tatsächlich reduzieren sich bei Schiffen mit LNG-Motoren die Schadstoffemissionen gegenüber herkömmlichen Schiffsdieseln ganz erheblich. 80 Prozent der Stickoxidemissionen fallen weg, Rußpartikel fallen fast gar nicht mehr an. Hinzu kommt eine deutliche Reduktion der CO2-Emissionen. „Da Kreuzfahrtschiffe und Containerschiffe schon sehr bald nicht mehr mit Schiffsdiesel betankt werden sollen, müssen Alternativen geschaffen werden“, sagt Brackmann. Ein LNG-Terminal in Brunsbüttel käme daher wie gerufen.

Die internationale Seeschifffahrt-Organisation IMO, eine Sonderorganisation der UN, arbeitet seit Jahren daran, Schweröl als Treibstoff zu verdrängen. Einer ihrer Erfolge: Ab 2020 dürfen Schiffsabgase nur noch ein halbes Prozent Schwefel enthalten. Diese global gültige Regelung können nur Schiffe einhalten, die entweder fast schwefelfreien Treibstoff einsetzen, eine Abgasreinigungsanlage an Bord haben oder mit Erdgas betrieben werden.

Optimistischer Investor

Gute Perspektiven also für Flüssiggas. In Deutschland ringen neben Brunsbüttel auch Wilhelmshaven und Stade darum, Standort für ein LNG-Terminal zu werden. Brunsbüttel hat aber nach übereinstimmender Einschätzung der meisten Marktakteure die Nase vorn.

„Für Brunsbüttel sprechen die geografische Nähe zum Hamburger Hafen, die Lage direkt am Nord-Ostsee-Kanal und die Industrie vor Ort, die selbst viel Energie benötigt“, sagt der schleswig-holsteinische Staatssekretär Rohlfs. „Die Betreibergesellschaft, die sich für den Standort Brunsbüttel interessiert, ist die einzige, die bislang schon einen Förderantrag gestellt hat. So konkret wie in Brunsbüttel sind die Pläne an keinem der anderen potenziellen Standorte“, sagt Koordinator Brackmann, der selbst aus Schleswig-Holstein stammt.

Hinter dem Projekt in Brunsbüttel steht die German LNG Terminal GmbH. Die GmbH hat drei Gesellschafter: den niederländischen Gasversorger Gasunie, die Oiltanking GmbH, eine Tochtergesellschaft des Hamburger Energielogistikunternehmens Marquard & Bahls, und den niederländischen Tanklagerbetreiber Vopak, der bereits zwei LNG-Terminals betreibt, in Rotterdam und an der Ostküste Mexikos.

Nach Angaben der schleswig-holsteinischen Landesregierung beläuft sich das Investitionsvolumen auf 450 Millionen Euro. German LNG Terminal selbst wollte sich auf Anfrage nicht zu dem Projekt äußern. In Branchenkreisen heißt es, die Investoren hätten derzeit kein Interesse, ihr Projekt in den Medien zu sehen.

In der aktuellen politischen Debatte könne zu schnell der Eindruck entstehen, die Investition diene allein dem Zweck, ein Einfallstor für US-Schiefergas zu schaffen. Tatsächlich gehe es aber um viel mehr, nämlich etwa darum, umweltfreundliche Lösungen für den Schiffsverkehr anzubieten.

Geld von Bund und Land

Alle Beteiligten sind sich darüber im Klaren, dass ein LNG-Terminal derzeit nicht aus dem Stand wirtschaftlich betrieben werden kann. Die öffentliche Hand steht daher bereit, den Investoren unter die Arme zu greifen. „Eine Dauerförderung wird es mit uns zwar nicht geben. Der Infrastrukturfonds des Bundesverkehrsministeriums hält aber grundsätzlich Mittel bereit. Wenn Betreiber ihren Businesscase offenlegen, werden wir schauen, ob sich Wirtschaftlichkeitslücken aus den Mitteln des Fonds zumindest zum Teil schließen lassen“, sagt Brackmann.

Ähnlich sieht das die Landesregierung in Kiel. „Dieses deutschlandweit einzigartige Projekt wird eine erhebliche Wirtschaftlichkeitslücke aufweisen. Sowohl wirtschaftspolitisch als auch energiepolitisch macht es aber Sinn, durch Fördermittel diese Lücke zu schließen“, sagt Staatssekretär Rohlfs.

Schleswig-Holstein habe sich grundsätzlich bereit erklärt, das Projekt im Rahmen seiner Möglichkeiten zu fördern. „Dafür kommen zunächst Fördermittel der Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur (GRW) infrage“, sagt der Staatssekretär.

Die German LNG Terminal GmbH jedenfalls blickt optimistisch in die Zukunft. Auf der Website des Unternehmens heißt es, eine Reihe potenzieller Kunden habe Interesse an dem Projekt bekundet. Die Vorbereitungen für den Genehmigungsprozess hätten begonnen, noch in diesem Jahr werde man die Genehmigung beantragen. Zweifel am Gelingen gibt es dort derzeit nicht: Man werde den „Betrieb 2022 aufnehmen“, verkünden die Investoren.