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Boom-Geschäft Klopapier? Hinter Wepa liegt ein schwieriges Jahr

Auf einmal war der Hygienepapierhersteller aus Arnsberg 2020 systemrelevant – und geriet durch die Pandemie an seine Grenzen. Ein Gespräch über die Lehren der Krise.

Martin und Andreas Krengel (Foto: Wepa)
Martin und Andreas Krengel (Foto: Wepa)

Trotz des wochenlangen Klopapier-Ausverkaufs im Frühjahr 2020 hat der Hygienepapierhersteller Wepa im vergangenen Jahr nur knapp drei Prozent Umsatzwachstum verzeichnen können. Denn das Unternehmen macht inzwischen ein Fünftel seines Umsatzes mit Geschäftskunden. „Restaurants, Hotels oder Schulen brauchten während der Pandemie kaum Toilettenpapier“, sagt Martin Krengel.

Und als die Menschen die Rollen im März paketeweise horteten, hatte Wepa kaum Möglichkeiten, die Produktionskapazitäten zu steigern. „Wir haben an unseren 13 Produktionsstandorten europaweit schon davor rund um die Uhr gearbeitet, sieben Tage die Woche“, sagt er. Deshalb habe das Unternehmen vor allem auf noch stärkere Kooperationen mit den Handelsunternehmen gesetzt.

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Künftig will Wepa Effizienzgewinne vor allem durch die Digitalisierung realisieren. Möglich wird das durch vernetzte Maschinen, die helfen „Wartungsintervalle zu optimieren und Fernwartungen zu ermöglichen“, sagt Martin Krengel.

Ohne Kontakt: Einkauf am Automaten immer beliebter

Zum Jahresbeginn ist auch sein Sohn Andreas Krengel in den Vorstand des Arnsberger Unternehmens berufen worden. Gemeinsam mit seinem Vater Martin und zwei weiteren Vorständen führt er nun das von seinem Großvater gegründete Unternehmen weiter. Früher als geplant. Denn Andreas Krengel will den den Strategie- und Transformationsprozess bei Wepa zum richtigen Zeitpunkt mitgestalten „Und der ist jetzt“, sagt der Unternehmer.

Lesen Sie hier das komplette Interview:

Herr Krengel und Herr Krengel, mit einem Mal war Ihr Unternehmen im vergangenen Frühjahr systemrelevant, als die Menschen im ersten Lockdown ausgerechnet Toilettenpapier horteten. Was hat das mit Ihrem Unternehmen gemacht?

Martin Krengel: Wir haben an unseren 13 Produktionsstandorten europaweit schon davor rund um die Uhr gearbeitet, sieben Tage die Woche. Da gab es nicht viele Möglichkeiten, die Produktionskapazität zu erhöhen. Aber wir haben noch enger mit unseren Kunden, den Handelsunternehmen in ganz Europa, zusammengearbeitet, damit wir die erhöhte Nachfrage decken konnten.

Können Sie dafür ein Beispiel geben?
Martin Krengel: Wir haben etwa die Produkte gemeinsam auf standardisierte Produkte umgestellt. Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben Enormes geleistet. Unser Vorteil war, dass wir uns zwischen unseren 13 Standorten in Europa haben gegenseitig aushelfen können.
Andreas Krengel: Wichtig war eine klare Kommunikation und konsequentes Handeln: erstens den Schutz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit oberster Priorität sicherstellen. Zweitens die Versorgungssicherheit gewährleisten. Drittens sagen, was wir leisten können und was nicht. Besorgt hat unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der von uns vorhergesehene starke Nachfragerückgang im Sommer…

…weil die Kunden ja nur horteten und nicht mehr Bedarf an Toilettenpapier hatten.
Andreas Krengel: Nach der Hochphase in März und April folgte ein Auftragseinbruch in den Sommermonaten. Darüber hinaus ist unser wichtiges B2B-Geschäft unseres Wepa-Professional-Bereiches aufgrund der Corona-Lockdown-Maßnahmen um 30 Prozent eingebrochen.

Unterm Strich, war die Pandemie gut oder schlecht für Ihr Geschäft?
Martin Krengel: Sicherlich ist durch die Pandemie das Hygienebewusstsein der Verbraucher gestiegen. Aber durch den Absatzrückgang hatten wir 2020 ein leichtes Wachstum von unter drei Prozent.

Das ist weniger als gedacht!
Martin Krengel: Ja, der Professional-Bereich macht inzwischen rund 20 Prozent unseres Umsatzes aus. Restaurants, Hotels oder Schulen brauchten während der Pandemie kaum Toilettenpapier.

„Das Hygienebewusstsein wird weiter steigen“

War die Strategie, sich aufs B2B-Geschäft zu fokussieren, also falsch?
Martin Krengel: Nein, das Hygienebewusstsein wird weiter steigen, wenn man wieder auf Veranstaltungen oder in Firmen und Behörden gehen darf. Und Hygienepapiere werden die Lufttrockner weiter verdrängen, da sie nachweislich die hygienischere Lösung sind.

Andreas Krengel, Sie sind seit drei Jahren im Unternehmen, haben das Geschäft in Großbritannien mit aufgebaut, sind mit 32 Jahren im Wepa-Vorstand angekommen. Was haben Sie 2020 gelernt?
Andreas Krengel: Corona hat die Digitalisierung schneller vorangetrieben, aber vor allem das Verständnis von Führung verändert. Ganz oben standen und stehen in dieser herausfordernden Zeit Kommunikation und Transparenz: Wir haben Videobotschaften versendet, Führung aus der Ferne etabliert, wir haben unsere Leadership-Veranstaltung auf einer eigens entwickelten Plattform komplett digital und interaktiv gestaltet.

Hat Corona einen Einfluss auf Ihre langfristige Strategie?
Andreas Krengel: Trotz der Herausforderungen der Pandemie haben wir unser Strategieprogramm bis 2023 konsequent weiterverfolgen können und zum Beispiel in Start-ups investiert, um den Kontakt zum Endverbraucher zu stärken. Zudem haben wir unser eigenes Start-up Snyce aufgebaut, welches design- und nachhaltig-orientiertes Toilettenpapier ohne Plastikfolie unter anderem online vertreibt. Diese Investitionen zahlen auf die Erweiterung unseres Geschäftsmodells, auf weitere Hygieneprodukte und -lösungen ein.

Mit Ihrer Expertise hätten Sie auch in die Maskenproduktion einsteigen können …
Martin Krengel: Nein, in diesen Markt sind so viele gegangen. Wir haben uns entschieden, das anderen zu überlassen und uns auf das zu konzentrieren, was wir gut können.

Der Brexit ist nun vollzogen. Haben Sie nun trotzdem oder deswegen 85 Millionen in Großbritannien investiert und 75 Mitarbeiter zusätzlich eingestellt?
Martin Krengel: Großbritannien ist für uns ein wichtiger Markt, wir erwirtschaften dort 15 Prozent unseres Umsatzes im Consumer Geschäft. Das Potenzial dort ist groß, weil aktuell noch ein Viertel der Hygienepapierprodukte importiert wird ... Wir werden unsere Produktionskapazität mit der neuen Maschine verdoppeln und damit Versorgungssicherheit herstellen. Unsere klare Zielsetzung ist, dort zu produzieren, wo unsere Kunden sind.

„Die Finanzierung muss der Strategie folgen“

Sie haben 2010 einen Investor ins Unternehmen geholt, sich aber dank einer Landesbürgschaft wieder davon befreit. Jetzt finanzieren Sie Ihr Wachstum am Bondmarkt. Was können Familienunternehmen von Ihnen lernen?
Martin Krengel: Schon mein Vater, der Firmengründer, wusste, dass dieser Massengütermarkt Wachstum erfordert. Kurz nach der Jahrtausendwende haben wir uns entschieden, kein rein deutsches, sondern ein europäisches Unternehmen zu sein. Und wir sind mit unseren Kunden aus dem Handel ins Ausland gegangen. Damals kauften wir einen Wettbewerber, der so groß war wie wir. Ohne diesen Schritt wären wir nicht da, wo wir heute stehen. Unser Learning ist, sich frühzeitig mit der jeweiligen passenden Finanzierungsform auseinanderzusetzen, um bestmöglich die erforderlichen Schritte umsetzen zu können.

Aber Sie würden nun keinen Finanzinvestor mehr ins Unternehmen holen, oder?
Martin Krengel: Die Finanzierung muss der Strategie folgen. Mit unserer Strategie und in unserem volatilen Massengütermarkt fühlen wir uns über die Finanzierung am Bondmarkt wohler. Der ist langfristiger orientiert, da geht es weniger um die Unternehmenswertsteigerung, sondern um robustes Wachstum, das entspricht unserer Strategie und erleichtert auch die Zusammenarbeit mit den uns begleitenden Banken.

Wie hat sich der Digitalisierungsschub durch Corona bei Ihnen ausgewirkt? Wepa galt als Hidden Champion, auch weil Sie vor allem für die Handelsmarken Hygienepapier produzieren. Viele dieser unbekannten, aber umsatzstarken Unternehmen treten jetzt aus dem Hintergrund. Auch Sie?
Andreas Krengel: In der Vergangenheit war es ein Vorteil, dass wir unseren Weg ohne viel Aufmerksamkeit gehen konnten. Heute positionieren wir unsere strategischen Botschaften, wie unsere Nachhaltigkeitskompetenz, allerdings stärker in dem Markt und kooperieren hier mit Partnern in der Wertschöpfungskette und unter anderem auch mit Start-ups wie Goldeimer, das sich für Sanitärprojekte weltweit einsetzt.
Martin Krengel: Bei den Themen Rohstoff und Verpackung arbeiten wir eng mit unseren Lieferanten zusammen, tauschen Daten aus, arbeiten an gemeinsamen Produkten und Prozessoptimierungen. Wie zum Beispiel mit dem Maschinenlieferanten Körber.

Dabei geht es auch um Effizienzsteigerungen mit Möglichkeiten der Digitalisierung?
Martin Krengel: Wir entwickeln mit unseren Maschinenlieferanten Vernetzungen, insbesondere, um die Wartungsintervalle zu optimieren und Fernwartungen zu ermöglichen. Dies haben wir mittlerweile bei der Hälfte unserer Anlagen umgesetzt.

Wie hat sich der Digitalisierungsschub durch Corona bei Ihnen ausgewirkt?
Martin Krengel: Mit Wepa.digital haben wir eine Einheit mit zehn Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Düsseldorf, die das Kerngeschäft in allen Digitalisierungsfragen unterstützt. Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und alle Führungskräfte sollen die Digitalisierung verstehen und dort – wo sinnvoll – die Digitalisierung von Prozessen vorantreiben.

Was sind Ihre nächsten Ziele?
Andreas Krengel: Wir wollen bis 2023 der nachhaltigste und agilste Partner für persönliche und professionelle Hygienelösungen werden. Wir können in vielen Themen unseres Strategieprogramms auf einer sehr guten Basis aufsetzen. So sind wir bereits heute mit Hinblick auf unsere ökologischen Nachhaltigkeitsziele der europäische Marktführer zur Herstellung von Hygienepapieren aus Recyclingfasern.

Und Ihre neue Stiftung?
Andreas Krengel: Mit der gemeinnützigen und unternehmensverbundenen Wepa Stiftung stärken wir das, was uns als Unternehmerfamilie Krengel und Familienunternehmen Wepa ausmacht und uns in unserem täglichen Tun antreibt: gemeinsam Verantwortung übernehmen und Zukunft gestalten.

Martin Krengel, Sie haben 2015 bereits Unternehmensanteile an die dritte Generation übergeben. Warum?
Martin Krengel: Meine Brüder und ich haben nie in Stämmen gedacht. Die Übergabe der Anteile ist bei uns anders als in vielen anderen Familienunternehmen unabhängig vom operativen Nachfolgeprozess. Die Nachfolgegeneration soll aus der Gesellschafterposition heraus die volle Eigentümerverantwortung übernehmen.

Sie und Ihre Brüder haben seitdem überhaupt keine Anteile mehr?
Martin Krengel: Nein. Wir Brüder bilden aber einen Beirat, der die Gesellschafter in ihrer Eigentümerverantwortung berät und begleitet.

Eigentlich gibt es bei Ihnen die Regel, dass Familienmitglieder nur bei Vorstandsbefähigung – also direkt ganz oben ins Unternehmen einsteigen dürfen. Warum wurde bei Ihnen eine Ausnahme gemacht, Andreas Krengel?
Andreas Krengel: Wir hatten zu dem Zeitpunkt ein Projekt, um den Markt im Vereinigten Königreich aufzubauen. Und hier hatte mich mein Vater und die Familie gefragt, ob dies nicht der ideale Einstieg in das Familienunternehmen wäre.
Martin Krengel: Es war dann einfach der richtige Zeitpunkt und ein klar abgegrenzter Bereich, in dem sich mein Sohn beweisen konnte. Aber eben auch mit dem klaren Übereinkommen aller, insbesondere mit dem Aufsichtsrat unter Führung von Friedrich Merz, dass der nächste Schritt zwingend folgen muss.

Wäre es nicht wichtig gewesen, nach Studium, Praktika und dem Aufbau der Familien- und Beteiligungsholding noch in anderen Unternehmen zu lernen?
Andreas Krengel: Auch außerhalb des eigenen Familienunternehmens Erfahrungen zu sammeln halte ich für sehr wichtig. Für mich gab es aber zwei Beweggründe, mich früher als geplant in unser Familienunternehmen einzubringen. Einerseits der Wunsch aus der Familie, und meiner selbst, die Verantwortung für die Weiterentwicklung der Unternehmerfamilie zu übernehmen. Andererseits geht es mir darum, auf der Unternehmensseite den Strategie- und Transformationsprozess bei Wepa zum richtigen Zeitpunkt mitgestalten zu können. Und der ist jetzt.

Die Herren Krengel, vielen Dank für das Interview.

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