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Wachstumsstars made in Germany – und was sie so erfolgreich macht

Der Aufschwung geht zu Ende. Welche Unternehmen haben den Dauerboom am besten genutzt, was sind ihre Erfolgsstrategien – und welche Aktien soll man kaufen?

  • Es geht die längste Aufschwungphase seit dem Wirtschaftswunder zu Ende.

  • Zu den Firmen, die sich in der vergangenen Dekade am besten entwickelt haben, gehören beispielsweise der Gabelstaplerhersteller Jungheinrich oder der Autovermieter Sixt. Das Handelsblatt hat fünf Erfolgsfaktoren analysiert.

  • Konjunkturkrise, Gewinnrückgänge und Zollstreit eröffnen an der Börse neue Chancen. Welche der Top-Aktien sich jetzt lohnen – und welche nicht.

An einem sonnigen Septemberdienstag hat die Jungheinrich AG in ihre Firmenzentrale geladen. Ein Gebäude, das mit seinen lichten Glaswänden und weißen Kunststoffpanelen auch in Bangalore oder San José stehen könnte statt in Hamburg-Wandsbek. Zu feiern gibt es einen Stabwechsel: Der langjährige Vorstandschef Hans-Georg Frey übergibt an den Nachfolger Lars Brzoska, der den CEO-Posten zusätzlich zu seinem bisherigen Amt als Technikvorstand übernimmt.

„Jungheinrich vergaß nicht die Heimat, als das Outsourcing modern wurde“, lobt Festredner Olaf Scholz. Nach der Ansprache des Vizekanzlers soll eigentlich Kent Nagano auftreten, doch der Elbphilharmonie-Dirigent verspätet sich. Das angekündigte Quintett spielt seinen Brahms ohne musikalische Leitung. Erst bei den letzten Klängen betritt Nagano den Saal und nimmt wenig später den obligatorischen Blumenstrauß in Empfang.

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Dass der Stargast zu spät zur Firmenfeier erscheint, klingt zunächst nach einer kleinen Kalamität. Aber auf den zweiten Blick passt die Episode ziemlich gut zu der Entwicklung, die Jungheinrich in den vergangenen zehn Jahren genommen hat: Das Ensemble kann jetzt auch ohne Dirigenten spielen. Den Wirtschaftsboom der vergangenen zehn Jahre hat die familienkontrollierte Aktiengesellschaft für einen radikalen Umbau ihres Managementteams genutzt. Oberstes Ziel: mehr internes Unternehmertum, bessere Führungskultur.

Die Zahlen sprechen für den Erfolg dieser Strategie. Der Umsatz des Spezialisten für Gabelstapler und Lagersysteme hat sich von Anfang 2009 bis 2019 mehr als verdoppelt, der Nettogewinn stieg um 100 Prozent. Über 8000 neue Arbeitsplätze wurden neu geschaffen, davon die Hälfte in Deutschland. „Die Entwicklung der Jungheinrich AG in den vergangenen zehn Jahren zeigt beispielhaft, was die erfolgreichsten deutschen Unternehmen ausmacht“, sagt Ralf Moldenhauer, Senior Partner bei der Unternehmensberatung Boston Consulting Group (BCG).

In einer Studie haben Moldenhauer und sein vierköpfiges Team aus 153 börsennotierten deutschen Unternehmen mit mehr als 500 Millionen Euro Umsatz jene zehn herausgefiltert, die sich in den Geschäftsjahren 2009 bis einschließlich 2018 am besten entwickelt haben.

Es ist Deutschlands unternehmerische Elite, geordnet nach strengen und nachvollziehbaren Kriterien. Zu den Gewinnern zählen Firmennamen, die nicht jedem sofort in den Sinn kommen würden. So steht auf dem ersten Platz die Siltronic AG, die Siliziumplatten für die Halbleiterbranche herstellt. Die Silbermedaille erringt Infineon. Der Konzern arbeitet ebenfalls in der Halbleiterbranche und schafft es als einziger Dax-Wert unter die Top Ten. Auf den Rängen danach folgen Pharma- und Laborzulieferer Sartorius sowie Jungheinrich.

Zwei Kriterien entscheiden. Zum einen die Verbesserung der Marge im operativen, um Sondereinflüsse bereinigten Geschäft (Ebitda) zwischen 2009 und 2018. Zum anderen der Total Shareholder Return im selben Zeitraum, also die absolute Wertsteigerung, die Anleger mit der Aktie des Unternehmens erzielen konnten. Der Total Shareholder Return setzt sich zusammen aus der Kurssteigerung der Aktie und den Dividendenzahlungen.

„Die Finanzkrise und die darauffolgende Rezession 2009 war eine Art gemeinsamer Nullpunkt für alle Unternehmen“, sagt Moldenhauer, der sich vor allem als Restrukturierungsexperte einen Namen gemacht hat. „Unsere Studie zeigt, wie gut die Unternehmen die Krise bewältigt und den anschließenden Aufschwung genutzt haben.“

Dabei liefere die Entwicklung der Ebitda-Marge eher eine rückwärtsgewandte Betrachtung (Moldenhauer: „Wie gut hat sich das Geschäft entwickelt?“). Der Total Shareholder Return weise eher nach vorn und zeige, welchen Unternehmen am Kapitalmarkt auch in Zukunft profitables Wachstum zugetraut wird. Unternehmen aus der Finanz- und Immobilienbranche sind wegen der fehlenden Vergleichbarkeit ihrer Kennzahlen nicht mit in das Ranking eingeflossen.

Bei keinem der zehn bestplatzierten Unternehmen ist BCG nach Handelsblatt-Recherchen derzeit als Berater aktiv. Ob die Aktien der zehn Unternehmen auch zu den heutigen Kursen noch einen Kauf wert sind, analysieren wir hier.

Wie haben die besten deutschen Firmen das Comeback nach der Finanzkrise geschafft? Was kann man aus ihrem Erfolg lernen? Kurz gesagt: Es kommt auf eine klare Strategie an, die zum jeweiligen Unternehmen passt – und vor allem auf deren entschlossene Umsetzung auch außerhalb einer unmittelbaren Krisensituation. Oder wie es Alexander Sixt formuliert, Vorstandsmitglied der gleichnamigen, ebenfalls in den Top Ten platzierten Autovermietung: „Die Tat zählt.“

1. Erfolgsfaktor: Kulturwandel

Am Tag nach der Übergabefeier sitzt Hans-Georg Frey in seinem bereits nahezu leer geräumten Vorstandsbüro und erinnert sich an die Jahre des Kulturwandels, der sich für manche Betroffenen eher wie eine Kulturrevolution angefühlt haben mag. Auch an seinem letzten Arbeitstag als Vorstandschef trägt Frey die Anstecknadel mit dem Jungheinrich-Logo am Revers und den Schlips in den Firmenfarben Gelb und Grau. Künftig wird er den Aufsichtsrat von Jungheinrich führen.

Den Wirtschaftsboom der vergangenen zehn Jahre hat Frey für einen radikalen Umbau des Managementteams genutzt. Von rund 120 Führungskräften wurden bei Jungheinrich etwa 60 ersetzt. Einige konnten auf niedrigeren Ebenen weiterarbeiten, doch die überwiegende Zahl musste das Unternehmen verlassen. Auch die Verträge von mehreren Vorständen wurden nicht verlängert.

„Unser Hauptkriterium waren die unternehmerischen Qualitäten“, sagt Frey, „die Bereitschaft, für den eigenen Bereich wirklich Verantwortung zu übernehmen und bei Fehlschlägen die Schuld nicht auf andere zu schieben.“ Bei einigen habe es auch am Führungsstil gehapert, sagt Frey, sie seien gegenüber Mitarbeitern zu forsch und verletzend aufgetreten.

Der Kulturwandel bei Jungheinrich war kein Selbstzweck, kein Kuschelprojekt, wie es sich viele andere Unternehmen in Boomzeiten leisten. Er diente einem eng umrissenen Zweck: Das Unternehmen sollte durch mehr internes Unternehmertum schlanker und schneller werden und so den Größennachteil gegenüber den deutlich umsatzstärkeren Wettbewerbern Kion (früher Linde) und Toyota ausgleichen.

Die BCG-Studie lässt sich auch als ein Loblied auf solche unternehmerischen Taten lesen – in der Krise, vor allem aber im darauffolgenden Boom. „Gerade im Aufschwung ist die Versuchung groß, einen Gang zurückzuschalten und einfach die entspannte Fahrt zu genießen“, sagt BCG-Experte Moldenhauer. „Doch die wirklich erfolgreichen Unternehmen sind diejenigen, die die Jahre des Aufschwungs genutzt haben, um konsequent ihr Geschäft voranzubringen.“

Klingt eigentlich selbstverständlich, ist es aber nicht. Deutschland hat zwischen Ende 2009 und 2018 die längste ununterbrochene Aufschwungphase seit dem Wirtschaftswunder erlebt. Doch viele deutsche Unternehmen nutzten diese Chance nicht. Das wird deutlich bei einem Blick auf jene börsennotierten deutschen Unternehmen, die in den Jahren 2009 bis 2018 am meisten Börsenwert vernichtet haben.

Trauriger Spitzenreiter bei der Vernichtung von Aktionärsvermögen ist nach Handelsblatt-Berechnungen die Commerzbank. Wer am 31.12.2008 für 100 Euro Commerzbank-Aktien kaufte, hatte zehn Jahre später noch 14,70 Euro übrig. Macht einen negativen Total Shareholder Return von im Schnitt 8,5 Prozent pro Jahr.

Nächster Wertvernichter: SGL Carbon. Das Unternehmen konnte die Erwartungen, die in den neuen Werkstoff Kohlefaser gesetzt wurden, nicht erfüllen und hat pro Jahr 6,98 Prozent des Aktionärsvermögens vernichtet. Platz drei der größten Wertvernichter belegt die Deutsche Bank mit minus 6,22 Prozent pro Jahr. Über die Hälfte des Aktionärsvermögens haben innerhalb von zehn Jahren auch die Heidelberger Druckmaschinen AG, der Handelskonzern Ceconomy (vormals Metro AG) und der Energiekonzern RWE vernichtet.

Insgesamt 16 Unternehmen in Deutschland haben über den Zehnjahreszeitraum hinweg einen negativen Total Shareholder Return erwirtschaft. Nicht berücksichtigt sind in dieser „Hall of Shame“ des unternehmerischen Scheiterns Aktiengesellschaften, die seit weniger als zehn Jahren in Deutschland börsennotiert sind (wie die Rocket Internet AG) oder die in diesem Zeitraum durch Insolvenz das Aktionärsvermögen sogar komplett vernichtet haben (wie die Air Berlin AG).

2. Erfolgsfaktor: Kosten senken

An der Spitze des Rankings liegt die Siltronic AG, die bis vor wenigen Jahren noch zum Mutterkonzern Wacker Chemie gehörte und erst 2015 den Börsengang wagte. Zwischen 2015 und 2018 hat die Siltronic AG das Vermögen ihrer Aktionäre pro Jahr um nahezu die Hälfte gesteigert, der durchschnittliche jährliche Total Shareholder Return liegt bei 48 Prozent.

Dabei deutete bei Siltronic anfangs nur wenig auf eine Erfolgsgeschichte hin. Kernprodukt des Unternehmens sind Siliziumplatten, sogenannte Wafer, ein Vorprodukt für die Herstellung von Computerchips und anderen Halbleitern. Ein Produkt, dessen Preis oft extrem schwankt, je nach Nachfrage und Konjunkturverlauf. In der Finanzkrise hatte die Siltronic AG ihren Umsatz von 2008 auf 2009 mehr als halbiert.

Es schlug die Stunde des damaligen und auch heutigen Vorstandschefs Christoph von Plotho. Der promovierte Chemiker, der sein Berufsleben bereits 1984 als Laborleiter bei Wacker Chemie begonnen hatte, sagt von sich selbst: „Ich bin immer ein Fan davon gewesen, an den Produktivitäten zu arbeiten.“ Soll heißen: In einem Markt, in dem man an den Preisen wenig ändern kann, sind die Kosten der entscheidende Hebel.

Von Plotho forderte die einzelnen Bereiche seines Unternehmens auf, ihm ein abgestimmtes prozentuales Einsparungsziel für die variablen Kosten zu nennen. Im Rückblick erinnert er sich: „Es war sehr schwer aus den Leuten rauszuholen, was sie sich als Ziel vorstellen, und dann glaubten die Damen und Herren, sich mit sechs Prozent pro Jahr bereits sehr weit aus dem Fenster gelehnt zu haben.“ Er selbst forderte ein zweistelliges Ziel. Man einigte sich auf die kleinste zweistellige Zahl, die es gibt – zehn Prozent.

Dieses Ziel hat Siltronic vier Jahre in Folge entweder erreicht oder übertroffen. In Teilbereichen der Produktion, so von Plotho, habe Siltronic die Produktivität zwischen 2010 und heute um über 100 Prozent verbessert. „Das heißt, wir haben den Personalkostenanteil auf die Hälfte reduziert.“ Eine Produktionsanlage in Japan hat von Plotho dichtgemacht.

Beim wichtigsten Rohstoff Polysilizium habe man die Effizienz deutlich verbessert. „Um die gleiche Menge an Wafern herzustellen, mussten wir dadurch weniger Polysilizium einkaufen.“ Das Controlling wurde so angepasst, dass das Ergebnis des Vormonats für jeden Bereich bis zum dritten Werktag des Folgemonats vorlag – Transparenz total.

„Die Kostenreduktionsprogramme“, ist von Plotho überzeugt, „waren die wichtigste Maßnahme, um bei stagnierenden Mengen und rückläufigen Preisen das Ergebnis zu halten oder sogar zu steigern.“ Gleichzeitig habe er sehr darauf geachtet, die Sparerfolge bei Betriebsversammlungen oder vor leitenden Angestellten immer als Leistung der Belegschaft herauszustellen – „und nicht als meine“.

Doch die Durststrecke bei Siltronic dauerte lang. Als der Rest der deutschen Wirtschaft schon längst wieder boomte, waren die Preise für Wafer noch immer im Keller. 2012 lag das Ebitda der Siltronic bei einer mageren Million Euro. Auch nach dem Börsengang 2015 wies der Aktienkurs zunächst nach unten.

„Börsenkurse in der Halbleiterbranche richten sich immer danach: Wann ist die Auslastung endlich so hoch, dass die Preise mal hochgehen können?“, sagt von Plotho. Ab 2017 erholte sich die Nachfrage, die Firma konnte Preiserhöhungen durchsetzen. Seitdem fährt Siltronic die Ernte aus seinem Sparprogramm ein. Die niedrigen Kosten, gepaart mit den gestiegenen Preisen, führen zu einer im Untersuchungszeitraum um 56 Prozent gestiegenen Ebitda-Marge.

3. Erfolgsfaktor: Wachstumswille

Die Sixt SE gehört seit Jahren zu den Ausnahmeerscheinungen unter den deutschen Familienkonzernen. Trotz der Börsennotierung gilt im Unternehmen vor allem eine Stimme: die von Vorstandschef und Unternehmerlegende Erich Sixt. Von Amtsmüdigkeit ist bei dem 75-Jährigen nichts zu spüren.

Falls Erich doch einmal abtritt, wird sein ältester Sohn Alexander als Kronprinz gehandelt. Von seinem Vater, berichten Konzernkenner, habe Alexander die Durchsetzungsfähigkeit und den Wachstumswillen geerbt. „Management bedeutet, sich zu entscheiden, durch welche Tür man gehen will“, sagt Alexander Sixt. „Und dann, wenn man sich entschieden hat, auch tatsächlich mit letzter Konsequenz hindurchzugehen.“ Gerade in der Krise dürfe man nicht zaudern.

Einen wesentlichen Teil der Kosten machen bei Sixt der Fuhrpark, der damit verbundene Zinsaufwand sowie die Abschreibungen darauf aus. Nach der Finanzkrise konnte die Sixt SE dank einer zügigen Verkleinerung der Flotte und einer entsprechend besseren Auslastung bereits im dritten Quartal 2009 wieder eine schwarze Null erwirtschaften. „Aufgrund dieser Anpassungsfähigkeit hat Sixt in seiner Geschichte noch nie ein Geschäftsjahr mit Verlust beendet“, sagt Alexander Sixt.

Eine Krise, so der Junior, habe immer auch Vorteile: Denn in der Krise sei man als Manager gezwungen, alle Prozesse, alle Produkte, alle Abläufe infrage zu stellen. „Im Zuge dessen“, erinnert sich Alexander Sixt, „haben wir 2009 viele prozessuale Optimierungen umgesetzt, von denen wir heute noch profitieren.“

So kann Sixt dank einer genaueren Kostenrechnung inzwischen genau beziffern, mit welchen Kunden das Unternehmen Gewinn und mit welchen es Verlust macht, etwa weil Letztere besonders häufig mit Sonderwünschen anrufen.

Die vergangenen Jahre standen bei Sixt im Zeichen der Expansion in die USA. Alles begann ganz klein, mit einer einzigen Station am Flughafen Miami. Investitionsbetrag: unter einer Million Euro. „Wir haben dieses Geschäftsmodell immer wieder inkrementell angepasst und haben dabei laufend gelernt“, erinnert sich Alexander Sixt. Dann kam die zweite Station dazu, die dritte Station und so weiter.

Im Vergleich zu den dominierenden Low-Cost-Anbietern in den USA bot Sixt seinen Kunden oft besseren Service zu einem dennoch wettbewerbsfähigen Preis. Inzwischen macht Sixt in den USA rund 500 Millionen Dollar Umsatz pro Jahr und ist profitabel. Das erscheint nicht besonders viel gemessen am Konzernumsatz von rund drei Milliarden Euro. Aber es bietet sich die Chance, sich eine immer dickere Scheibe vom Kuchen des größten nationalen Vermietungsmarkts der Welt abzuschneiden.

„Wir haben jetzt endlich eine Präsenz im Flughafenterminal von Orlando“, schwärmt Alexander Sixt, „und allein der Vermietungsmarkt am Flughafen Orlando ist so groß wie der von Österreich, Schweiz und Süddeutschland zusammen.“ Innerhalb von fünf Jahren will Sixt in den USA auf eine Milliarde Euro Umsatz kommen.

Als weiteren Wachstumstreiber sieht Sixt die Zusammenführung von Mietwagen- und Carsharingflotte zu einem einzigen, per App buchbaren Angebot. So sollen die Autos besser ausgelastet werden.

Wachstum ist bei Sixt keine Frage des Ob, sondern nur des Wie. Ebenso wie den Vater scheint auch den Sohn jener unbedingte Wille anzutreiben, der echte Unternehmer ausmacht: immer weiter, immer größer. In seiner Zeit als Unternehmensberater bei Roland Berger hat Alexander Sixt in vielen Projekten gelernt, wie schnell Unternehmern ins Schleudern geraten: „Da geht der Umsatz ein bisschen zurück, dann springt der erste Großkunde ab, die Bank verschlechtert die Konditionen. Es kommt eine Spirale in Gang, in die möchte man nicht kommen.“ Nur durch Wachstum sei man trotz steigender Kosten in der Lage, dem Unternehmen und seinen Mitarbeitern eine Zukunftsperspektive zu geben.

Für die Liste der erfolgreichen Unternehmen hat BCG-Experte Moldenhauer drei gemeinsame Erfolgsfaktoren identifiziert: „Die Top-Ten-Unternehmen haben sich in der Rezession finanziell sehr schnell Luft verschafft, indem sie die Kosten gesenkt und ihre Finanzierung langfristig gesichert haben.“ Früher als andere hätten die erfolgreichen Unternehmen dann ab 2010 erkannt, dass die Krise vorbei sei, und ebenso entschlossen in eine zuvor definierte Wachstumsstrategie investiert. Dabei hätten sie sich auch die dauerhaften Niedrigzinsen in der Euro-Zone zunutze gemacht, um neue Investitionen günstig zu finanzieren.

Zur erfolgreichen Investitionsstrategie gehört laut Moldenhauer jedoch auch die entschlossene Desinvestition, der Verkauf von Geschäftsfeldern, die nicht mehr zur Unternehmensstrategie passen: „Unternehmertum definiert sich nicht nur durch das, was man macht, sondern auch durch das, was man künftig nicht mehr macht.“

Gleichzeitig hätten die erfolgreichen Unternehmen die nur vermeintlich weichen Faktoren Unternehmenskultur und Mitarbeiterengagement nicht vernachlässigt, „den Grundpfeiler aller Erfolge“. Jenseits dieser Gemeinsamkeiten zeige sich, dass die einzelnen Wege zum Erfolg sehr unterschiedlich ausfallen können. Moldenhauer: „Es gibt kein Patentrezept, um Wert zu schaffen.“

Sixt hat die Boomjahre genutzt, um die schrittweise Expansion in den USA voranzutreiben und die Verschmelzung von klassischer Autovermietung und Sharingmodellen vorzubereiten. Jungheinrich hat seine Organisation umgekrempelt, um sich einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen und so organisches Wachstum durch „Kultur und Disziplin“ zu ermöglichen, so Jungheinrich-Vormann Frey. Wachstum durch Übernahmen lehnt Frey ab: „Ein Großteil der Übernahmen geht schief und vernichtet Wert. Vor allem die Post-Merger-Integration kann ein Unternehmen komplett lähmen.“

Doch auch der gegenteilige Weg kann zum Erfolg führen, wie die Sartorius AG in Göttingen zeigt.

4. Erfolgsfaktor: Zukäufe

Vorstandschef Joachim Kreuzburg trägt das Haar länger als in deutschen Chefetagen üblich. Früher hatte er mit einer Karriere in der Wissenschaft geliebäugelt. Doch nach einem Maschinenbaustudium und einer Promotion in Wirtschaftswissenschaften befand er: „Jetzt habe ich lange genug Bildungseinrichtungen von innen gesehen.“ Er kommt 1999 als Controller zum Medizintechniker Sartorius und arbeitet sich innerhalb von 14 Jahren an die Unternehmensspitze vor.

Die Krise ab 2008 hat er „nicht als existenzbedrohend“ empfunden. Aber sie führte ihm eine Schwäche des Unternehmens vor Augen: Die damalige Mechatroniksparte war zu konjunkturabhängig, während der Finanzkrise und der folgenden Wirtschaftskrise gingen die Auftragseingänge und Umsätze in der Sparte rapide nach unten.

Die erste Reaktion lautete bei Sartorius wie bei den meisten anderen deutschen Unternehmen damals: die Kosten in der Problemsparte senken – betriebsbedingte Kündigungen inklusive.

Doch bereits während der Krise befasste sich Kreuzburg mit der Frage: „Was bedeutet die Krise für unsere langfristige strategische Aufstellung?“ Eine Schlussfolgerung: Sartorius würde einen Teil der Mechatroniksparte verkaufen, und zwar das konjunkturabhängige Geschäft mit Waagen für industrielle Anwendungen, das für ungefähr 40 Prozent des Spartenumsatzes stand.

Doch zunächst hieß es abwarten. Erst als die Auftragseingänge bei der Mechatronik wieder stiegen, wurde die Industriewägetechnik in einen eigenen Teilkonzern ausgelagert und so der Verkauf vorbereitet. Kreuzburg: „Mitten im Auftragseinbruch können Sie so eine Desinvestition ohnehin nicht umsetzen, da bekommen Sie keinen vernünftigen Preis.“ Erst 2014 war es so weit, die Industriewägetechnik ging an den japanischen Konzern Minebea.

Für Sartorius bedeutete der Verkauf den vorläufigen Abschluss einer strategischen Entscheidung, die bereits um die Jahrtausendwende gefallen war: die Konzentration auf Verbrauchsprodukte für die pharmazeutische und insbesondere biopharmazeutische Industrie.

„Einfach gesagt: Krebsmedikamente werden auch in einer Rezession benötigt“, so Kreuzburg. Der Bereich wachse langfristig und sei zugleich ein stabiles Geschäft, weil es sich „zu einem erheblichen Teil um Verbrauchsmaterialien und damit Wiederholgeschäft“ handele.

Mit einer größeren Akquisition 2007 und einer ganzen Reihe von kleineren Zukäufen in den Folgejahren hat Kreuzburg diese Strategie vorangetrieben. Bei der Auswahl der Zielunternehmen folgt er einer klaren Linie: Zugekauft werden nicht Kunden, Marktanteile oder geografische Präsenz – sondern in erster Linie Technologie und Know-how, um mit dem bestehenden Kundenstamm mehr Umsatz zu machen.

Zu den Bestsellern im Sartorius-Sortiment zählt heute der Einweg-Bioreaktor, in dem sich Zellkulturen ohne aufwendige und fehleranfällige Reinigung und Desinfektion züchten lassen. Dank solcher Produkte hält Kreuzburg an seiner ehrgeizigen Wachstumsprognose fest: „In der Mischung aus starkem organischen Wachstum und komplementären Akquisitionen glauben wir, unseren Umsatz auch in Zukunft etwa alle fünf Jahre verdoppeln zu können.“

Generell lässt es sich nicht ausschließen, dass die BCG-Studie an einem sogenannten „Survivor Bias“ leidet: Ins Ranking eingeflossen sind nur Unternehmen, die es heute noch gibt. Nicht jedoch jene, die wegen Insolvenz oder als Übernahmeobjekt aus dem Markt ausgeschieden sind.

Theoretisch wäre es möglich, dass die herausgefilterten Erfolgsfaktoren wie klarer strategischer Fokus und entschlossene Investitionen in Wachstum zu extremen Ergebnissen führen: zu außergewöhnlichem unternehmerischen Erfolg – oder eben Misserfolg. Moldenhauer hält das jedoch für wenig wahrscheinlich. Seiner Erfahrung nach scheitern nur wenige Firmen daran, dass sich eine klar definierte und entschlossen umgesetzte Strategie als falsch erweist.

„Die Väter des Misserfolgs im Management sind eher Attentismus, Kurzfristdenken, häufige Strategieschwenks oder die unzureichende operative Umsetzung einer einmal beschlossenen Strategie. Unternehmen scheitern nicht durch zu viel Unternehmergeist – sondern durch zu wenig“, so Moldenhauer.

Was an der Bestenliste auffällt: Fast alle der Top-Ten-Unternehmen besitzen einen dominierenden Aktionär. Für Moldenhauer ist das keine Überraschung: „Die erfolgreichen Unternehmen in unserem Ranking verfolgen in der Regel eine langfristige, auf mehrere Jahre angelegte Strategie. Die lässt sich leichter durchhalten, wenn sie von einem starken Ankeraktionär eingefordert und vorangetrieben wird.“ Erfolgreiche Unternehmen mit zersplittertem Aktionärskreis seien zudem anfälliger für Übernahmeangebote.

5. Erfolgsfaktor: Gesundschrumpfen

Zu einem Übernahmeobjekt hätte leicht auch das einzige ostdeutsche Unternehmen im Ranking werden können, die Jenoptik AG in Jena. „Es gab definitiv Momente, in denen man um die Existenz des Unternehmens fürchten musste“, sagt der im Mai 2017 angetretene Vorstandschef Stefan Traeger. Für den Optik- und Photonikspezialisten sei es teilweise schwierig gewesen, genug Kapital aus den laufenden Geschäften bereitzustellen. „Das war nicht nur ein großes Thema 2008 oder 2009, sondern beschäftigte uns auch davor und auch danach noch extrem.“

Die Jenoptik AG ist aus dem DDR-Kombinat Carl Zeiss Jena hervorgegangen und gehört zu den wenigen ehemaligen ostdeutschen Staatskonzernen, die bis heute überlebt haben. Von 1991 bis 2003 führte der frühere baden-württembergische Ministerpräsident Lothar Späth das Unternehmen, seit 1998 ist Jenoptik börsennotiert.

Noch immer reden sie bei Jenoptik respektvoll vom „Dr. Späth“, wenn es um die Ära des 2016 verstorbenen Übervaters geht. Doch in die Hochachtung mischt sich längst auch Kritik: „Dr. Späth hatte damals viel zusammengekauft, und man war dadurch losgelöst voneinander, ohne wirkliche Synergien tätig. Man hatte keine gemeinschaftliche Strategie“, so Thomas Fritsche, der langgediente Investor-Relations-Chef von Jenoptik.

Der Befreiungsschlag folgte gerade noch rechtzeitig vor der Finanzkrise. Jenoptik war 2005 ein Konzern mit zweieinhalb Milliarden Euro Umsatz, 2007 waren nur noch 500 Millionen Euro Umsatz übrig. Die Jenoptik trennte sich damals von Sparten wie den Gebäudeausrüstungen für Reinräume, der Weltraumsparte und der Fotovoltaik. In der Krise 2008 und 2009 ging es dann noch einmal auf 470 Millionen Euro Umsatz runter. Doch der Verkauf der Sparten, die nicht zum Kerngeschäft gehörten, war die Grundlage für den Erfolg von Jenoptik ab 2010.

Der promovierte Physiker Traeger, Jahrgang 1967, stammt aus Jena und ist nach einer internationalen Managementkarriere für den Chefposten bei Jenoptik in seine Geburtsstadt zurückgekehrt. Er hat den einstigen Gemischtwarenladen Jenoptik weiter fokussiert und in drei Sparten aufgeteilt. Das bisherige Rüstungsgeschäft hat Traeger ausgegliedert und zum Verkauf gestellt.

Als ostdeutsches Unternehmen will Traeger Jenoptik nicht verstanden wissen, sondern als „globales Unternehmen mit Standort Jena“. Die Stadt bietet in seinen Augen viele Vorteile, „vor allem das enge Netzwerk für Optik und Photonik, wo man viele Dinge auch mal in Zusammenarbeit zum Beispiel mit einem Fraunhofer-Institut ausprobieren und sich gegenseitig befruchten kann“.

Traeger sagt aber auch: „Wir müssen aufpassen, dass Thüringen ein weltoffenes Land bleibt.“ So müsse man attraktiv sein für Fachkräfte aus allen Himmelsrichtungen. „Es gab konkrete Fälle von Menschen mit Migrationshintergrund, die nicht zur Jenoptik kommen wollten aus Angst vor ausländerfeindlichen Übergriffen.“

6. Welche Firma wächst in der Zukunft?

Bei allen Unternehmen im Ranking muss man die Frage stellen, inwieweit die Erfolge der Jahre 2009 bis 2018 auch eine günstige Prognose für die Zukunft erlauben. Die BCG-Berater haben im Wesentlichen einen Konjunkturzyklus betrachtet: vom steilen Abschwung Anfang 2009 über die ebenso rasche Erholung, die dann in die zweitlängste Wachstumsphase in der Geschichte der Bundesrepublik mündete.

Nun gehen diese in vielerlei Hinsicht paradiesischen Zeiten für Unternehmen zu Ende. Nach Ansicht des Handelsblatt Research Institute (HRI) steckt Deutschland bereits in einer Rezession. „Ausgehend von der Autoindustrie hat sich die Schwäche ölfleckartig auf die anderen Industriebranchen ausgebreitet“, sagt HRI-Präsident Bert Rürup. Wie gehen die erfolgreichen Unternehmen mit dieser Situation um?

„Wir merken den Abschwung, aber wir wissen, was zu tun ist, auch wenn es richtig schwierig wird“, sagt der frisch bestellte Jungheinrich-Chefkontrolleur Frey. Auch die Sixt SE hat eine ausgearbeitete Krisenplanung. „Sobald wir die ersten Vorboten einer tatsächlichen Rezession sehen, würden wir entsprechende Maßnahmen umsetzen“, sagt Alexander Sixt. Dies betreffe „insbesondere die Reduzierung der Flotte und so weiter“.

Bei Siltronic hat Vorstandschef von Plotho schon die ersten Abwehrmaßnahmen eingeleitet: „Bereits jetzt haben wir die Zahl der Leiharbeiter um die Hälfte reduziert, schauen im Moment sehr genau, ob wir frei werdende Stellen in der Stammbelegschaft wieder besetzen. In den USA haben wir Mitarbeiter in unbezahlten Urlaub geschickt.“ Momentan sei die kurzfristige Entwicklung sehr schwer einzuschätzen, vor allem aufgrund des schwindenden Verbrauchervertrauens. „Aber wenn ich auf die nächsten fünf Jahre schaue, bin ich sehr zuversichtlich, dass die Nachfrage nach unseren Produkten weiter steigen wird.“

Noch gelassener angesichts des Abschwungs gibt sich Sartorius-CEO Kreuzburg: „Wenn ich heute bei irgendeiner Veranstaltung den konjunkturellen Ausführungen des Chefvolkswirts einer Bank lausche, dann interessiert mich das nur sehr begrenzt.“ Für sein Geschäft entscheidender seien andere Fragen: „Wo wächst unser Kernmarkt, in welcher Region, in welchen Anwendungsfeldern? Welche Technologien brauchen unsere Kunden? Welche Innovationen können wir auf den Markt bringen?“

Gegen böse Überraschungen sind auch gut geführte Firmen nicht gefeit. Aber: Das Management der Top-Ten-Unternehmen hat im Daueraufschwung die Hände nicht in den Schoß gelegt, als diese Versuchung nahelag. Insofern stehen die Chancen gut, dass diese Unternehmen auch den nächsten Abschwung meistern werden. Für langfristig denkende Anleger sind sie daher auf jeden Fall interessant. Eine genauere Analyse der zehn Aktien bieten wir auf den nächsten Seiten.

Mitarbeit: Anja Müller, Cornelia Zoglauer

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