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Corona schweißt Intersport-Genossen zusammen

Der neue Vorstandschef tat sich lange schwer, seine Umbaupläne durchzusetzen. In der Coronakrise bleibt den Sporthändlern nichts anderes übrig, als sich zu wandeln.

Schon vor Ausbruch war der Sporthandel ein schwieriges Geschäft mit mageren Margen und gewaltiger Konkurrenz. Foto: dpa
Schon vor Ausbruch war der Sporthandel ein schwieriges Geschäft mit mageren Margen und gewaltiger Konkurrenz. Foto: dpa

Alexander von Preen nennt sie „Eigentümer-Calls“. Virtuelle Konferenzen, in denen der Vorstandschef von Intersport die drängendsten Probleme gemeinsam mit seinen Genossen bespricht. Mehrere Hundert Sporthändler informiert der Manager so regelmäßig seit Beginn der Coronakrise – am Anfang alle zwei Tage.

Die Pandemie lässt die Kaufleute zusammenrücken. Schon vor Ausbruch war der Sporthandel ein schwieriges Geschäft mit mageren Margen und gewaltiger Konkurrenz. Mit Corona allerdings hat sich die Lage dramatisch zugespitzt. Vielen Shops brachen die Einnahmen von einem Tag auf den anderen komplett weg.

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Nun müssen sich die Ladenbesitzer wandeln, ob sie wollen oder nicht. Am Onlinehandel kommt keiner mehr vorbei. Das riesige Interesse an den „Eigentümer-Calls“ zeige, dass die Genossen dazu bereit seien, erläuterte von Preen im Gespräch mit dem Handelsblatt: „Corona hat vielen Händlern die Augen geöffnet.“ Vor knapp zwei Jahren ist der ehemalige Kienbaum-Berater bei Deutschlands größter Sporthändlergruppe angetreten. Knapp 1000 selbstständige Kaufleute haben sich in der Intersport zusammengeschlossen. Sein Auftrag: den Niedergang stoppen und den Verbund fit für die Zukunft machen.

Sein Modernisierungskurs stieß aber auf massiven Widerstand. Noch am 9. März ließen ihn die Genossen auflaufen, also nur ein paar Tage bevor sie ihre Läden bundesweit schließen mussten. Auf der Generalversammlung verfehlte von Preen die erforderliche Dreiviertelmehrheit für eine geplante Satzungsänderung. 500 Euro monatlich wollte der Manager von jedem Mitglied für IT-Investitionen einsammeln. Ein Drittel der Händler sah zu jenem Zeitpunkt keinen Grund dafür und lehnte den Vorstoß ab. Die Woche darauf standen jene, die ohne Onlineshop wirtschafteten, blank da.

Ob das Votum heute immer noch so ausfallen würde? „Die Händler sehen jetzt, dass es darauf ankommt, über alle Vertriebswege anzubieten“, sagt von Preen. Mit den Digitalkonferenzen ist er nun so nah dran an seinen Anteilseignern wie nie. Es ist seine Chance, seine Pläne Woche für Woche zu erklären.

Die Intersport-Händler stehen von allen Seiten massiv unter Druck, und die wirtschaftliche Lage ist angespannt. In den ersten neun Monaten des Geschäftsjahres, es endet am 30. September, sei der Umsatz der Gruppe um rund zehn Prozent eingebrochen, so von Preen. Die mehr als 1400 zu Intersport in Deutschland gehörenden Geschäfte und Filialen setzten im vergangenen Jahr 2,9 Milliarden Euro um, drei Prozent mehr als im Vorjahr.

Es ist aber nicht nur das Virus, das den Kaufleuten zu schaffen macht. Denn schon lange erobern große, aber wendige Internetkonzerne wie Amazon und Zalando Marktanteile. Die börsennotierten Riesen verbuchten in Zeiten der Ausgangsbeschränkungen Rekordumsätze. Darüber hinaus investieren die Sportmarken in den eigenen E-Commerce und in Läden vor Ort. Längst sind es nicht mehr nur die weltweit führenden Anbieter Adidas, Nike und Puma, die dem Handel Konkurrenz machen. Auch mittelständische Outdoor-Ausrüster wie Mammut, Schöffel und Vaude sind bundesweit mit Geschäften und im Netz vertreten.

Decathlon überzieht das Land mit Sportsupermärkten

Zudem drängt Decathlon auf den deutschen Markt, und das ausgesprochen selbstbewusst. Die Kette richtet sich vor allem an preisbewusste Kunden und Familien und hat allein vergangenes Jahr ein Dutzend Sportsupermärkte in Deutschland eröffnet. Inzwischen kommen die Franzosen eigenen Angaben zufolge auf 83 Standorte und sind damit praktisch flächendeckend vertreten.

Wegen des scharfen Wettbewerbs und der Corona-Pandemie geben zunehmend sogar Handelsketten auf. Ein großer Teil der Filialen von Karstadt Sports wird schließen. Mit dem Aus vieler Karstadt- und Kaufhof-Warenhäuser verschwinden darüber hinaus Dutzende Sportabteilungen. Foot Locker macht zudem sämtliche Filialen der Kette Runners Point in Deutschland dicht.

Die Outdoor-Kette McTrek musste bereits im Frühjahr Insolvenz anmelden. Inzwischen haben Finanzinvestoren das Sagen. Gut ein Viertel der Geschäfte fällt weg. Und in München macht in bester Innenstadtlage am Marienplatz der Fußball- und Sneaker-Spezialist Sport Münzinger zu.

Natürlich geht es auch in diesen turbulenten Zeiten nicht allen Intersport-Händlern schlecht. Im Gegenteil: „In vielen kleinen und mittleren Städten liegen die Umsätze über Vorjahr“, sagt von Preen. Einzelne Sortimente wie Inline-Skates oder Hanteln seien sogar ausverkauft. In Einkaufszentren und den Innenstädten der Metropolen hingegen verlaufe das Geschäft eher schleppend; überall dort also, wo die Kunden größere Menschenansammlungen vermuten.

Über Wohl und Wehe eines Ladens entscheidet das Sortiment momentan noch viel mehr als sonst. Laufausrüstung, Fitness-Equipment und Outdoor-Artikel seien jetzt gefragt. Ladeninhaber, die sich auf Teamsport fokussiert haben, brauchen hingegen einen langen Atem. Schließlich sind alle Amateurligen derzeit ausgesetzt.

Experten erwarten, dass die Krise den Sporthandel massiv verändern wird. „Das ist ein Turbo für die digitale Transformation“, sagt Stefan Herzog, Unternehmensberater und Präsident des europäischen Sporthändlerverbands. Einerseits habe Corona gezeigt, wie wichtig moderne Kommunikationskanäle seien. Denn wer stets mit den Konsumenten in Kontakt geblieben sei, der sei besser ins Geschäft gekommen, als die Läden wieder öffnen durften. Andererseits sei der Internetvertrieb noch einmal wichtiger geworden. So habe sich der Onlineanteil am Umsatz innerhalb weniger Monate auf knapp 50 Prozent fast verdoppelt, schätzt Herzog, der einst die Sporthandelskette Sport Scheck geführt hat.

Um im Netz schlagkräftiger zu werden, hat Intersport jüngst ein neues Versandmodell eingeführt. Wer auf der Seite www.intersport.de bestellt, wird von dem am nächsten gelegenen Händler beliefert. So sollen die Wege möglichst kurz gehalten werden. In 500 Geschäften können die Konsumenten ihre im Netz georderten Artikel zudem abholen, wenn sie das wünschen. Click & Collect nennen das die Fachleute. „Das ist auch deshalb wichtig, weil es dem Händler die Chance bietet, neue Kunden anzusprechen“, sagt Markus Gunnesch, der Strategiechef von Intersport.

Das Bundeskartellamt unterstützt die neue Händlerplattform ausdrücklich. „Gerade für kleinere Händler ist es schwer, sich allein gegen große Onlinehändler wie Amazon und die Onlineshops der Hersteller zu behaupten“, sagte Andreas Mundt, der Präsident der Behörde. Das gemeinsame Onlineangebot unter der Marke Intersport biete den vornehmlich stationär tätigen Händlern eine attraktive Vertriebsalternative. Mundt: „Dies stärkt den Wettbewerb im Sportfachhandel und bedeutet für die Endkunden eine größere Einkaufsvielfalt im Onlinebereich.“

Die Internetoffensive reicht aber nicht. Von Preen drängt darauf, dass die Händler kräftig investieren. Dazu hat er schon vergangenes Jahr das Konzept „Best in Sports“ vorgestellt. Im Kern geht es darum, aus Intersport eine begehrte Marke zu machen – und zwar bei den Verbrauchern genauso wie bei den Lieferanten. In den Läden sollten die Kunden die besten Produkte mit dem besten Service bekommen, so die Vision des Unternehmenslenkers.

Eine Wette auf den nächsten Winter

Billig ist das nicht. Es geht um attraktivere Geschäfte, um Warenwirtschaftssysteme und um die Fortbildung der Mitarbeiter. Allein für den Ladenbau können da leicht sechsstellige Summen zusammenkommen. Das Konzept bedeutet aber auch, sich zu beschränken. Badekappen neben Fußballschuhen anzubieten, Wanderstiefel neben Tennisschlägern aufzureihen, das sei von gestern, meint Strategiechef Gunnesch. Fitness, Laufen sowie Outdoor sollen künftig im Zentrum stehen, dazu saisonal Bade- und Wintersportmode. Intersport will künftig zudem deutlich mehr Eigenmarken anbieten. Der Anteil soll sich auf ein Viertel mehr als verdoppeln. Eigenmarken sind besonders margenstark, vor allem aber lassen sie sich nicht so leicht mit den Angeboten anderswo vergleichen.

Es ist aber unklar, ob die Händler dafür in der Krise genügend Geld haben. Denn es dürfte ein schwieriger Herbst werden. „Bei vielen Händlern könnte die Kostenkeule zuschlagen, wenn die Kurzarbeit aufhört, die nächsten Lieferungen kommen oder Mietminderungen auslaufen“, warnt Funktionär Herzog. Bislang habe die Verbundgruppe den Wirtschaftseinbruch aber fast ohne Insolvenzen überstanden, behauptet von Preen. Das muss aber nicht so bleiben: „Es kann schon sein, dass es im vierten Quartal für den einen oder anderen Händler noch eng wird.“

Vor allem, weil es einem Glücksspiel gleicht, für den nächsten Winter zu planen. Bisher war für die Kaufleute entscheidend, ob es rechtzeitig kalt wurde und geschneit hat. Das ist natürlich immer noch wichtig. Aber das vor allem im Süden Deutschlands wichtige Geschäft mit Skiausrüstung hängt nun auch von der weiteren Entwicklung der Pandemie ab. Es ist fraglich, ob die Sportler bereit sind, sich Seite an Seite mit anderen Skifahrern in Gondeln und Lifte zu zwängen. Der Gedanke an Ischgl dürfte so manchen Urlauber von den gewohnten Winterferien abhalten.

Immerhin: „Krisen haben den Sport in der Vergangenheit stets beflügelt“, weiß Berater Herzog. Auf ein neues Auto verzichten die Leute momentan. Ein paar neue Joggingschuhe sind im Zweifel aber immer drin.