Werbung
Deutsche Märkte geschlossen
  • DAX

    18.161,01
    +243,73 (+1,36%)
     
  • Euro Stoxx 50

    5.006,85
    +67,84 (+1,37%)
     
  • Dow Jones 30

    38.239,66
    +153,86 (+0,40%)
     
  • Gold

    2.349,60
    +7,10 (+0,30%)
     
  • EUR/USD

    1,0699
    -0,0034 (-0,32%)
     
  • Bitcoin EUR

    58.879,63
    -1.433,43 (-2,38%)
     
  • CMC Crypto 200

    1.304,48
    -92,06 (-6,59%)
     
  • Öl (Brent)

    83,66
    +0,09 (+0,11%)
     
  • MDAX

    26.175,48
    +132,30 (+0,51%)
     
  • TecDAX

    3.322,49
    +55,73 (+1,71%)
     
  • SDAX

    14.256,34
    +260,57 (+1,86%)
     
  • Nikkei 225

    37.934,76
    +306,28 (+0,81%)
     
  • FTSE 100

    8.139,83
    +60,97 (+0,75%)
     
  • CAC 40

    8.088,24
    +71,59 (+0,89%)
     
  • Nasdaq Compositive

    15.927,90
    +316,14 (+2,03%)
     

5G oder WLAN – Wie sollen autonome Fahrzeuge miteinander kommunizieren?

Der Brief trudelte am vergangenen Freitag bei Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) ein. Im Briefkopf fanden sich die Logos des deutschen Premiumherstellers BMW und des Telekommunikationsriesen Deutsche Telekom AG, Unterzeichner waren keine Geringeren als die beiden Vorstandsvorsitzenden, Harald Krüger und Timotheus Höttges.

Scheuer mochte beim Anblick der Namen schon ahnen, worum es ging: Sowohl BMW als auch die Telekom fürchten um ihre Chancen auf einem wichtigen Zukunftsmarkt: dem des vernetzten Fahrens. In Zukunft, so die Hoffnung, werden Autos untereinander kommunizieren. Die Frage ist: Wie kommen die Daten von A nach B?

„Sehr geehrter Herr Minister, lieber Herr Scheuer“, begannen Krüger und Höttges im freundschaftlichen Ton, um danach aber unmissverständliche Forderungen aufzustellen. Schließlich droht aus ihrer Sicht Gefahr aus Brüssel. Um dem Ganzen Nachdruck zu verleihen, schickten sie gleich noch Kopien an Kanzleramtschef Helge Braun, Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier und Scheuers Parteichef, den CSU-Vorsitzenden und Ministerpräsidenten des BMW-Heimatlandes Bayern, Markus Söder.

Auch die Chefs der Fraktionen im EU-Parlament erhielten Kenntnis. Für die Autohersteller und die Netzbetreiber steht viel auf dem Spiel. Die Vernetzung der Fahrzeuge, der Austausch von Daten in Echtzeit sind die Voraussetzung für das autonome Fahren. Wer diese Technik beherrscht und Standards setzt, kann dem Markt seine Bedingungen diktieren.

WERBUNG

Ganz entscheidend für dieses Zukunftsfeld ist die Regulierung: Die EU-Kommission will europaweit einheitliche Bedingungen für das vernetzte Fahren festlegen. Schnell und breit wollen die Kommissare die Technik ausgerollt sehen. Dann können die Autos untereinander und mit der Infrastruktur kommunizieren – um beispielsweise vor Gefahren zu warnen.

Der bislang präferierte Weg ist eine Übertragungstechnologie, über die kooperative intelligente Verkehrssysteme (C-ITS) nach einem gemeinsamen Sicherheitsprinzip (EU security trust model) zertifizierte Nachrichten austauschen. BMW und Telekom sehen darin eine Richtungsentscheidung.

Der Streitpunkt: Die Kommission legt in ihrem Rechtsakt eine Technologie als Referenzpunkt fest – die auf WLAN basierende Technik ITS-G5. Die Behörde begründet dies damit, dass allein diese Technik bereits in der Praxis erprobt und zertifiziert sei. Allerdings will sie weiter offen für neue Technologien sein: Sobald weitere Technologien einsatzbereit und getestet seien, würden diese „so schnell wie möglich“ ebenfalls in den Rechtsakt aufgenommen, sagte ein EU-Beamter.

Unternehmen sehen 5G ausgebremst

Doch die Unternehmen sehen mit der Entscheidung den neuen Mobilfunkstandard 5G ausgebremst. „Unsere Forderung nach Technologieneutralität an die EU-Generaldirektion Move und EU-Verkehrskommissarin Violeta Bulc wurde trotz wiederholter Kritik – auch von Kommissions-Vizepräsident Andrus Ansip – nicht im Rechtsakt berücksichtigt“, klagen Krüger und Höttges.

Allein sind sie mit dieser Einschätzung nicht. Daimler, Ford und die französische PSA-Gruppe sowie die Chiphersteller Intel, Qualcomm und Samsung bildeten eine Allianz mit den Telekommunikationsunternehmen, zu denen auch Vodafone gehört. Schließlich gehe es um einen „der wichtigsten 5G-Anwendungsbereiche“.

Die 5G-Allianz setzt auf die chinesische C-V2X-Technologie, Volkswagen hingegen auf die alternative WLAN-Technik. VW baut bereits mit Siemens eine Testanlage in Wolfsburg und will schon im kommenden Frühjahr die ersten Fahrzeuge auf den Markt bringen, die über WLAN kommunizieren können.

Auch Volkswagen hat eine eigene Allianz gemeinsam mit Toyota und dem Chiphersteller NXP gebildet. In einem Schreiben an die Abgeordneten des Europaparlaments führen die Wolfsburger ihre Argumente ins Feld: Der seit fast zwei Jahrzehnten in den USA und Europa erprobte Standard sichert eine schnelle Übertragung zwischen Autos auf eine Entfernung von einigen Hundert Metern. Im Gegensatz zu C-V2X sei WLAN marktreif und könnte sofort ausgerollt werden.

Genau das bestreiten Krüger und Höttges. „C-V2X kann die bestehende LTE-Basisinfrastruktur nutzen, die Wi-Fi-Technologie dagegen nicht“, schreiben sie an Scheuer. „Deutschland sollte im Rat darauf dringen, dass der delegierte Rechtsakt in der jetzigen Form von der EU-Kommission zurückgezogen und neu vorgelegt wird – in einer tatsächlich technologieneutralen Form“, fordern sie. Mehr noch: „Sollte Deutschland kein Veto gegen den Rechtsakt im Rat einlegen, wäre das de facto eine Entscheidung gegen die 5G-Technologie.“

Huawei dominiert den 5G-Standard

Für die WLAN-Technologie spricht aus Sicht der Kommission indes ein zentrales Argument: „Wir werden diejenigen sein, die einen Standard setzen“, heißt es in EU-Kreisen. ITS-G5 basiere im Wesentlichen auf europäischer Technik, während die Konkurrenzplattform LTE-V2X in China entwickelt werde – und zwar maßgeblich vom ins Visier der Sicherheitsbehörden geratenen Anbieter Huawei.

Das sehen nicht alle so. Der Verkehrsausschuss hatte die Vorlage der Behörde vergangene Woche knapp mit 19 zu 16 Stimmen abgelehnt, an diesem Mittwoch wird nun das Plenum abstimmen. Lehnt auch dort eine Mehrheit den Rechtsakt ab, müsste die Kommission noch einmal von vorn anfangen. Das würde mindestens zwei Jahre Verzögerungen bedeuten, heißt es in Brüssel.

Entsprechend glauben die Experten nicht, dass das Vorhaben scheitert: Der verkehrspolitische Sprecher der Sozialdemokraten im Europaparlament, Ismail Ertug, berichtet, die 5G-Allianz habe zuletzt zwar viel Lobbyaufwand betrieben und die Abgeordneten intensiv bearbeitet.

„Ich gehe aber davon aus, dass der Vorschlag der Kommission im Plenum durchgehen wird“, sagte der SPD-Politiker. Er werde seinen Kollegen jedenfalls empfehlen, für den Vorschlag zu stimmen. „Wir können nicht warten, bis 5G verfügbar ist“, sagte er. Die Netzabdeckung mit dem schnellen LTE-Standard sei heute meist nur auf die Städte begrenzt, „viele Menschen auf dem Land könnten deshalb nicht von den Vorteilen des vernetzten Fahrens profitieren“, argumentiert er.

In der Tat dauert es noch, bis an allen Verkehrswegen LTE zur Verfügung steht. Bei der laufenden Auktion der neuen Funkfrequenzen für den Mobilfunkstandard 5G hatten Politiker des Bundes und der Länder zuvor strenge Versorgungsauflagen für jeden erfolgreichen Bieter durchgesetzt, damit sie von der Autobahn bis zur Kreisstraße in den kommenden sechs Jahren den 4G-Standard ausbauen.

Scheuer will sich nicht positionieren

BMW hält es für die Kunden und die eigene Kalkulation für unzumutbar, wenn in Autos sowohl WLAN als auch 5G-Technik verbaut werde. Und Minister Scheuer? Er vermeidet es, sich im Streit der Autobauer und Telekommunikationsunternehmen zu positionieren.

Dabei wurde er auch schon vor dem Brief indirekt unter Druck gesetzt: So hat sich eine Arbeitsgruppe der Regierungskommission „Nationale Plattform Zukunft der Mobilität“ bereits positioniert und in einem Papier Technologieoffenheit gefordert. Auch hier sind die Rollen verteilt. Die Arbeitsgruppe leitet BMW-Vorstand Klaus Fröhlich.

Allerdings stellt Scheuers Haus klar, dass der Rechtsakt der Kommission eine Öffnungsklausel enthält, „nach der beispielsweise die Nutzung von LTE-V2X möglich wird, wenn für diese Technologie die noch notwendige Standardisierung abgeschlossen und Rückwärtskompatibilität gewährleistet ist“.

Sollte das Parlament für den Rechtsakt votieren, werde der Rat im Einspruchsverfahren beraten, hieß es im Ministerium weiter. Da der juristische Dienst des Rates „im Nachgang zur Ratsarbeitsgruppensitzung am 5. April juristische Bedenken geltend gemacht“ habe, müssten diese zunächst geprüft werden, „bevor sich die Bundesregierung eine finale Meinung bilden kann“.

Bis zum 13. Mai läuft die Frist für den Ministerrat. Laut EU-Diplomaten halten sich Befürworter und Kritiker des WLAN-Vorhabens die Waage. Die Schwelle für eine Ablehnung des Kommissionsvorschlags liegt aber hoch: Mindestens 16 der 28 Mitgliedstaaten müssen dagegen stimmen – und dabei mindestens 65 Prozent der Gesamtbevölkerung repräsentieren. Entsprechend kommt es auf das bevölkerungsreichste EU-Mitglied Deutschland an.