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Bund-Länder-Gespräche zu Reiseregeln bringen keine Klarheit – Wirtschaft zeigt sich besorgt

Unklare Reiseregeln erschweren künftig Geschäftsreisen, zum Beispiel zwischen Berlin und Frankfurt. Das Vorgehen der Bundesländer ist dabei aber nicht einheitlich.

Unklar blieb bislang, wo in Deutschland das Beherbergungsverbot auch für einzelne Bezirke Berlins gilt. Foto: dpa
Unklar blieb bislang, wo in Deutschland das Beherbergungsverbot auch für einzelne Bezirke Berlins gilt. Foto: dpa

Schon am Mittwochmorgen war das Chaos perfekt. Geschäftsreisen von Berlin-Mitte nach Frankfurt oder nach Kiel? Sie werden plötzlich zum Problem, denn Hessen und Schleswig-Holstein hatten Beherbergungsverbote für Reisende aus Risikogebieten verhängt.

Als Risikogebiet gelten Städte und Landkreise, in denen die Zahl der Neuinfizierten pro 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen über 50 gelegen hat. Nach NRW-Städten wie Hamm und Remscheid teilte auch Bremen mit, die sogenannte Inzidenzzahl von 50 erreicht zu haben.

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Für Reisende aus solchen Risiko-Landkreisen und -Städten gilt künftig bundesweit ein Beherbergungsverbot. Darauf haben sich die Chefs der Staatskanzleien der Länder und Kanzleramtschef Helge Braun am Mittwochnachmittag verständigt. Davon kann man sich freitesten lassen, allerdings darf das negative Testergebnis nicht älter als 48 Stunden sein.

Der Beschluss spricht von „touristischen Reisen“. Wie einzelne Länder jetzt aber mit Reisenden umgehen, blieb dennoch unklar: Gleich fünf Bundesländer gaben Protokollerklärungen ab, dass sie eigene Regeln erlassen wollten, und Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) erklärte sich am Abend gleich komplett nicht einverstanden mit den Beschlüssen.

Unklar damit blieb ebenfalls, wo in Deutschland das Beherbergungsverbot jetzt auch für einzelne Bezirke Berlins gilt. In vier Berliner Innenstadtbezirken ist der Grenzwert seit dem Wochenende überschritten worden – mit dem Effekt, dass für manche Berliner die Frage der Reisefreiheit nach Frankfurt oder München nun daran hängt, ob in ihrer Straße die eigene Hausnummer noch zum Stadtteil Mitte oder schon zu Pankow zählt.

Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller hält ein Beherbergungsverbot für Reisende aus Corona-Risikogebieten auch in der Hauptstadt für denkbar – doch nicht schon jetzt. „Es ist sehr schwer nachzuvollziehen und zu kontrollieren, das muss man auch sagen. Es gibt ja auch Menschen, die privat irgendwo unterkommen. Wie geht man mit der Situation um?“, sagte Müller am Mittwoch der RBB-„Abendschau“.

„Insofern sagen wir, nachdem wir gerade gestern Abend neue Maßnahmen beschlossen haben für Berlin, die teilweise über Maßnahmen auf der Bundesebene hinausgehen, wir wollen das jetzt beobachten und dann gegebenenfalls darauf reagieren, auch mit so einem Beherbergungsverbot. Aber noch haben wir uns darauf nicht verständigt.“

Nach Hamburg und Düsseldorf dürfen alle Berliner bisher ungehindert reisen, Übernachtung inklusive: Es zählt die Inzidenz der gesamten Hauptstadt, nicht einzelner Bezirke. Umgekehrt dürfen nach Berlin anscheinend auch weiter alle kommen, auch aus Risikogebieten.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) wiederum kündigte für sein Bundesland an, dass auch für Besucher aus Berliner Hotspot-Bezirken das Beherbergungsverbot gelte: „Wer aus einem Risikogebiet kommt und hier Urlaub machen will, benötigt einen negativen Corona-Test – sonst gilt ein Beherbergungsverbot. Dies betrifft auch Berliner Bezirke, die wegen hoher Infiziertenzahl Risikogebiete sind“, tweetete er.

Keine Klarheit für Reisende

Es herrscht also auch nach den Bund-Länder-Gesprächen keine Klarheit für Reisende. Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach kritisierte denn auch die Länder und sagte, innerdeutsche Testpflichten und Beherbergungsverbote seien wenig sinnvoll. „Wir werden bald so viele betroffene Regionen haben, dass die Regel kaum umsetzbar, geschweige denn kontrollierbar ist.“

Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) befürchtet ebenfalls praktische Probleme. „Es nützt ja nichts, dass man aus den Hotspots, aus den großen Metropolen nicht ins Umland darf, wenn umgekehrt Menschen aus den Flächenländern selbstverständlich weiterhin in die Metropolen reisen, dort arbeiten, dort zum Teil eben auch in Klubs und Bars und Restaurants gehen“, beschrieb Tschentscher die Lage im ZDF-Morgenmagazin.

Die Reiseeinschränkungen haben jedenfalls nicht nur Auswirkungen auf Familien, die ihre Reisepläne für die Herbstferien jetzt hektisch ändern müssen, sondern auch auf die Wirtschaft insgesamt. Die Konjunktur war gerade dabei, sich von der Corona-Rezession des ersten und zweiten Quartals zu erholen.

Im dritten Quartal soll das Bruttoinlandsprodukt laut Ökonomenprognosen bereits wieder deutlich zugelegt haben, um mindestens sechs, vielleicht sogar mehr als neun Prozent. Zuletzt stiegen etwa die Auftragseingänge und die Exporte der Industrie deutlich an, auch wenn die Produktion in vielen Branchen im August noch bei 90 Prozent verharrte.

In der Dienstleistungsbranche allerdings hat sich der Wiederaufschwung seit dem ersten Anstieg der Infiziertenzahlen im August verlangsamt. Jetzt fürchten vor allem Hotels und Restaurants auch in Deutschland einen erneuten Einbruch ihrer Geschäfte.

Ingrid Hartes, Hauptgeschäftsführerin des Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga, kritisierte das „Regelungschaos“ am Mittwoch scharf . Vor allem die Frage, ob sich ein Gast vor seiner Ankunft in einem Risikogebiet aufgehalten habe, könnten Hoteliers gar nicht beantworten, sagt Hartes und fragt: „Wie soll man das überprüfen?“

Ökonomen erwarten, dass Konjunktur gedrückt wird

Aber auch in der Industrie, und dort vor allem im Maschinenbau, bereiten die vielen neuen Grenzregime Sorgen. Thilo Brodtmann, Hauptgeschäftsführer des Verbands VDMA, kritisierte, dass es in der Diskussion über Reisebeschränkungen bisher nur um touristische Reisen gehe und die Bedeutung beruflich bedingter Reisen ins Hintertreffen gerate.

„Im Maschinenbau sind Reisen existenziell und müssen weiter möglich bleiben“, sagte er dem Handelsblatt. „Ohne Wartungs- und Reparaturarbeiten stehen Anlagen in der ganzen Welt still oder können gar nicht erst aufgebaut und in Betrieb genommen werden“, sagte er. Nicht alles könne online erledigt werden. Auch für funktionsfähige Lieferketten seien berufliche Reisen mindestens innerhalb Europas unverzichtbar.

Das sieht der Handelsexperte Gabriel Felbermayr, Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW), genauso. „Der Aufbau des so notwendigen Vertrauens zwischen Geschäftsleuten erfordert häufig ein persönliches Kennenlernen. Dies ist umso wichtiger, je komplexer, langläufiger und größer die angedachten Transaktionen sind“, sagte er. Stärker als Inlandsreisen betreffe dies Geschäftsreisen ins Ausland.

In Deutschland scheint die zweite Welle steigender Corona-Fälle noch beherrschbar. Trotzdem erwarten Ökonomen bereits jetzt, dass sie auf die Konjunktur drücken wird. Sie dürfte zur Zurückhaltung der Verbraucher und damit zu weniger Konsum führen, befürchtet der Präsident des Ifo-Instituts, Clemens Fuest.

„Die in Deutschland bislang sehr kräftige wirtschaftliche Erholung dürfte sich im vierten Quartal deshalb deutlich verlangsamen“, sagte der Ökonom. „Einen zweiten Einbruch mit negativen Wachstumsraten im vierten Quartal sollte man aber vermeiden können, wenn die Pandemie unter Kontrolle bleibt“, ist Fuest optimistisch. Noch jedenfalls.

Die Gefahr einer unkontrollierten Entwicklung der Pandemie mit einem steilen Anstieg der Infiziertenzahlen wie im April geht aktuell von den Großstädten aus. Berlin insgesamt hatte seit Beginn der Pandemie bis vor drei Wochen bei der Inzidenz stets hinter München und Hamburg gelegen. Jetzt jedoch liegt die Hauptstadt mit 47,7 kurz hinter Bremen, dicht gefolgt von Frankfurt/Main mit 45,8.

Besorgniserregend an den Berliner Infiziertenzahlen des Robert Koch-Instituts (RKI) ist vor allem, dass sie vor drei Wochen exponentiell zu steigen begonnen haben. Private und öffentliche Partys gelten als Hauptursache der immer häufigeren Ansteckungen. Mit einer Sperrstunde und Alkoholverkaufsverboten in der Nacht gehen Berlin und Frankfurt ab nächstem Wochenende gegen die Pandemie vor.

Mit Agenturmaterial.