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Das Ende der iPhone-Ära: Warum Apple so werden will wie Procter & Gamble

iPhone XR-Launch: Wie lange hält die Begehrlichkeit des iPhones noch an? (Foto: © Apple)
iPhone XR-Launch: Wie lange hält die Begehrlichkeit des iPhones noch an? (Foto: © Apple)

Neue Verschwiegenheit in Cupertino: Apple hat nach einem Rekordquartal völlig überraschend bekannt gegeben, künftig nicht mehr die Absatzzahlen seiner Hardwareprodukte zu kommunizieren. Tim Cooks Bruch mit der jahrzehntelangen Praxis seines Amtsvorgängers Steve Jobs versetzt die Wall Street in Aufruhr: Plötzlich sieht es so aus, als habe Apple etwas zu verbergen – nämlich das mutmaßliche Ende des iPhone-Wachstums.

Auf den ersten Blick war alles wie immer: Apple legte seine Geschäftsbilanz für das abgelaufene Quartal vor – und die Konsensschätzungen der Wall Street wurden mit Umsätzen von 62,9 Milliarden und einem Nettogewinn von 14,1 Milliarden Dollar erneut übertroffen – der Techpionier hatte wieder einmal standesgemäß ein Rekordergebnis erzielt.

Allein: Als Reaktion auf das Zahlenwerk erlitt die Apple-Aktie am Freitag mit einem Minus von 7 Prozent den größten Einbruch an einem Handelstag seit fast fünf Jahren – was einerseits an einem überraschend konservativen Ausblick auf das Weihnachtsgeschäft lag, andererseits aber auf eine Änderung in der Bilanzierung zurückzuführen ist, die Finanzchef Luca Maestri eher beiläufig verkündete.

Apple verzichtet künftig auf Ausweis der Geräteverkäufe in Stückzahlen

Ab dem Geschäftsjahr 2019, das bei Apple bereits seit Oktober läuft, wird der iKonzern nämlich keine Auskünfte mehr über die verkauften Stückzahlen seiner Hardware-Produkte geben – also darüber, wie viele Einheiten vom iPhone, iPad und den Macintosh-Computern in einem Quartal abgesetzt wurden.

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Für Anleger und Analysten waren die Geräteverkäufe in Stückzahlen seit Jahrzehnten das Herzstück einer Apple-Bilanz gewesen, über die im Vorfeld wilde Kaffeesatzleserei betrieben wurde. Doch in den vergangenen Quartalen fielen die Daten für Apple nicht mehr besonders erfreulich aus: Im abgelaufenen September-Quartal etwa musste der Techpionier aus Cupertino nach Stückzahlen einen Absatzrückgang beim iPad um 6 Prozent, beim Mac um 2 Prozent sowie eine Stagnation bei den iPhone-Verkäufen vermelden, die gerade noch 221.000 Einheiten zulegten und damit um 0 Prozent wuchsen.

Apple steigert Absätze durch Preissteigerungen

Für den wertvollsten Konzern der Welt ist das eine bemerkenswert schwache Ausbeute, zumal der Umsatz im Vergleichszeitraum trotzdem um 20 Prozent und die Gewinne gar um 32 Prozent zulegten. Woher das Wachstum kommt? Einerseits von den zweistelligen Zuwächsen der Servicesparte (+17 Prozent) und den der Unit „ Andere Produkte“ (+31 Prozent), in die vor allem die Absätze der Wearables Apple Watch und AirPods gebündelt sind.

Vor allem jedoch ist Apples heftige Preispolitik für das anhaltende Wachstum verantwortlich: Weil der Kultkonzern aus Cupertino mit den neuen OLED-Smartphones iPhone X, iPhone XS, iPhones XS Max Preisaufschläge von bis zu 300 Euro gegenüber den Vorgängermodellen aus dem Vorjahr erzielen kann, explodierten die Erlöse und Erträge noch einmal zweistellig.

Der iPhone-Superzyklus fällt aus, der Trend zeigt nach unten

Klar ist jedoch auch: Den Dreh an der Preisschraube dürfte Apple in den Folgejahren kaum weiter ausreizen können – ein iPhone mit Preisen über 2000 Euro erscheint selbst für Apple-Standards illusorisch. Der Bilanz-Effekt des zweistelligen Umsatz- und Gewinnwachstums dürfte damit spätestens im nächsten Jahr verpuffen, wenn der aktuelle Produktzyklus ausläuft, der es stückzahlenmäßig ohnehin nicht wie erhofft zum Superzyklus gebracht hat.

Seit drei Jahren stagnieren die iPhone-Verkäufe nunmehr zwischen 211 und 217 Millionen verkauften Einheiten – die bisherige Bestmarke stammt bereits aus dem Jahr 2015, als Apple mit dem iPhone 6 und 6 Plus zwei vollkommen neue Modellgrößen einführte.

Nach den Erfahrungen der vergangenen Jahre und Quartale erscheint es realistisch, dass dieser Verkaufsrekord noch länger, wenn nicht für die Ewigkeit bestehen bleiben dürfte, da Apple seine Hochpreisprodukte in erster Linie für die kaufkräftige westliche Welt produziert und sich der weltweite Smartphonemarkt in diesem Jahr erstmals rückläufig entwickelt.

iPhone-Verkäufe werden nicht mehr ausgewiesen, weil sie rückläufig sein dürften

In anderen Worten: Apples goldene Ära des iPhone-Wachstums, die den Techpionier vom 100 Milliarden-Dollar-Unternehmen zum wertvollsten Konzern der Welt mit Billionen-Bewertung gemacht hat, droht auszulaufen. Das lange erwartete „Peak iPhone“-Zeitalter scheint anzubrechen – eine neue Zeitrechnung, in der das iPhone seinen Wachstumszenit überschritten hat.

Genau das scheint Tim Cook erkannt zu haben. Die Konsequenz folgt in bester „Mad Men“-Manier: „Wenn dir nicht gefällt, worüber geredet wird, ändere die Unterhaltung“, lautet eines der bekanntesten Bonmots der Werbebranche. Genauso handelt der Apple-Chef nun, wenn er sich bei künftigen Bilanzen über seine verkauften Stückzahlen, zu deren Bekanntgabe Apple tatsächlich nie verpflichtet war, nun in Schweigen hüllt. Die Begründung dafür fällt am Ende zudem recht bizarr aus: Cook erklärte, an der Kasse im Supermarkt werde auch nicht nach der Menge der Waren im Einkaufswagen abgerechnet, sondern nach dem Preis der Produkte.

Analysten reagieren fassungslos

An der Börse sorgt die neue Verschwiegenheit jedoch erwartungsgemäß für Kopfschütteln. „Einige Leute werden nun denken, dass Apples iPhone-Absätze auf Jahresbasis sinken, denn es ist schließlich einfacher über Dinge zu sprechen, wenn sie gut laufen“, hielt Citigroup-Analyst Jim Suva Tim Cook in der Telefonkonferenz entgegen.

„Angesichts der großen Transparenz, mit der Apple seit über einer Dekade die iPhone-Stückverkäufe ausgewiesen hat, wird die Wall Street die Pille nur schwer schlucken können“, gab Analyst Daniel Ives von Wedbush Securities zu bedenken.

„Apples Verpflichtung gegenüber der Privatsphäre gilt nun auch für die iPhone-Verkäufe“, spottet etwa RBC Capital Markets-Analyst Amit Daryanan. Techanalyst Walt Piecyk von BTIG Research fügte zudem hinzu: „Es sieht natürlich aus der Sicht des Verbrauchers nicht gut aus, wenn Analysten künftig zunächst darüber berichten, dass der Durchschnittspreis zweistellig gestiegen ist“, erklärte Piecyk gegenüber der Financial Times.

Fokus auf Gewinnmarge und Servicesparte

Stattdessen hielt Finanzchef Luca Maestri Analysten einen neuen Knochen hin, nach dem sie springen sollen: Apple will künftig die Höhe der Gewinnmarge seiner Produktsparten ausweisen, die entsprechend der erhöhten Preise der neuen Luxus-iPhones, aber auch der teuren neuen Modelle des iPad Pro und Mac Book Air höher ausfallen dürften.

Apple versucht sich damit einerseits anderen Tech- und Internetunternehmen zu nähern, die mit höheren Multiplen an der Börse gehandelt werden: Microsoft, das unter Satya Nadella geschickt die Transformation zu einem Cloud-Unternehmen und Abonnementanbieter seiner Online-Dienste gelungen ist, Google, das dank seines skalierbaren Werbegeschäfts Traummargen einfährt und Amazon, das dank seines wachsenden Abonnentenstamms des Premium-Dienstes Prime und der boomenden Cloud-Sparte AWS Investoren bei Laune hält.

Apple, der ultimative Konsumgüterkonzern?

Vor allem jedoch scheint sich Apple mehr und mehr zu einem Konsumgüteranbieter wie Procter & Gamble wandeln zu wollen, als den etwa CNBC-Marktkommentator James Cramer den Techpionier schon länger sieht. „Ich mag diesen Schritt“, erklärte Cramer, der darauf hinwies, dass das Dow Jones-Mitglied auch nicht die Höhe seiner verkauften Rasierklingen nenne.

Vielmehr sei es der richtige Schritt für eine Neubewertung von Apple – weg vom klassischen Techkonzern, hin zu einem Konsumgüteranbieter, der mit einer höheren Multiplen bewertet werde. Apple wird aktuell mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 17,5 bewertet, Procter & Gamble mit einem KGV von 23,5.

Allein: An der Wall Street fand Cramers Botschaft wenig Gehör. Am Freitag büßte Apple mehr als 70 Milliarden Dollar an Börsenwert ein und konnte buchstäblich erst in letzter Sekunde die Billionen-Dollar-Bewertung retten, die es seit Anfang August innehat.