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Corona-Paket und Billionen-Haushalt: Was der EU-Gipfel genau beschlossen hat

Viel Geld für den Wiederaufbau, wenig Geld für die Digitalisierung: Worauf sich die Staats- und Regierungschefs im Einzelnen geeinigt haben – und was davon Kritiker entzürnt.

Die größten Nutznießer des Wiederaufbaufonds werden Italien, Spanien und Frankreich sein. Foto: dpa
Die größten Nutznießer des Wiederaufbaufonds werden Italien, Spanien und Frankreich sein. Foto: dpa

Es war der zweitlängste EU-Gipfel, den es je gab: Mehr als vier Tage lang verhandelten die 27 Staats- und Regierungschefs über die künftige Finanzierung der Europäischen Union. Eine Übersicht der Beschlüsse:

Wie groß ist das beschlossene Finanzierungspaket?
Das Paket umfasst insgesamt 1,8 Billionen Euro. Davon sind 1,074 Billionen Euro für den Mehrjährigen Finanzrahmen vorgesehen, also für den normalen EU-Haushalt in den sieben Jahren 2021 bis 2027, der sich aus den Beiträgen der Mitgliedstaaten speist. Die EU-Kommission hatte hier einst 1,1 Billionen Euro vorgeschlagen.

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Neu und historisch ist der Wiederaufbaufonds mit einem Volumen von 750 Milliarden Euro: Erstmals in ihrer Geschichte setzt die EU ein schuldenfinanziertes Konjunkturpaket auf. Es soll helfen, der pandemiebedingten Rezession entgegenzuwirken. Die Kommission wird ermächtigt, an den Finanzmärkten Anleihen zu begeben. Das Programm soll aber eine vorübergehende Ausnahme bleiben: Die Kreditaufnahme soll 2026 enden, und die Gelder sollen ausschließlich dafür genutzt werden, die Folgen der Coronakrise zu lindern. Eine dauerhafte Verschuldung verbieten die EU-Verträge.

Wie viel davon fließt als Subvention in die EU-Staaten?
Das Gesamtvolumen des Fonds entspricht dem Vorschlag von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, aber die Zusammensetzung hat sich geändert: Die Regierungschefs einigten sich nach verbissenen Verhandlungen darauf, die Summe der nicht rückzahlbaren Zuwendungen an die Mitgliedstaaten auf 390 Milliarden Euro zu begrenzen.

Von der Leyen hatte, ebenso wie Kanzlerin Angela Merkel und Präsident Emmanuel Macron, noch 500 Milliarden Euro vorgeschlagen. Dafür wurde das Volumen der Mittel auf 360 Milliarden Euro erhöht, die sich die Regierungen aus dem Topf als Hilfskredite leihen können. In der Summe macht das also 750 Milliarden Euro. Ökonomen bezweifeln aber, dass das Kreditvolumen ausgeschöpft wird. Bislang jedenfalls hat kein EU-Land Schwierigkeiten, sich an den Märkten selbst zu refinanzieren.

Die Höhe der Subventionen war das größte Streitthema bei dem Marathontreffen. Die Nettozahler Dänemark, Schweden, Niederlande und Österreich waren zunächst komplett dagegen. Gipfelgastgeber Charles Michel musste ihnen mehrfach entgegenkommen, um den Weg für eine Einigung zu ebnen. Merkel und Macron argumentierten hingegen, für bereits hochverschuldete Länder wie Italien brächten EU-Kredite allein wenig Erleichterung.

Welche Länder profitieren davon am meisten?
Die größten Nutznießer werden Italien, Spanien und Frankreich sein. Diese drei Länder waren bislang auch am härtesten von der Pandemie betroffen. Welches Land wie hohe Zuschüsse erhält, lässt sich noch nicht exakt beziffern. Italiens Ministerpräsident Giuseppe Conte rechnet mit 81 Milliarden an Subventionen aus dem Aufbaufonds, sein spanischer Kollege Pedro Sánchez erwartet 72,7 Milliarden Euro. Frankreich wiederum kalkuliert mit rund 40 Milliarden Euro aus dem Hilfstopf.

Die Mittel werden nach einem Verteilungsschlüssel vergeben, der sich in den Jahren 2021 und 2022 vor allem aus der Wirtschaftskraft und der Entwicklung der Arbeitslosigkeit in den vergangenen fünf Jahren ergibt. 2023 soll dann statt der Arbeitslosenzahlen die Wirtschaftsentwicklung der Vorjahre herangezogen werden, um die Coronafolgen abzubilden.

Wie wird das Geld verteilt?
Um Geld aus dem Fonds zu bekommen, müssen die Mitgliedstaaten nationale Reform- und Investitionspläne für die Jahre 2021 bis 2023 in Brüssel einreichen. Diese Pläne müssen erst von der EU-Kommission und dann vom Rat der Finanzminister mit qualifizierter Mehrheit genehmigt werden.

Die Auszahlung der Mittel soll in mehreren Tranchen erfolgen – abhängig von den Reformfortschritten in dem jeweiligen Land. Darüber entscheidet dann die Kommission nach Rücksprache mit dem Ministerrat.

Wenn ein Mitgliedsland Reformen in einem Empfängerland für unzureichend hält, kann es Einspruch einlegen. Dann muss die Kommission die Auszahlung erst einmal stoppen. Der Streit soll dann auf der Ebene der Staats- und Regierungschefs geschlichtet werden.

Müssen Regierungen um die EU-Gelder fürchten, wenn sie die gerichtliche Kontrolle untergraben?
Nein, jedenfalls nicht, wenn es nach Viktor Orbán geht. Der ungarische Premier verkündete an der Seite seines polnischen Kollegen Mateusz Morawiecki triumphierend, man habe „erfolgreich allen Versuchen widerstanden, die den Zugang zu EU-Geld mit rechtsstaatlichen Kriterien verknüpft hätten“. Beide nationalkonservativen Regierungen sind seit Jahren eifrig dabei, Justiz und Medien auf Linie zu bringen.

Die EU-Kommission hatte ein neues System vorgeschlagen, das Verstöße gegen die gemeinsamen Rechtsstaatsprinzipien durch die Kürzung von EU-Geldern ahnden sollte. Auch Merkel setzte sich dafür ein. Wegen des Vetos von Orbán und Morawiecki vertagten die Staats- und Regierungschefs die Entscheidung darüber aber.

Dafür gibt es heftige Kritik aus dem Europaparlament: Das Signal an Orbán und Co. sei verheerend, sagt der Grünen-Abgeordnete Daniel Freund: „Wir kritisieren euch in unseren Sonntagsreden, aber Konsequenzen braucht ihr keine zu fürchten.“ Derweil landeten weitere Milliarden der europäischen Steuerzahler in den Taschen des Orbán-Clans.

Wie modern ist der neue Haushalt?
Die von den „sparsamen Vier“ durchgesetzten Kürzungen gehen voll zulasten des EU-Haushalts – und dort besonders zulasten von Zukunftsprogrammen. Die Mittel für Forschungsförderung, Digitalisierung oder Verteidigung werden gegenüber dem Vorschlag der Kommission teils deutlich gekürzt.

Dass etwa für das Digitalprogramm in den nächsten sieben Jahren nur noch 6,8 Milliarden Euro zur Verfügung stehen sollten, sei „ein schlechter Scherz“, kritisiert der SPD-Europaparlamentarier Tiemo Wölken.

Die Gelder für die traditionellen Felder Landwirtschaft und Strukturfonds stockten die Staats- und Regierungschefs im Vergleich zum Ursprungsvorschlag noch auf, der auch nur moderate Kürzungen vorgesehen hatte. BDI-Hauptgeschäftsführer Joachim Lang kritisierte, die Chance zur Modernisierung des Budgets sei „damit vertan“ worden.

Und wie klimafreundlich?
Insgesamt sollen 30 Prozent des Wiederaufbaupakets und des siebenjährigen EU-Haushalts für Klimaschutz ausgegeben werden. Auf den ersten Blick bleibt die EU ihrer ambitionierten Klimapolitik also treu. Auch das Ziel der Klimaneutralität bis 2050 haben die Staats- und Regierungschefs erneut bekräftigt, ebenso die geplante Verschärfung des CO2-Reduktionsziels für das Jahr 2030.

Die Kürzungen im EU-Budget gehen aber dennoch zulasten des Green Deals: Für Kohleregionen und ihren Wandel nach dem Kohleausstieg sind etliche Milliarden weniger an Haushaltsmitteln vorgesehen. Die Kürzungen im Bereich Forschung dürften auch klimafreundliche Technologien betreffen, etwa für die CO2-freie Stahlherstellung. „Diese Einigung geht auf Kosten des Klimas“, kritisiert der klimapolitische Sprecher der Grünen im Europaparlament, Michael Bloss.

Wie sollen die nun aufgenommenen Schulden zurückgezahlt werden?
Die 750 Milliarden sollen über Schulden finanziert werden, die dann zurückgezahlt werden müssen. Damit wollen die Staats- und Regierungschefs noch vor Ende der neuen Haushaltsperiode 2027 beginnen. Woher die Mittel für die Tilgung kommen sollen, ist noch unklar.

Beim Gipfel wurde lediglich beschlossen, eine Abgabe auf nicht recycelbare Abfälle einzuführen, und zwar möglichst schon nächstes Jahr. Auf andere Abgaben konnten sich die Chefs nicht verständigen. Die Einnahmen aus dem Emissionshandel seien bereits im nationalen Haushalt verplant, sagte Merkel. An der Digitalsteuer müsse noch gearbeitet werden.