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Wie es Biden und Harris gelang, Trump das Präsidenten-Amt zu entreißen

Die US-Wahl 2020 war ein unwürdiges Schauspiel. Am Ende siegten die Demokraten Joe Biden und Kamala Harris. Sie könnten genau die Richtigen sein, die die USA jetzt brauchen.

Am 20. Januar 2021 übernimmt Joe Biden das mächtigste Amt der Welt von einem Vorgänger, der nicht verlieren kann: Im Weißen Haus löst er US-Präsident Donald Trump ab, der über Wochen immer wieder seinen eigenen Sieg erklärte, Wahlbetrug anprangerte und das Funktionieren der demokratischen Prozesse infrage stellte.

Präsident Biden und an seiner Seite Vizepräsidentin Kamala Harris übernehmen die beiden höchsten Staatsämter in einem zutiefst erschütterten Land. Donald Trump könnte ihnen vier Jahre im Nacken sitzen, denn er liebäugelt mit einer Rückkehr 2024.

Die Weltmacht Amerika ist nach vier Jahren Trump-Präsidentschaft zutiefst gespalten und polarisiert: zwischen Arm und Reich, Stadt und Land, Küste und Hinterland, zwischen Rassen, Religionen und politischen Gesinnungen. Viele Amerikaner sorgen sich um ihre Existenz. Zum Jahresende 2020 sind mehr 30 Millionen Arbeitslose registriert. Die Pandemie hat Hunderttausende von Opfern gefordert, nachdem Trump die Gefahr des Covid-19-Virus bis zu seiner eigenen Erkrankung geleugnet hatte.

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Biden und Harris werden in ihrer Amtszeit enorme Kraft nach innen richten müssen. Sie werden sich besonders auf diejenigen konzentrieren, die für den noch amtierenden US-Präsidenten gestimmt haben, weil sie sich von ihm verstanden und vertreten fühlen. Trump hat die Steuern gesenkt, gegen die Globalisierung gekämpft und erzkonservative Richter ernannt.

Er hat eine Rekordzahl an Wählern an die Urnen gebracht, vor allem in ländlichen Gebieten, darunter viele farbige. Für sie und mit ihnen, so sein Versprechen, wollte er Amerika wieder stark machen. Dass er schamlos lügt, sich selbst widerspricht, polarisiert, diskriminiert und zur Gewalt aufruft, war für 73 Millionen US-Wähler kein Grund zur Abkehr.

Joe Biden hat sich als Anti-Trump positioniert: Er versucht bereits jetzt, Brutalität aus der inneren Auseinandersetzung zu nehmen und die tiefen Risse in der Gesellschaft zu kitten. Auch er muss den Globalisierungsverlierern Hoffnung auf eine bessere Zukunft vermitteln, wird aber in der Vertretung von US-Interessen Amerika weniger abschotten und seine Alliierten nicht gegen die Wand spielen. An der Corona-Bekämpfung sitzt sein Team bereits jetzt, im engen Dialog mit der von Trump verpönten Wissenschaft.

An dem menschlichen Drama, das Covid-19 über das Land gebracht hat, zeigt Trump, der als empathieloser Egomane gilt, keine Anteilnahme. Ganz anders Joe Biden: Er selbst hat tiefe Schicksalsschläge erlebt.

So verlor er seine erste Frau und seine Tochter im Kleinkindalter durch einen Verkehrsunfall, sein Sohn Beau erlag 2015 einem Gehirntumor, während Biden Vizepräsident von Barack Obama war. Einige in seinem Umfeld zweifelten danach, ob er die Kraft für eine weitere Kandidatur haben würde.

Er hatte sie, getrieben und getragen von Verantwortungsgefühl für sein Land. Während er auf den Kampagnenbühnen mitunter fragil und unsicher wirkte, bewundern Mitarbeiter seine Entschiedenheit, sein Durchhaltevermögen und vor allem seine Menschlichkeit.

Er ist authentisch, wenn er in Reden und Interviews mitfühlt mit Menschen, die in der Pandemie Verwandte und Freunde verloren haben, mit denjenigen, die Angst um ihre materielle Zukunft und die ihrer Kinder haben, die rassistisch oder sexuell diskriminiert werden.

In den vergangenen 100 Jahren ist es Kandidaten nur vier Mal gelungen, einen amtierenden Präsidenten in der Wahl zu schlagen. Das Erfolgsrezept von Biden waren dabei seine Authentizität und Verlässlichkeit. Der Katholik machte dabei keinen Hehl aus seinem tiefen Glauben. Seinen Wahlkampf bezeichnete er als „Kampf um die Seele der Nation“.

Kamala Harris, die erste Frau und die erste Afroamerikanerin und asiatische Amerikanerin im Amt der Vizepräsidentin, wird anders zur „Heilung“ der US-Gesellschaft nach vier Jahren Trump beitragen. Ihre prominente Rolle verschafft Frauen und Minderheiten, die Trump in despektierlicher Weise diskriminiert hat, Sichtbarkeit und eine Identifikationsfigur.

Harris saß seit 2017 für den bevölkerungsreichsten US-Staat, Kalifornien, im Senat. Die ehemalige kalifornische Generalstaatsanwältin und Bezirksstaatsanwältin in San Francisco gilt als durchsetzungsstark und diszipliniert. Sie hat sich für eine stärkere Kontrolle von Waffen und, wie Biden in seiner Zeit als Vizepräsident, für die Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Ehen eingesetzt. Die Todesstrafe lehnt sie ab.

„Ich sage, wir kämpfen.“

Bereits 2015 bezeichnete die „Washington Post“ Harris als „den weiblichen Obama“. Als Tochter von Einwanderern aus Indien und Jamaica lebte sie, wie auch ihre Eltern, den amerikanischen Traum. Kamala Harris sagt von sich, sie sei „als Schwarze“ von ihren Eltern aufgezogen worden, ohne jedoch das schwere Erbe der Nachkommen von Sklaven zu tragen. Ihre Eltern, die sich trennten, als sie sieben Jahre alt war, vermittelten ihr: „Du musst kämpfen, um voranzukommen.“

Durchhaltevermögen hat Harris bereits bewiesen: 2016 wurde sie zur Senatorin gewählt, als Hillary Clinton Trump unterlag. Harris ermutigte damals die im Mark erschütterten Demokraten: „Ziehen wir uns jetzt zurück, oder kämpfen wir? Ich sage, wir kämpfen.“ Das Versprechen hat sie gehalten. Im US-Kongress war Harris über die vergangenen vier Jahre eine der stärksten Kritikerinnen von Trump, der sie denn im Wahlkampf 2020 auch als „Monster“ bezeichnete.

Mit seiner Entscheidung für Harris zeigt Biden, dass er seine eigene moderate politische Linie verstärken will. Persönliche Eitelkeiten hat er dafür zurückgestellt – Harris, eine exzellente Rednerin, hatte ihn in den TV-Debatten der Demokraten während der Kandidatennominierung besonders scharf attackiert.

In das ungleiche Paar wird nun weltweit Hoffnung gesetzt, dass es die USA wieder auf den Pfad der Verantwortung und Verlässlichkeit zurückbringt und die liberale Demokratie – nicht nur in den USA – zu neuer Stärke führt.

Von Joe Biden wird erwartet, dass er sich zur Nato bekennt und mit Europa wieder eng zusammenarbeitet. Oberste Priorität scheint zu sein, die EU im Machtkampf mit China an die Seite der USA zu ziehen. Gegenüber Russland ist die Haltung von Biden und Harris hart und klar. „Ich habe Ihnen in die Augen geschaut“, sagte Biden einst zu Putin, „Sie haben keine Seele.“

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Trump selbst könnte aus dem Amt direkt wieder in den Kampagnenmodus wechseln. Seit der Präsidentschaftswahl am 3. November 2020 hat er 200 Millionen Dollar an Spenden eingenommen und verbreitet täglich seine Verschwörungstheorien über die „gestohlene Wahl“.

Er wird Harris und Biden im Nacken sitzen und darum kämpfen, die Republikaner auf Linie zu halten. Deren Positionen hat er mit seinem Populismus und seiner Rechtsaußen-Rhetorik neu geformt, etwa in der Außen-, Handels- und Einwanderungspolitik.

Mit dem neuen US-Präsidenten kommt, so scheint es, ein ganz normaler Mann in das mächtigste Amt der Welt. An seiner Seite steht eine moderate, hochqualifizierte Juristin aus einer Einwandererfamilie. Vielleicht sind die beiden mit ihren Fähigkeiten, ihrer Ehrlichkeit und ihrer Stabilität genau die Richtigen, die die USA jetzt brauchen, um einen Neustart hinzulegen.