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Deutsche haben Angst vor Altersarmut – zu Recht

Kaum etwas fürchten die Deutschen so sehr wie Altersarmut. Die Angst ist nicht unbegründet: Laut einer neuen Studie sind mehr Senioren arm als angenommen – und das Problem dürfte sich noch verschärfen.

Das Thema Altersarmut dominiert die Debatte, wieder einmal, kaum etwas fürchten die Deutschen mehr. Laut einer neuen Umfrage der Deutschen Bank fürchtet jeder Zweite sich vor Armut im Alter. Ebenfalls jeder Zweite rechnet gar mit einem Kollaps des deutschen Rentensystems innerhalb der nächsten zehn Jahre.

In die düstere Stimmungslage passt, dass die CDU neuerdings den mühsam errungenen Kompromiss zur Grundrente infrage stellt. Die sollte ja eben die Altersarmut bekämpfen. Als „sozialpolitischen Meilenstein“ feierte die SPD sie, als „wichtigen Schritt gegen die Altersarmut“. Doch nun macht CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer die Grundrente vom Verhalten der neuen SPD-Spitze abhängig.

Ohnehin bezweifeln die Bürger, ob die Grundrente im Kampf gegen Altersarmut wirklich etwas bringt, wie die Deutsche-Bank-Umfrage zeigt: Nur gut jeder Fünfte sagt, dass die Grundrente das Problem einer ausreichenden Altersvorsorge lösen könne.

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Vieles deutet darauf hin, dass sie recht haben. Um Grundrente zu bekommen, müssten die armutsgefährdeten Senioren schließlich mindestens 35 Jahre lang Rentenbeiträge gezahlt haben. Viele derer, die im Alter zu wenig Geld haben, erfüllen diese Voraussetzung jedoch nicht.

Das wird wiederum untermauert von einer neuen Untersuchung des Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) Berlin, die am Mittwoch vorgestellt wurde. Die Forscher widmen sich darin der Frage, wie viele Senioren Anspruch auf Grundsicherung im Alter hätten, diese jedoch nicht in Anspruch nehmen. Dabei haben sie auch erhoben, welche Bevölkerungsgruppen besonders betroffen sind.

Das Ergebnis: Insgesamt verzichtet über die Hälfte derer, die Anspruch auf Grundsicherung hätten, auf die staatliche Leistung. Dabei hätte mehr als jeder Zweite von ihnen Anspruch auf 200 bis 600 Euro mehr im Monat, jeder Fünfte gar auf mehr als 600 Euro.

Das Gros dieser Menschen, so darf angenommen werden, würde nicht von der Grundrente profitieren. Die Grundsicherung im Alter ist ja dazu da, die Lücke zwischen der Rente und dem Wert zu schließen, der im Sozialgesetzbuch als Existenzminimum gilt. Dieser ist von der individuellen Situation abhängig und entspricht dem Regelsatz von aktuell 424 Euro plus Wohnkosten plus eventuelle Mehrbedarfe, etwa bei einer Behinderung.

Laut Statistischem Bundesamt liegt die durchschnittliche Grundsicherung im Alter bei 808 Euro im Monat. Wer sie bezieht, muss jedoch im Gegenzug auf seine Einkünfte verzichten, weil etwa gesetzliche Rente und Grundsicherung komplett miteinander verrechnet werden. Ausgenommen sind allein Renten aus privater Vorsorge wie etwa Riester, die neuerdings zu 100 Euro anrechnungsfrei bleiben.

Nimmt man nun die Zahlen des DIW sowie die durchschnittliche Grundsicherung, so hat jeder Fünfte im Schnitt aktuell Alterseinkünfte von weniger als 300 Euro (865 Euro minus 600 Euro). Wer so geringe Ansprüche hat, hat sicher nicht 35 Jahre lang in die Rentenkasse eingezahlt – und hätte damit auch keinen Anspruch auf die neue Grundrente.

Weitere 50 Prozent der armen Rentner haben nach dieser Überschlagsrechnung eigene Einkünfte von 265 bis maximal 665 Euro. Entweder haben auch sie weniger als 35 Jahre gearbeitet und würden nicht von der Grundrente profitieren. Oder aber sie waren Niedrigstverdiener – und damit eigentlich die Zielgruppe der Grundrente.

Wie die „WirtschaftsWoche“ jedoch kürzlich gezeigt hat, landen ausgerechnet diese Niedrigstverdiener jedoch auch mit der Grundrente noch unterhalb des Grundsicherungsniveaus. Grund ist, dass sie mit der Grundrente Kranken- und Pflegeversicherung selbst zahlen müssten, mit der Grundsicherung jedoch nicht.

Die Angst vor Altersarmut, die so viele Deutsche umtreibt, ist also mehr als berechtigt, vor allem für Niedrigverdiener. Verstärkt wird das Problem dadurch, dass ausgerechnet sie viel zu wenig fürs Alter zurücklegen. Während bei Besserverdienenden mit einem Einkommen von 3000 Euro netto und mehr 80 Prozent stärker vorsorgen wollen, sind es bei denen mit 1500 Euro und weniger nur 58 Prozent.

Der mangelnde Sparwille liegt dabei nicht nur an mangelndem Einkommen. Selbst Niedrigverdiener geben an, dass sie bereit wären, sich für die Altersabsicherung im Heute einzuschränken. Stattdessen geht es um schiere Überforderung: Mehr als die Hälfte der Befragten gibt an, dass ihnen die angebotenen Vorsorgeprodukte nicht verständlich genug sind. Jeder Dritte findet gar das Thema Altersvorsorge generell zu komplex.

„Die Menschen stehen ein bisschen vor einer Nebelwand“, urteilt Thomas Hörter, Leiter Marktforschung der Deutschen Bank. Um den Nebel zu lichten, kann sich die Deutsche Bank vorstellen, das Produktangebot „möglicherweise etwas zu entschlacken“.

Auch das Thema wirtschaftliche Bildung in der Schule dürfte nun wieder in den Fokus rücken, ebenso wie die vielen Ideen, die private Vorsorge zu stärken oder gar verpflichtend zu machen. So lobbyieren etwa die Verbraucherzentralen schon lange für eine verpflichtende Betriebsrente.

Bei den verunsicherten Deutschen würde eine solche Idee auf fruchtbaren Boden fallen: Drei von vier Deutschen wünschen sich laut Verbraucherzentrale, dass der Staat ein Standardprodukt zur Altersvorsorge anbieten solle. Und zwei von drei Befragten gaben in einer Umfrage der Fondsgesellschaft Fidelity gar an, dass sie gern einen Teil ihres Gehalts automatisch fürs Alter zurücklegen wollen.

Die Deutschen, so scheint es, wollen zur Altersvorsorge gezwungen werden. Immerhin, andere Länder zeigen, dass solche Systeme durchaus funktionieren können: In den Niederlanden etwa gibt es eine verpflichtende betriebliche Altersvorsorge – und die durchschnittlichen Renten sind hier sogar höher als das letzte Gehalt.