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Börsenjournalist Markus Koch: „Heiraten ist viel riskanter als ein Aktienkauf“

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Dirk Eusterbrock

Markus Koch ist mit 21 Jahren überschuldet, ohne Job und ohne Visum nach New York ausgewandert — und hat es dort geschafft. Seit zwei Jahrzehnten ist sein Gesicht jedem deutschen Privatanleger bekannt: Der heute 45-Jährige ist seit zwanzig Jahren Wall-Street-Korrespondent beim Nachrichtensender n-tv. Seine verständliche und nicht immer bierernste Berichterstattung lässt ihn unter den Börsenjournalisten glänzen.

Von der Finanzbranche wünscht er sich mehr Nähe und Bezug zu den Menschen. Experten und Laien müssen wieder eine gemeinsame Sprache finden, meint Koch. Was sie besser machen könnten und was bei seinem neuen Veranstaltungsformat „Auf der Couch“ (28. April, 19.30 Uhr, Rationaltheater München oder im Livestream bei den Kollegen von „finanzen.net“) passieren soll, hat er Business Insider auf der Anlegermesse Invest in Stuttgart erzählt.

Herr Koch, viele Menschen schrecken davor zurück, sich mit der Finanzwelt auseinanderzusetzen. Gehen wir falsch an das Thema heran?

Markus Koch: „Die Berichterstattung von den Börsen ist ein Leid. In den letzten zehn Jahren hat sich mit den Krisen die ganze Motorik des Marktes verändert. Was heute die Börse bewegt und damals bewegt hat, ist völlig anders. Aber wir reden immer noch darüber, als sei nichts passiert. Das müsste ganz neu gemacht werden.“

Wie denn?

Markus Koch: Bei mir geht es zuerst um den Menschen und erst danach um das liebe Geld.

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Geld und Liebe sind die emotionalsten Themen der Welt.

Ich habe die deutsche Bearbeitung der Dokumentation ‚Endstation Parkett‘ veröffentlicht, die zeigt, wie die frühere Generation der Börsenhändler — alles harte Jungs aus der Bronx oder Brooklyn, die sich durchgeschlagen haben — durch Technologie und smarte Mathematiker und Physiker vom Börsenparkett verdrängt worden sind. Da geht es nicht nur um Börse, sondern um Gefühle. Geld und Liebe sind die emotionalsten Themen der Welt. Damit lassen sich Geschichten erzählen, die die Menschen fesseln.“

Ist das auch Ihr Plan für den Gesprächsabend „Auf der Couch“ in München?

Markus Koch: Ja, wir haben Wert auf einen Ort gelegt, der völlig untypisch für die Bankenszene ist. Ich will dort keine weißen Hemden und Anzüge sehen. Es soll nicht steril sein. Ich will keine Experten befragen, die in Fachausdrücken aus dem Elfenbeinturm berichten. Ich will dasitzen, etwas Klavier spielen und über Geld plaudern. Nicht als Bedrohung, wie es von den Deutschen oft wahrgenommen wird. Geldanlage darf keine Belastung sein.“

Woher kommt die Abneigung der Deutschen gegenüber Aktien und Geld?

Markus Koch: Das lässt sich historisch begründen: Hier gab es Krieg, Hyperinflation und Geldentwertung. Für viele Menschen ging auch die Wiedervereinigung Deutschlands mit einer Entwertung ihres Habens einher. Wer Vermögen immer wieder neu aufbauen musste, ist weniger entspannt.“

Birgit & Markus
Birgit & Markus

Dirk Eusterbrock

Haben Sie eine Idee, wie diese Angst überwunden werden kann?

Markus Koch: Eine Idee wäre, die private Altersvorsorge zu ändern. Die Aktienquote ist bei der amerikanischen Bevölkerung vor allem deshalb höher, weil die Betriebsrenten oft genauso auf Aktien basieren, wie staatlich geförderte Investment-Sparpläne: Wer jedes Jahr ein bisschen was in Wertpapiere investiert, erhält staatliche Förderung. Auch ich mache das über meine kleine Firma ‚Wall Street Correspondents‘. Da kommt die Riesterrente schon etwas altbacken daher.“

Aber das amerikanische Modell birgt doch auch Risiken…

Markus Koch: …ein Leben ganz ohne Risiko bringt auch kein Wachstum. Die Altersvorsorge ist ja langfristig ausgelegt. Bisher gab es keine Phase, in der jemand nach 13 Jahren mit einem breit aufgestellten Aktienportfolio Verluste gemacht hat. Selbst, wenn derjenige direkt vor einem Crash gekauft hat. Pech hat nur der, der zum Zeitpunkt des Crashs kurz vor der Rente steht und zu 80 Prozent in Aktien investiert ist — was aber nicht Sinn der Sache ist.“

Ein anderes Altersvorsorge-Modell wäre ein Anfang, aber wie sollen wir eigentlich an die ganze Finanzwelt herantreten?

Markus Koch: Ich habe weder den Anspruch noch die Arroganz die Finanzwelt verändern zu wollen. Mir geht es darum durch Filme eine Brücke zwischen Experten und Privatanlegern zu schlagen. Es braucht einen anderen Blick: Entscheidend ist weniger, ob die Märkte gerade steigen oder fallen. Anleger sollten sich fragen: ‚Wer bin ich? Was will ich erreichen? Was ist meine Strategie?‘ Darum geht es auch bei Auf der Couch.“

Angst ist nichts Bedrohliches und findet vor allem im Kopf statt.

Und wenn ich dabei feststelle, dass ich einfach nur Angst davor habe, Geld an der Börse zu verlieren?

Markus Koch: Angst ist nichts Bedrohliches und findet vor allem im Kopf statt. Aus Angst lässt sich auch eine Anlagestrategie entwickeln. Es bedeutet letztlich, dass ein Aktienkäufer die Konsequenzen seiner Investition abwägt. Aber da gibt es noch eine größere Kraft: den Zwang.“

Den Zwang?

Markus Koch: Ja, wir wirtschaften ja alle, ob wir Angestellte oder Unternehmer, eine Bank oder ein Staat sind. Alle müssen schauen, wie sie über die Runden kommen. Wir leben in einer Zeit der Zwänge: Die Notenbanken sind zum Niedrigzins verdammt, die EU zu einem fragwürdigen Deal mit der Türkei. Und Anleger müssen ins Risiko gehen. Dauernd wird wiederholt, dass es keine Alternative zur Aktie gibt. Wenn man Menschen zu etwas zwingt, ist das Endergebnis oft kein gutes. Zu etwas gezwungen zu werden, hinterlässt auch an den Märkten bei vielen Anlegern ein mulmiges Gefühl und macht Angst.“

Wenn die Menschen also gezwungen sind: Wie sollten sie auf die Märkte schauen?

Markus Koch: Ich habe eine wilde Theorie: Wegen der voranschreitenden Technologisierung gewinnt die langfristige Geldanlage für Privatanleger an Bedeutung. Auch wenn Trader das nicht gerne hören: Im kurzfristigen Handel haben Privatanleger wenig zu suchen. Die Artificial Intelligence (deutsch: künstliche Intelligenz) wird das Rennen machen, was ich bedenklich finde. Aber warum als langfristig orientierter Anleger nicht eine Aktie von der Firma kaufen, deren Produkte man nutzt und achtet. Wenn Sie einen BMW fahren und BMW ganz toll finden, warum nicht auch die Aktie kaufen?

Letztendlich ist Heiraten riskanter als ein Aktienkauf: Nach 13 Jahren ist die deutsche Durchschnittsehe geschieden, aber ein breit aufgesetlltes Aktienportfolio ist risikofrei.“

Hilft die Finanzbranche dabei, eine neue Perspektive auf die Kapitalmärkte zu entwickeln?

Markus Koch: Es ist (verdammt noch mal) sogar die Aufgabe der Branche nicht nur Produktneuheiten zu veröffentlichen, und darüber zu sprechen, ob die Kurse steigen oder sinken werden. Beratung heißt in erster Linie, den Menschen an die Hand zu nehmen. Die Hallen sind bei Veranstaltung ja voll, die Leute wollen wissen, was sie tun sollen. Aber denen ist nicht damit geholfen, wenn ihnen erklärt wird, dass die Kerninflationsrate gerade bei meinetwegen 1,7 Prozent steht. Damit können viele nichts anfangen. Da wird aus einem Elfenbeinturm heraus kommuniziert.“

Die Reichen wurden superreich. Die Mittelschicht wurde ausgedünnt.


Dass die Leute nicht wissen, was sie tun sollen und Bedenken haben, ist auch durch die von den Notenbanken produzierten niedrigen Zinsen verursacht. Wird es Zeit für eine Zinswende, auch in Europa?

Markus Koch: Die US-Notenbank hätte die Zinswende viel früher einleiten sollen als vergangenen Dezember. Die Geldpolitik der letzten Jahre hat vor allem Investoren und die Wall Street begünstigt. Sparer werden bestraft und Lohnwachstum war in der breiten Bevölkerung kaum vorhanden. Die Reichen wurden superreich. Die Mittelschicht wurde ausgedünnt. Das spüren die Menschen im Geldbeutel. Das Volk hat nur bedingt partizipiert, auch in Europa nicht.

Der Unmut gegen das Establishment wächst.“

Was ist die Konsequenz?

Markus Koch: Donald Trump, Bernie Sanders, Occupy Wall Street und in Deutschland die AfD haben doch allesamt eines gemeinsam: Sie haben das Establishment ins Visier genommen, ob sie nun politisch links oder rechts stehen. Den hohen Zulauf haben sie, weil die Bevölkerung eine Veränderung erzwingen will. Bedauerlich ist, dass die Tea Party wie auch Trump und Co. die Menschen gegen ihre eigenen Interessen instrumentalisieren.“

Also schnell eine Zinswende, um das Volk zu beruhigen?

Markus Koch: Nein, nicht in Euro-Land und in den USA weiterhin sehr langsam. Was die japanische Zentralbank schon jetzt bemerkt, wird auch die EZB bald erkennen müssen: Der Negativzins facht Deflation an und zwingt Menschen zum vermehrten Sparen. Mit den Zinsen am Boden und der quantitativen Lockerung nahezu am Ende, müssen wir uns über Geldpolitik 3.0 Gedanken machen.

Im Fall einer Rezession sollte Geld jedenfalls weniger in den Finanzmarkt fließen und vermehrt direkt an Verbraucher und in die Infrastruktur und Konjunktur. Bisher versuchen die Notenbanken das Wachstum durch mehr Schulden zu stimulieren, was in einer hochverschuldeten Welt aber problematisch ist. Wird Geld direkt und gezielt weitergereicht, werden quasi nicht mehr Schulden, sondern Geld gedruckt. Da liegt dann auch das Risiko. Das Gleichgewicht ohne Hyperinflation zu halten, wird das Kunststück sein.“

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