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Autozulieferer erwarten jahrelange Flaute – Bei vielen drohen Jobabbau und Standortwechsel

Die wirtschaftliche Erholung wird bei den Autozulieferern noch länger dauern. Vor 2022 wird es keine eine Normalisierung geben, heißt es in einer neuen VDA-Umfrage.

Viele Betriebe rüsten sich mit Kurzarbeit für die Krise. Foto: dpa
Viele Betriebe rüsten sich mit Kurzarbeit für die Krise. Foto: dpa

Die deutschen Autozulieferer stellen sich wegen der Corona-Pandemie noch länger auf schwierige Zeiten ein. Jeder zweite Zulieferer rechnet damit, dass erst im Jahr 2022 wieder das Vorkrisenniveau erreicht wird, jeder zehnte sieht dies erst für 2023. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Umfrage des Verbandes der Automobilindustrie (VDA) unter seinen Mitgliedsunternehmen aus der zweiten Juli-Hälfte, die dem Handelsblatt vorliegt.

„Politik, Unternehmen und Gewerkschaften müssen jetzt gemeinsam alles tun, um eine Verlagerung der Produktion aus Deutschland und weiteren Stellenabbau infolge von Corona zu verhindern“, kommentierte VDA-Präsidentin Hildegard Müller das Umfrageergebnis gegenüber dem Handelsblatt. Der Verband unterstütze Überlegungen aus der Politik, verschiedene Hilfsmaßnahmen zu verlängern, „wie zum Beispiel das Kurzarbeitergeld“.

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Etwa ein Zehntel der befragten Zulieferer schätzt die Zukunftsaussichten noch deutlich schlechter ein als der Durchschnitt und rechnet damit, dass sich das Auslastungsniveau aus der Zeit vor Corona überhaupt nicht mehr erreichen lässt. Auch wenn die Maßnahmen der Politik zur Stützung der Unternehmen Wirkung zeigten, „bleibt der Anpassungsdruck hoch“, ergänzte Müller.

Etwa zwei Drittel der vom VDA befragten Unternehmen geben an, dass die eigenen Kapazitäten derzeit nur zwischen 50 und 75 Prozent ausgelastet seien. Trotzdem gibt es bei der Beschäftigung aktuell eine gewisse Tendenz zur Normalisierung: Nur bei etwa einem Viertel der Zulieferer arbeitet mehr als die Hälfte der Belegschaft noch kurz.

Auf Dauer dürfte das Beschäftigungsniveau unter den Zulieferern aus der Automobilindustrie aber nicht mehr zu halten sein. Die Autozulieferer wurden von der Coronakrise, als die Hersteller ihre Produktion reihenweise stilllegten, schließlich hart getroffen. Noch dazu waren viele ohnehin schon in Schwierigkeiten.

Ein knappes Drittel der befragten Unternehmen hatte bereits vor der Coronakrise einen Personalabbau an seinen deutschen Standorten geplant. Beim überwiegenden Teil dieser betroffenen Zulieferer – etwa zwei Drittel – waren die allgemein schwächere Automobilkonjunktur und die vergleichsweise hohen Kosten am Standort Deutschland dafür ausschlaggebend. Für ein Viertel der befragten Unternehmen ist die anstehende Transformation in der Branche mit Digitalisierung und Elektrifizierung verantwortlich für einen Stellenabbau.

Lage war schon vor Corona schwierig

Durch die Coronakrise hat sich die Lage der Zulieferer noch einmal zusätzlich verschärft. Etwa 60 Prozent der Firmen geben deshalb an, dass sie wegen der Pandemie und deren Folgen einen zusätzlichen Personalabbau planen. Rund die Hälfte dieser Unternehmen kalkuliert damit, dass zwischen fünf und zehn Prozent der Mitarbeiter gehen müssen. Bei einem Drittel der befragten Zulieferer gibt es Pläne, künftig auf mehr als zehn Prozent der eigenen Beschäftigten zu verzichten.

VDA-Präsidentin Müller rief dazu auf, zusätzlichen Druck von der Autobranche zu nehmen. „Die wirtschaftliche Wiederbelebung wird dann rascher gelingen, wenn auf zusätzliche Belastungen verzichtet wird. Das gilt für die Bereiche Steuern, Bürokratie oder eine weiter gehende Regulierung im Bereich Klimapolitik“, betonte Müller. Die Coronakrise sollte für Politik und Gesellschaft „ein Ansporn für Reformen sein“, die die Unternehmen entlasteten und damit den Standort stärkten. „Wir brauchen in Deutschland und in Europa eine offensive, dem Klimaschutz verpflichtete Industriepolitik.“

Die Coronakrise sorgt auch dafür, dass die Unternehmen ihre Produktion verstärkt ins Ausland verlagern wollen, wo sie mit günstigeren Standortbedingungen kalkulieren. Etwa 40 Prozent der vom VDA befragten Unternehmen hatten schon vor der Pandemie entsprechende Pläne in der Schublade. Mehr als zwei Drittel dieser Firmen stellt sich nun darauf ein, dass diese Pläne wegen der Coronakrise auf absehbare Zeit beschleunigt werden.

Personal, Kosten und Auslastung sind im Moment die großen Themen in der deutschen Zulieferindustrie. Was die Liquiditätsausstattung der Unternehmen betrifft, herrscht im Moment dagegen noch überwiegend Entspannung. Dazu tragen gerade auch die von Bund und Ländern in den vergangenen Monaten zugesagten Unterstützungsprogramme bei.

Mehr als 80 Prozent der Zulieferunternehmen erklären, dass ihnen aktuell ausreichend Finanzierungsquellen zur Verfügung stünden. Die Firmen geben zugleich an, dass sie sich von ihren Hausbanken ausreichend unterstützt fühlen. 20 Prozent der Unternehmen haben Hilfen des Wirtschaftsstabilisierungsfonds und zehn Prozent haben Überbrückungshilfen für kleine und mittelgroße Unternehmen angenommen oder planen dies.

Ausnahme vom Kartellverbot

Doch nicht allen Zulieferern geht es in Sachen Liquiditätsausstattung richtig gut. Etwa jede fünfte Firma – knapp 20 Prozent – gibt an, dass die eigene Liquidität unter den gegenwärtigen Bedingungen ohne größere Anpassungen nur noch für maximal zwei bis drei Monate gesichert sei.

86 Unternehmen, vom Mittelständler bis hin zum Konzern, hatten sich nach VDA-Angaben an der Umfrage beteiligt. Damit seien repräsentative Aussagen über die Branche möglich, so der Verband. Rund 500 Zulieferer aus Deutschland sind Mitglieder des VDA.

Unter den Autoherstellern wird die Entwicklung der Zulieferer sehr genau beobachtet. Fällt ein wichtiger Lieferant wegen der Pandemie-Folgen plötzlich aus, können die Produktionspläne eines Herstellers durcheinandergeraten oder droht der völlige Stillstand in der Fertigung.

Die Branche begrüßt es deshalb, dass das Bundeskartellamt eine Ausnahme vom Kartellverbot zugelassen hat. Mehrere Abnehmer, also in aller Regel die Autohersteller, können sich zusammenschließen, wenn es um die Rettung eines wichtigen Zulieferers geht. Die entsprechende Ausnahmeerklärung hatte die Bonner Wettbewerbsbehörde bereits im Frühsommer erteilt.

Kunden eines Zulieferers dürfen sich über Liquidität, Kredite, Hilfsmaßnahmen oder auch operative Probleme eines Unternehmens austauschen und gemeinsam den Wiederaufbau von Lieferketten koordinieren. Der Leitfaden des Verbands der Automobilindustrie dürfe aber keine unternehmensspezifischen Informationen etwa über Warenumfänge oder Verträge einzelner Unternehmen enthalten, hatte das Bundeskartellamt zur Bedingung gemacht.

In der aktuellen Situation könne ein solches koordiniertes Vorgehen in einer Branche gerechtfertigt sein, hatte Kartellamtspräsident Andreas Mundt erklärt. „Solche Maßnahmen müssen sich aber an kartellrechtliche Vorgaben halten und zeitlich klar begrenzt sein“, betonte er. Die vom VDA vorgelegten Pläne enthalten ein Modell für die Restrukturierung von Zulieferunternehmen. Aus Sicht des Verbandes hat das Kartellamt mit seiner Freigabe Rechtssicherheit geschaffen.

Wie dazu ergänzend aus Industriekreisen verlautete, hat es während der vergangenen Wochen vereinzelt Probleme bei der Belieferung von Autoherstellern gegeben. Zu den Bauteilen, die teilweise bei den Herstellern fehlten, gehörten demnach Lenkräder und Sicherheitsgurte.

ARCHIV - 12.05.2020, Baden-Württemberg, Friedrichshafen: Eine Monteurin arbeitet in einem Werk des Automobilzulieferers ZF Friedrichshafen an ein Getriebe für Lastwagen. Die Folgen der Corona-Pandemie haben die deutsche Wirtschaft in eine schwere Krise gestürzt. Volkswirte gehen davon aus, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Zeitraum April bis Juni stark geschrumpft ist. Erste vorläufige Daten gibt das Statistische Bundesamt am 30.07.2020 bekannt. (Zu dpa