"Buchmörder" spaltet die Twitter-Gemeinde
Einem Twitter-Nutzer sind lange Bücher zu schwer, um sie jeden Tag zur Arbeit mitzunehmen. Deshalb, weil er sie auf dem Weg sonst gar nicht lesen würde, schneidet er die Wälzer in der Mitte durch. So muss er nur das halbe Gewicht schleppen. Twitter fragt sich nun: Ist das genial oder schrecklich?
Der Twitter-Nutzer Alex Christofi hat das Wörtchen „Lifehack“, also ein nützlicher Alltagskniff, wohl etwas zu wörtlich genommen. In einem Tweet vom Dienstag hat der Autor und Verlagsmitarbeiter aus London eine ganz eigene Lösung präsentiert, wie er dicke und schwere Bücher „transportabel“ macht, um sie beim täglichen Pendeln zu lesen: Er schneidet sie einfach in der Mitte durch. Dafür haben ihn seine Kolleginnen und Kollegen als „Buchmörder“ bezeichnet. Wohl überrascht von dieser Reaktion, fragte er deshalb Twitter: „Handhabt das sonst noch jemand so wie ich? Oder bin ich damit allein?“
Yesterday my colleague called me a 'book murderer' because I cut long books in half to make them more portable. Does anyone else do this? Is it just me? pic.twitter.com/VQUUdJMpwT
— Alex Christofi (@alex_christofi) January 21, 2020
Dazu hat Christofi ein Bild dreier Bücher veröffentlicht, die alle sauber entlang des Buchrückens durchtrennt sind. Als „Deckblätter“ für die nun offene Buchmitte hat er zwei Kartonseiten zurechtgeschnitten und mit Klebeband befestigt.
Von der Selbstüberschätzung, zu lange und schwere Bücher zu schreiben
Sein Tweet wurde innerhalb weniger Stunden viral. Mittlerweile stehen darunter über 15.000 Antworten, er gefällt zudem knapp 50.000 Nutzerinnen und Nutzer.
Dabei lassen sich die Reaktionen grob in zwei Lager einteilen: Die eine Twitter-Hemisphäre findet den Lifehack großartig und kann das zugrundeliegende Problem schwerer Bücher nachvollziehen. Eine Nutzerin etwa schreibt, dass sie „absolut einverstanden damit ist“, ein Buch zu teilen. Das würde außerdem die Hybris der Autorinnen und Autoren, die viel zu lange Werke verfassten, zurechtstutzen.
I really like this Alex, and am completely ok with it. In fact it undercuts (tish boom) their hubris in writing such a bloody long book in the first place
— Rhiannon L Cosslett (@rhiannonlucyc) January 21, 2020
„Das Ganze kam mir erst wie eine schlechte Idee vor. Dann habe ich the ‚Book of Dust‘ neben meinem Bett auf dem Nachttisch gesehen, das dort seit zwei Monaten unberührt liegt, weil es zu dick ist, um es mitzuschleppen“, stimmt eine andere Nutzerin zu.
This seemed like a bad idea until I looked at my bedside table where the Book of Dust has been sitting unread for 2 months because it’s too big to take to work and I don’t want to have to read a different book on the train. https://t.co/LBwP7SpRRd
— Calla Wahlquist (@callapilla) January 21, 2020
Ein weiterer Nutzer hat sogar einen Verbesserungsvorschlag für Christofis Praxis: Anstatt leere und graue Kartonseiten als provisorischen Einband zu nutzen, sollte er stattdessen „Autowerbung aus Magazinen“ ausschneiden und aufkleben. Dann könne er anderen erzählen, dass die Geschichte gerade eine Werbepause mache.
For the new binding, instead of cardboard you should use ads for cars from magazines, so you can tell people it’s just a commercial break in the story.
— -Boulet- (@Bouletcorp) January 21, 2020
Viele halten das Zerschneiden aber auch für grauenvoll
Die andere Twitter-Hemisphäre hingegen sieht darin vielmehr ein Verbrechen an der Kunst des Schreibens. Eine Nutzerin, die beim gleichen Verlag wie Christofi arbeitet, schreibt: „Ich hasse alles daran.“
I hate everything about this
— Aimee Oliver-Powell 🅾️🅿️ (@grr_aargh) January 21, 2020
Eine andere Nutzerin vergleicht das Zerschneiden eines Buches mit Terrorismus.
this is terrorism.
— hend amry (@LibyaLiberty) January 21, 2020
Andere haben mehr oder wenige praktische Fragen. Wie diese hier: „Wieso schneidest du das Buch der Länge nach und nicht horizontal auf?“ Oder: „Wie machst du das mit den Fußnoten in ‚Infinite Jest‘?“ Der Roman, im Deutschen unter „Unendlicher Spaß“ erschienen, hat knapp 400 Fußnoten – die die zahlreichen Figuren und Handlungsstränge erklären. Sie stehen allerdings am Ende des Werkes. Doch auch dafür hat Christofi eine (selbstgebastelte) Lösung:
My handy booklet pic.twitter.com/rsXn327ytp
— Alex Christofi (@alex_christofi) January 21, 2020
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit, aber...
Christofi hat die große Twitter-Aufmerksamkeit zudem für einen Aufruf genutzt. Er schreibt: „Ich will nicht euer Geld, stattdessen möchte ich das Rampenlicht nutzen, um zu sagen: Der Roman ‚Middlesex‘ ist großartig. Und lest mehr diverse Bücher. Die Welt ist groß und spannend.“
Die ganze Aufregung fasst zuletzt noch folgender Tweet recht passend zusammen: „Wieso hängen alle Menschen so sehr an den Büchern, die sie kaufen? Reißt doch den Einband auf, kleckert Zeug drauf, knickt Eselsohren rein, wen kümmert das, solange ihr nur lest? Den meisten Menschen ist es doch wichtiger, dass ihre Bücher im Schrank stehen und gesehen werden, anstatt sie einfach nur zu lesen.“
why are people so precious about the books they buy? crack the spine, spill stuff on it , dog ear pages who cares as long as you’re reading. swear to god people care more about the satisfaction of others seeing books on their shelf than actually having read them.
— just keatn now (no long name or anything) (@ktnfrqhr) January 21, 2020