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Corona-Pandemie sorgt für „grüne Welle“ bei Konsumgütern

Die Pandemie hat bleibende Spuren im Konsumverhalten hinterlassen. Nachhaltige Produkte liegen im Trend. Die Industrie muss nun viel investieren.

Nudeln, Tiefkühlpizza, Klopapier, Seife: Hamsterkäufe haben im ersten Corona-bedingten Lockdown Anfang 2020 für eine hohe Nachfrage im Einzelhandel gesorgt. Konsumgüter des täglichen Bedarfs sind von der Politik als „systemrelevant“ eingestuft worden. Supermärkte und Drogerien blieben geöffnet, das gilt nun auch für den zweiten Lockdown. Und auch Fleischfabriken durften trotz vieler Covid-19-Fälle weiterproduzieren.

Doch abgesehen von einigen Profiteuren leidet die Konsumgüterbranche unter den Folgen der Coronakrise, auch im Jahr 2021. Die Schließung der Gastronomie und der Ausfall international besuchter Messen, von Volksfesten und Events beeinträchtigt die Ernährungsindustrie. Brauereien und anderen Getränkehersteller sind wichtige Absatzkanäle weggefallen. Coca-Cola etwa streicht weltweit 2200 Jobs, weil Umsatz und Gewinn eingebrochen sind. Bitburger und Radeberger kündigten einen Stellenabbau an. Noch härter trifft es die rund 1500 kleinen Brauereien. „Viele der familiengeführten Unternehmen stehen am Abgrund“, warnt der Deutsche Brauerbund.

„Das Wegbrechen im Außer-Haus-Markt, das gedämpfte Kaufverhalten der Verbraucher, aber auch die schwache globale Exportnachfrage und die Beschränkungen beim Import zeigten 2020 Wirkung“, konstatiert Stefanie Sabet, Geschäftsführerin der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE).

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Die Krise verändert den Markt. Wegen wirtschaftlicher Unsicherheiten erwartet Raphael Moreau vom Marktforscher Euromonitor International eine „steigende Preissensitivität“ – gerade in Deutschland. Diese könnte sich negativ auf Verkäufe von verpackten Lebensmitteln im Premiumbereich auswirken, meint der Nahrungsmittelexperte. Insgesamt prognostiziert Euromonitor, dass der deutsche Markt für Waren des täglichen Bedarfs 2021 bei Gesamtausgaben von rund 240 Milliarden Euro stagniert.

Auch Mirko Warschun, Leiter Konsumgüter und Handel der Beratung Kearney, erwartet eine höhere Preissensibilität bei Verbrauchern. „Etablierte Marken müssen sich zukünftig noch mehr Gedanken machen, wie sie ihre Kundenbindung erhöhen, damit die Kunden beim Kauf nicht ein kostengünstigeres oder leichter zugängliches Produkt bevorzugen.“

Homeoffice verändert Konsum

Auch etablierte Kosmetik- und Modeanbieter hat Corona zu einem grundlegenden Umdenken ihres Angebots gezwungen. „Im Homeoffice haben sich andere Outfits etabliert als im Büroalltag, und das Tragen von Masken hat massive Auswirkungen auf die Frage, welche Kosmetikprodukte überhaupt benötigt werden“, sagt Warschun. Ein Beispiel: „Die Covid-Pandemie hat die weltweite Nachfrage nach Hautpflege verstärkt“, beobachtet Branchenanalystin Magda Starula von Euromonitor. Und der Trend zu Homeoffice und Cocooning bleibt auch nach Corona bestehen.

Das veranlasst Hersteller wie Coty zum Umsteuern. Der Konzern setzte bisher vornehmlich auf Düfte oder dekorative Kosmetik. „Hautpflege ist ein stark wachsender Markt. Wir haben viel zu wenig Hautpflege im Sortiment“, sagte Coty-Manager Peter Harf im August und kündigte an, das Portfolio radikal umzubauen.

Die Pandemie hat bleibende Spuren im Konsumverhalten hinterlassen. Corona habe die Kunden besonders sensibilisiert für Regionalität, Fairness und Nachhaltigkeit, meint Konsumgüterexperte Michael Buttkus von der Beratung Horvath & Partners: „Wir beobachten geradezu eine grüne Welle.“ Nachhaltigkeit werde künftig zum „Hygienefaktor“ und damit essenziell für jedes Konsumgüterunternehmen. Buttkus betont: „Nachhaltigkeit und Profitabilität schließen sich nicht aus. Im Gegenteil: Nachhaltige Produkte werden vom Kunden mit einem Mehrwert assoziiert, der sich auch in erhöhter Zahlungsbereitschaft widerspiegelt.“

Der Bio-Händler Alnatura etwa konnte seinen Netto-Umsatz im Geschäftsjahr bis Ende September um 20 Prozent auf mehr als eine Milliarde Euro steigern. Bio-Kisten regionaler Anbieter erlebten einen Boom. Auch Abfüllstationen für unverpackte Produkte etwa in Drogeriemärkten sieht Warschun als Zukunftskonzepte.

„Wir stehen vor einem Jahr voller Innovationen und bedeutenden Durchbrüchen in der Ernährung“, glaubt Vince Macciocchi, Chef der Ernährungssparte des US-Konzerns ADM, der auch in Deutschland aktiv ist. 56 Prozent der Verbraucher weltweit versuchten, vermehrt Lebensmittel und Getränke auf pflanzlicher statt tierischer Basis zu konsumieren, ergab eine Studie von ADM. Neben Fleisch- und Milchersatz entstehen neue Kategorien wie Meeresfrüchte, Käse oder Eiweißsnacks auf Pflanzenbasis.

Deutschland als Pioniermarkt für nachhaltige Getränkeflaschen

Allein in Deutschland wurden laut Agrarmarkt Informationsdienst im ersten Quartal 2020 knapp 40 Prozent mehr Fleischersatzprodukte verkauft als im Vorjahr. Der Wursthersteller Rügenwalder Mühle machte im Juli 2020 erstmals mehr Umsatz mit veganen und vegetarischen Fleischalternativen als mit klassischen Produkten. Von Nestlé über Danone bis Unilever investieren Konzerne hohe Summen in tierfreie Trendprodukte wie Nuggets, Burger oder pflanzliche Joghurts, bisher noch Nischenprodukte.

Unilever etwa will den Umsatz mit pflanzenbasierten Fleisch- und Milchalternativen in fünf bis sieben Jahren auf eine Milliarde Euro steigern. „Menschen wollen sich bewusst, gesund und umweltschonender ernähren“, sagt Peter Dekkers, Unilever-Chef für den deutschsprachigen Raum. Dieser Trend habe sich seit Ausbruch der Corona-Pandemie deutlich beschleunigt.

Auch eine nachhaltige Verpackung und Produktion spielt bei Konzernen wie Nestlé, Henkel, Beiersdorf oder PepsiCo künftig eine zentrale Rolle. „Wir wollen einen Kreislauf für Verpackungen schaffen, damit Plastik nie mehr zu Müll wird“, sagt Silviu Popovici, CEO Europa von PepsiCo. Deutschland wird dabei weltweiter Pioniermarkt für nachhaltigere Flaschen. Als erster Getränkekonzern hierzulande will PepsiCo bis Ende 2021 nur noch recyceltes Plastik für Erfrischungsgetränke verwenden.

Dieses Umdenken ist nicht immer altruistisch, sondern auch durch strenge Vorgaben der Politik getrieben. Auf die Konsumgüterbranche rollt eine Welle neuer Regularien zu: So hat die EU-Kommission die Senkung der CO2-Emissionen erhöht, von 40 auf mindestens 55 Prozent bis 2030 gegenüber 1990.

„Die Verschärfung des Klimaziels stellt nicht nur die Unternehmen der Ernährungsindustrie, sondern auch die Lieferanten und Kunden vor eine Herausforderung“, sagt Sabet vom BVE. Hinzu kämen noch mögliche Belastungen durch eine Energiesteuer und den geplanten CO2-Grenzausgleichsmechanismus. Mitten in der Pandemie seien Unternehmen hier mit steigenden Kosten konfrontiert.

Einen Lichtblick sieht Sabet: Mit der Wahl von Joe Biden zum US-Präsidenten wächst die Hoffnung auf ein partnerschaftlicheres Verhältnis zu den USA. Seit Oktober 2019 erheben die USA 25-prozentige Strafzölle etwa auf deutsches Gebäck, Liköre, Weine. Die EU hat mit Gegenzöllen nachgezogen. Der Ernährungsverband hofft, dass mit Biden auch der Welthandel wieder in ruhigeres Fahrwasser kommt. „Für eine Branche, die ein Drittel ihres Umsatzes im Export generiert, wäre das essenziell.“