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Argentiniens Problem sind nicht seine Schulden, sondern seine fehlende Glaubwürdigkeit

Das hochverschuldete Land will sich mit seinen Gläubigern über die Umschuldung seiner Kredite einigen. Die Suche nach einem Kompromiss dürfte sich hinziehen.

Argentinien befindet sich in einer prekären Lage. Foto: dpa
Argentinien befindet sich in einer prekären Lage. Foto: dpa

Die neue Präsidentin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Kristalina Georgiewa, hat Argentinien erst kürzlich offiziell den Status „überschuldet“ bescheinigt – und private Gläubiger auf erhebliche Zugeständnisse eingestimmt.

Federico Zamora, Head of Emerging Markets Debt bei BNY Mellon Investment Management, sieht das Schuldenproblem seines Landes dennoch ziemlich gelassen. „Argentinien ist nicht insolvent“, sagt er – es leide aber unter erheblichen Liquiditätsproblemen. Zur Argumentation unterscheidet er zwischen denjenigen Schulden, die das Land bei seinen eigenen Bürgern hat, und solchen, die im Ausland aufgenommen wurden.

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Betrachte man die reinen Auslandsschulden seines Landes, so entspreche der Verschuldungsgrad mit rund 60 Prozent der Wirtschaftsleistung etwa dem Durchschnitt der Emerging Markets weltweit. „Damit hat Argentinien im internationalen Vergleich keinen überzogen großen Schuldenindikator“, sagt Zamora, der selbst Argentinier ist und von American Century Investments 2012 zu BNY Mellon kam.

Dennoch: Das südamerikanische Land befindet sich in einer prekären Lage. Argentinien steckt in einer Wirtschaftskrise, gleichzeitig muss die neue peronistische Regierung unter Präsident Alberto Fernández Verbindlichkeiten im Volumen von 100 Milliarden Dollar neu verhandeln – Schulden, welche die letzte Regierung aufgenommen hat.

Zamora sieht vor allem eines als das größte Problem Argentiniens an: „Argentinien fehlt es an Glaubwürdigkeit.“ Dieses mangelnde Vertrauen der Investoren habe zu einem Liquiditätsproblem geführt und dieses verschärft. Seit Mitte 2018 habe das Land keinen Zugang zu neuem Kredit. Daran würde sich auch erst etwas ändern, wenn es eine überzeugende Umschuldung gebe.

Doch die sei fraglich: Das Schuldenproblem habe sich durch die neue Regierung unter Präsident Fernández verschärft, weil diese bisher keine klare Signale gesendet hätte. Hinter den Kulissen würde die Regierung verhandeln und versuchen, die Rückzahlungen möglichst lange zu strecken und niedrig zu halten, um mehr Geld im Haushalt zu haben, um die Wirtschaft anzutreiben und soziale Ausgleichzahlungen leisten zu können. Wie der Wirtschaftsplan oder die -politik aussehen soll, dazu sage die Regierung aber nur wenig.

Tatsächlich enttäuschte der Präsident mit seiner Rede zur Kongresseröffnung am 1. März die Investoren. Sie warten auf Details, wie die peronistische Regierung das Land aus seiner Krise retten will. Aber Probleme der Wirtschaft und der Verschuldung streifte Fernández, der seit knapp zwei Monaten regiert, nur am Rande.

Rund 80 Prozent seiner Schulden hat Argentinien entweder direkt in Dollar aufgenommen, oder sie zumindest an den Dollar-Kurs gebunden. „Es herrscht Einigkeit auch unter privaten Investoren, dass Argentinien seine Schulden mit dem jetzigen Tilgungsplan nicht ableisten kann“, sagt Zamora. Schon ab Mai könnte das kritisch werden, weil dann hohe Tilgungs- und Rückzahlungen auf die Schuld anstehen.

Die Devisenvorräte wären dann schnell aufgebraucht. Zudem hat der Peso stark gegenüber dem Dollar abgewertet.

Für viel zu optimistisch hält Zamora den engen Zeitrahmen für die Schuldenverhandlungen, welche die Regierung Ende März mit einer Einigung abschließen will. Sechs bis neun Monate Verhandlungen halte er für realistisch, denn es seien verschiedene Gläubigergruppen zusammenzubringen, deren Interessen sich mit der Zeit wandeln würden.

Einerseits würde bei den privaten Gläubigern gerade ein struktureller Wechsel stattfinden. Anders als bei den Schuldenverhandlungen vor 15 Jahren haben seit 2016 vor allem professionelle Investoren Argentinienbonds gekauft – und nicht die Sparer aus Deutschland, der Schweiz, Italien und Japan wie damals. Doch auch die Profis schichten um: Die längerfristigen Investoren wie Pensionsfonds oder Investmentbanken würden ihre Anleihen an kurzfristig denkende Investoren wie Hedgefonds verkaufen.

Dadurch werde die Umschuldung schwieriger, je länger sie andauere. Bei den letzten Umschuldungsrunden Argentiniens vor einer Dekade waren es die Hedgefonds, die sich bis zuletzt weigerten, Abschläge zu akzeptieren. Sie sorgten dafür, dass Argentinien bis 2015 keinen Zugang zu den Finanzmärkten bekommen konnte, obwohl die Mehrheit der Gläubiger die Umschuldung angenommen hatte.

Zamora hält es für schwierig einzuschätzen, wie die privaten Investoren nun auf die Verhandlungen reagieren würden. Holdouts, also Investoren, die sich jeder Umschuldung gegenüber verschließen würden, gebe es bei jedem Abkommen.

Die Beziehungen Argentiniens zum IWF seien aber auch nach dem Regierungswechsel vom konservativen Marktwirtschaftler Mauricio Macri zum Linken Fernández weiter gut – obwohl dieser mit seiner Vize Cristina Kirchner angetreten ist. Die ehemalige Präsidentin hat in ihrer Regierung jedes Abkommen mit den Gläubigern verweigert. Es war vor allem der Rückdeckung durch US-Präsident Donald Trump für den liberalen Präsidenten Macri zu verdanken, dass der IWF 2018 seinen Kredithahn öffnete.

Völlig offen sei jedoch derzeit, ob Argentinien sich erst mit den privaten Bondbesitzern einigen werde und dann mit dem IWF – oder umgekehrt. „Es verlangt guten Willen von allen Beteiligten, um zu einer Lösung zu kommen“, sagt Zamora.

Er rechne damit, dass die Regierung einen ungeordneten Zahlungsstopp unbedingt verhindern wolle – die ökonomischen Folgen wären verheerend und würden Fernández politisch massiv schwächen. Deswegen erkläre der Präsident auch ständig, dass er bezahlen wolle, sobald er das könne.

Doch das wird noch dauern. Es sei unwahrscheinlich, dass Argentiniens Wirtschaft in den nächsten sechs Monaten wachsen und so ausreichend Steuereinnahmen generieren werde, um einen Primärüberschuss herzustellen, welcher eine Rückzahlung der Schulden erlauben könnten. Politisch seien Lohn- oder Pensionskürzungen kaum durchzusetzen.

Die Regierung des eher linken Peronisten könnte Sparmaßnahmen bei den finanziell bessergestellten Argentiniern oder durch Steuern auf Agrarexporte politisch leichter durchsetzen.

Vermutlich würde mit den privaten Gläubigern am Ende ein Paket ausgehandelt – mit verlängerten oder ausgesetzten Rückzahlungsfristen, niedrigeren Coupons und sogenannten Haircuts, also dem Verzicht der Gläubiger auf bestimmte Teile ihrer Forderungen.

Durchschnittlich würden die Anleihen Argentiniens derzeit mit rund 40 Cents pro Dollar gehandelt. Ein Angebot in der Höhe von 55 bis 60 Cents pro Dollar hält Zamora am Ende für plausibel. Entscheidend sei, dass alle Beteiligten davon überzeugt seien, dass die Umschuldung funktionieren werde. Nur dann bekäme Argentinien wieder Zugang zu den internationalen Finanzmärkten – und nur dann sei die Umschuldung erfolgreich.

Mehr: Argentiniens Präsident hat viele Pläne – aber keinen richtigen.