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Anwalt startet Aufstand gegen Versicherer

Zwischen Versicherern und vielen Gaststätten ist ein Streit über die Haftung bei Betriebsschließungen wegen des Coronavirus entbrannt. Viele Gastronomen setzen jetzt auf ein Internetvideo.

Viele Restaurants mussten wegen des Coronavirus schließen. Foto: dpa
Viele Restaurants mussten wegen des Coronavirus schließen. Foto: dpa

Vor wenigen Tagen hat Mark Wilhelm via Instagram und Facebook einen Aufruf gestartet. Der auf Versicherungsrecht spezialisierte Anwalt ist normalerweise für Konzerne und Vorstände tätig, die Probleme mit ihrer Versicherung haben. Doch diesmal richtet er sich an Gastronomen, Barbetreiber und Hoteliers, die wegen der Lungenkrankheit Covid-19 ihre Betriebe schließen mussten.

„Die Frage für uns ist gewesen: Wie können wir sinnvoll etwas beitragen und zurückgeben?“, sagt Wilhelm und blickt ernst in die Kamera. Er hat die Antwort gefunden: Zusammen mit den Kollegen in seiner Kanzlei bietet er Rat für krisengebeutelte Unternehmer aus der Eventbranche, die sich von ihrer Versicherung im Stich gelassen fühlen.

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Es ist ein Aufstand gegen die Assekuranzen – und es geht es um eine heikle Frage. Viele Gaststätten und Kleinbetriebe haben eine Betriebsschließungsversicherung abgeschlossen, die auch eine Haftung vorsieht, wenn Betreiber ihr Restaurant aufgrund des Infektionsschutzgesetzes dichtmachen müssen.

Genau daran entzündet sich jetzt der Streit. Denn das Coronavirus ist erst seit Februar auf die Liste des Infektionsschutzgesetzes gerückt – weshalb einige Versicherer eine Haftung bei älteren Policen gegenüber ihren Kunden jetzt infrage stellen.

Viele Policen versichern die Firmen nämlich gegen den Ausbruch von Infektionen in ihrem Betrieb wie beispielweise Salmonellen – aber nicht gegen eine vorsorglich staatlich verfügte Schließung wegen einer weltweit ausgebrochenen Epidemie, wie die Assekuranzen argumentieren.

Zahlreiche Fehlinformationen im Markt

Die Situation ist dramatisch, unzählige Unternehmer aus dem Hotel- und Gaststättengewerbe stehen vor dem wirtschaftlichen Ruin. Müssen die Versicherungen tatsächlich einspringen? Wilhelm ist davon überzeugt – und hat mit seinem Video einen Nerv getroffen. „Wir bekommen im Moment Hunderte von Anfragen aus dem gesamten Bundesgebiet“, sagt der Jurist dem Handelsblatt.

Er sehe zahlreiche Fehlinformationen im Markt, vornehmlich aus der Versicherungswirtschaft. „Im Moment wird verbreitet: Nichts ist gedeckt wegen Corona. Das halten wir für falsch“, sagt Wilhelm. In vielen Fällen lägen Policen vor, die die Schließung versichern. „Schickt uns euren Versicherungsvertrag, beschreibt uns euren Fall“, fordert Wilhelm die Betroffenen auf. Notfalls, so beteuert er, werde man die Sache vor die Gerichte tragen.

Tatsächlich lehnen einige Versicherer eine Leistung pauschal ab. „Wir weisen darauf hin, dass behördliche Auflagen und Allgemeinverfügungen, die aufgrund von Covid-19 (Corona) regional und überregional präventiv ausgesprochen wurden, nicht vom Versicherungsschutz der Betriebsschließungsversicherung umfasst sind“, schreibt etwa die Darmstädter Haftpflichtkasse auf ihrer Website.

Ein Verhalten, das auch die Versicherungsmakler erzürnt. So kritisiert der Bundesverband Deutscher Versicherungsmakler das Verhalten offen. „Einigen Versicherern haben wir schon unsere Bedenken, nein unseren Ärger, mitgeteilt“, sagt Thomas Haukje, Präsident des Bundesverbands Deutscher Versicherungsmakler (BDVM).

Die Begründung, dass präventive Maßnahmen nicht versichert sind, sei falsch, denn die Prävention sei Kern des Infektionsschutzgesetzes. Laut dem Verband sind derzeit mindestens sieben Versicherer „sehr robust“ unterwegs und lehnten erst einmal jeden Schaden ab.

Die Versicherer wissen, wie heikel das Thema ist. „Die halbe Branche beugt sich gerade über diese Verträge“, heißt es von einem Kenner der Szene. Denn für viele Kunden bedeutet das, dass sie – anders als erwartet – keine Deckung bekommen.

Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft gibt sich entsprechend zurückhaltend. „Eine allgemeingültige Antwort zu der Frage, ob und wie das Coronavirus über die Betriebsschließungsversicherung erfasst ist, gibt es daher nicht“, sagte ein GDV-Sprecher.

Frage nicht pauschal zu beantworten

Da das Schutzbedürfnis der einzelnen Wirtschaftssektoren recht unterschiedlich sei, hätten sich innerhalb der Betriebsschließungsversicherung diverse Deckungskonzepte entwickelt, betont der Branchenverband. Es gebe Policen, in deren Bedingungen die versicherten Krankheiten abschließend aufgezählt würden – und in denen Corona nicht enthalten ist.

Dann gebe es Policen, die auf das Infektionsschutzgesetz verweisen. „Neue, meldepflichtige Krankheiten wie Corona können dann gegebenenfalls enthalten sein, wenn auch die letzten Änderungen des Infektionsschutzgesetzes wirksamer Vertragsbestandteil sind“, heißt es beim GDV.

Der größte deutsche Versicherer Allianz glaubt ebenfalls, dass sich die Frage nicht pauschal beantworten lässt. „Wir prüfen jeden Einzelfall“, sagt ein Sprecher der Allianz Deutschland. „Es kommen derzeit sehr viele Schadensmeldungen bei uns an.“

Es sei aber unmöglich, pauschale Aussagen unabhängig vom konkreten Schadensfall zu treffen. Etwaige Ansprüche seien abhängig von der individuellen Ausgestaltung des Versicherungsvertrages und dem konkreten behördlichen Vorgehen. Auch bei der Axa Versicherung lehnt man Leistungen bisher nicht pauschal ab, sondern verweist auf individuelle Vereinbarungen.

Inwieweit die bestehenden Versicherungsverträge tatsächlich eine Entschädigungspflicht der Versicherungsgesellschaften nach sich ziehen, sei „von Fall zu Fall zu prüfen“, erklärt Experte Reinhard Keil, der über das Thema ein ganzes Buch geschrieben hat.

Doch Anwalt Wilhelm will das notfalls vor Gericht klären. Er bietet an, jeden einzelnen Fall zu prüfen – und zwar kostenlos. „Nur im Erfolgsfall werden wir etwas abrechnen, um unsere Kosten zu decken“, sagt der Anwalt, der mit seinem Faible für Tattoos und Rockmusik mit einem typischen Advokaten wenig gemein hat.

„Das ist zwar überraschend für Anwälte, aber das ist so“, versichert Wilhelm in seiner Videobotschaft. Und das erste Mal in dem Video huscht ihm ein kleines Lächeln über das Gesicht.