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Hohe Infektionsrate, fehlende Tests, Materialengpässe: Scharfe Kritik an Schweizer Regierung

Das Coronavirus hat die Schweiz fest im Griff – die Infektionsrate ist gemessen an der Einwohnerzahl höher als in Italien. Nun wächst die Kritik am Krisenmanagement der Regierung.

Den wichtigsten Satz ihrer Rede sagte Simonetta Sommaruga gleich viermal: „Jetzt muss ein Ruck durch unser Land gehen“, forderte die Schweizer Bundespräsidentin vergangene Woche – und zwar auf Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. In allen vier Landessprachen den richtigen Ton zu treffen, zählt noch zu den kleineren Herausforderungen für die Schweizer Bundespräsidentin.

Das Coronavirus hat die Eidgenossenschaft fest im Griff. Experten zählen mehr als 10.000 Fälle – gemessen an der Einwohnerzahl ist die Infektionsrate in dem Alpenland damit höher als bei den italienischen Nachbarn. Vor allem im Kanton Tessin an der italienischen Grenze ist die Lage ernst, die Intensivstationen sind überfüllt.

Anders als in Deutschland ist Bundespräsidentin Sommaruga kein Staatsoberhaupt – sie führt als Primus inter Pares lediglich die Sitzungen der Regierung, des Bundesrates also. Dort verantwortet die 59-Jährige das Ministerium für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation.

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Sommaruga und ihre Bundesratskollegen versuchen nun mit weitreichenden Maßnahmen wie der Schließung von Restaurants oder einem Versammlungsverbot, die Ausbreitung des Virus zu bremsen. Ein milliardenschweres Hilfspaket soll zudem die Wirtschaft stützen.

Angesichts der hohen Fallzahlen wächst die Kritik am Krisenmanagement der Regierung in Bern. Experten fragen sich, weshalb die Schweiz nicht entschlossener auf die Bedrohung reagiert hat. „Ich bin immer davon ausgegangen, dass wir in der Schweiz alles im Griff haben“, sagte etwa Michael Salathé, Epidemieexperte der renommierten ETH. „Ich habe geglaubt, dass wir für alle Eventualitäten vorbereitet sind und einen entsprechenden Plan aus der Schublade ziehen können, auch bei einer Pandemie.“

Die Realität aber sei eine andere gewesen. „Ich musste erkennen, dass ich in dieser Hinsicht naiv war.“ Schon im Januar sei absehbar gewesen, was auf die Schweiz zukomme. „Man hatte von außen nicht den Eindruck, dass der politische Wille bestand, alles zur Eindämmung der Pandemie zu tun.“

Zu viel abgewogen

Zum Teil erklärt sich die hohe Infektionsrate damit, dass die Schweizer mehr Tests durchführen als andere Länder – nur Musterschüler Südkorea liegt gleichauf. Aber viel Zeit wurde durch helvetische Besonderheiten vertan. Politiker wiegen das Für und Wider ihrer Entscheidungen sorgsam ab, es dauert seine Zeit. Das Virus hatte dadurch leichtes Spiel.

So gibt es in der Schweiz seit Jahren ein Epidemiengesetz, das dem Bund im Notfall große Kompetenzen einräumt. Doch die Regierung in Bern schreckte lange davor zurück, dieses Werkzeug auch zu nutzen. Die Folge war ein Flickenteppich, etwa beim Veranstaltungsverbot: Manche Kantone untersagten jeden Kaffeeplausch, während etwa in Züricher Nachtklubs weiter gefeiert werden durfte.

Vergangene Woche erklärte der Bundesrat nun die „außerordentliche Lage“. „Damit haben wir in der ganzen Schweiz einheitliche Regeln“, sagte Sommaruga, die ihre Landesgenossen ungewohnt streng zur Ordnung rief. Anders als in Deutschland ist die Bundespräsidentin kein Staatsoberhaupt – sie führt als Primus inter Pares lediglich die Sitzungen der Regierung. Das aber zu einer entscheidenden Zeit.

Die Krise drängt zum entschlossenen Handeln. Schon jetzt fehlen in der Schweiz die Schutzmasken, auch bestimmte Medikamente werden knapp. Und die Erfassung von Coronafällen wird verzögert, weil viele Arztpraxen noch immer Faxgeräte nutzen.

Sommaruga wollte eigentlich gar nicht in die Politik, sondern ans Piano: Nach der Ausbildung am Konservatorium von Luzern wurde sie Berufsmusikerin. Doch Anfang der 1990er beendete die gebürtige Zugerin ihre Musikerkarriere und engagierte sich beim Verbraucherschutz. Im Jahr 1999 zog sie für die Schweizer Sozialdemokraten in den Nationalrat ein. Sie gilt als eine der beliebtesten Politikerinnen des Landes.

Selbst Kritiker rechnen ihr hoch an, dass sie über Parteigrenzen hinweg Brücken baut. Eine Fähigkeit, die jetzt nötig ist: „Wenn es darauf ankommt, sind wir mehr als 26 Kantone und 8,5 Millionen Menschen“, schrieb sie den Schweizern in einem offenen Brief. „Wir sind ein Land. Und wir sind füreinander da.“