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Die Angst vor der Basis

Die ersten Reaktionen aus der SPD auf das Sondierungsergebnis sorgen für Optimismus bei den Befürwortern einer Großen Koalition. Doch Restrisiken bleiben. Vor allem die Jusos wollen gegen das Bündnis mobil machen.

Wenn es nach Bernd Westphal geht, ist die Sache klar: Einer Großen Koalition steht nach seiner Überzeugung jetzt nichts mehr im Wege. „Das Sondierungsergebnis ist ein entscheidender Schritt auf dem Weg zu einer stabilen Regierung. Wir sollten die vielen Chancen, die sich für uns daraus ergeben, nutzen“, sagte der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion dem Handelsblatt. „Natürlich enthält das Ergebnis auch einige Kompromisse, aber die sind ausgewogen und vernünftig“, ist Westphal überzeugt.

Doch der SPD-Politiker aus Hildesheim spricht nicht für die gesamte Partei. Die Widerstände sind erheblich. Zwar segnete der gut 40-köpfige SPD-Parteivorstand das Sondierungsergebnis am Freitag mit nur sechs Gegenstimmen ab.

Aber die Gegner in der Partei formieren sich. So zieht Juso-Chef Kevin Kühnert wortgewaltig durchs Land, um gegen eine Neuauflage der GroKo mobil zu machen. Der Landesverband Thüringen hatte kürzlich bereits gegen eine Große Koalition gestimmt. Am Freitag machte Landeschefin Heike Taubert deutlich, dass sie das Ergebnis der Verhandlungen mit CDU und CSU nicht überzeugt. An der Spitze des bayerischen Landesverbandes steht mit Natascha Kohnen ebenfalls eine GroKo-Skeptikerin.

Auch die Jusos in Sachsen-Anhalt sind beim Landesparteitag in Wernigerode klar gegen eine Neuauflage der Großen Koalition. „Verlässliches Regieren ist mit der Union aktuell nicht möglich“, heißt es in einem Antrag für den Landesparteitag am Samstag. Auf eben diesem Landesparteitag meldete sich dann auch noch Außenminister und Ex-SPD-Chef Sigmar Gabriel zu Wort – mit einem eigenen Vorschlag.

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Der frühere Parteichef kritisierte, dass ein Bundesparteitag am 21. Januar zwischengeschaltet ist. Dieses Verfahren sei nicht nur ein Misstrauensbeweis gegenüber dem Parteivorstand. „Das ist auch ein Misstrauen gegenüber der eigenen Basis“, sagte Gabriel. „Wenn wir die Basis immer hochhalten, dann muss ich sie auch entscheiden lassen.“

Das Sondierungspapier bezeichnete er allerdings als ein „sehr gutes Ergebnis“ und betonte, dass in Koalitionsverhandlungen noch mehr herausgeholt werden müsse. „Es gibt eine Menge Dinge darin (in dem Sondierungspapier), die klug sind, und es gibt Dinge, die fehlen.“

Sogar die CSU schlug werbende Töne an. „Beide Seiten haben Punkte gemacht“, sagte Generalsekretär Andreas Scheuer der „Passauer Neuen Presse“ (Samstag). „Wir warten auf die SPD und sind gespannt, ob sie sich am Ende verantwortungsvoll verhält. Das Sondierungsergebnis ist eine gute Basis.“

Betont optimistisch gab sich am Freitagabend SPD-Chef Martin Schulz: „Ich glaube, dass wir hervorragende Ergebnisse erzielt haben.“ Er erklärte, man habe hart gerungen. Das Papier spiegele nun den Wunsch nach Erneuerung wider, bei Familien, bei Bildung und bei der digitalen Herausforderung. Die Verhandlungen seien zum Teil turbulent verlaufen, hätten aber zu keinem Moment auf der Kippe gestanden. Die drei Parteien seien bereit, Europa wieder stark zu machen. Im ZDF schloss er – anders als nach der Bundestagswahl – nicht mehr aus, einen Kabinettsposten unter Merkel als Kanzlerin zu übernehmen.


Die „Positivliste“ soll helfen

Bundestagsfraktionschefin Andrea Nahles wertete das Sondierungsergebnis als fair. „Ich persönlich sehe das als ein Geben und Nehmen bei Verhandlungen. Und ich könnte jetzt auch eine Liste machen von Punkten, wo wir uns wechselseitig jeweils auch an die Schmerzgrenze gebracht haben“, sagte sie am Freitagabend in den ARD-„Tagesthemen“. Die Union habe eine große Reform des Einkommensteuertarifs gefordert, aber eine Senkung des Solidarzuschlags für 90 Prozent der Bürger bekommen. Sie sei „sehr zuversichtlich“, dass der SPD-Parteitag am 21. Januar der Aufnahme förmlicher Koalitionsverhandlungen zustimmen werde.

Eine „Positivliste“ gibt es indes tatsächlich und sie soll der Parteispitze dabei helfen, für eine Neuauflage eines Regierungsbündnisses mit CDU und CSU zu werben. Die Liste kam sogleich in Umlauf, als auch das Sondierungsergebnis die Runde machte. Als Erfolg für die SPD wird in der Liste etwa die Vereinbarung verbucht, das Rentenniveau bis 2025 bei 48 Prozent abzusichern und die Beiträge zu stabilisieren.

Neben den 60 durchgesetzten Punkten aus dem Parteitagsbeschluss vom Dezember zur Aufnahme von Sondierungsgesprächen werden 19 weitere Punkte als Erfolge für die SPD aufgelistet. Zu den umgesetzten Aufträgen des Parteitages gehört eine Solidarrente, die langjährigen Beitragszahlern eine Rente von zehn Prozent über dem Niveau der Grundsicherung gewährleisten soll. Es soll zudem einen Rechtsanspruch zur Rückkehr von Teilzeit in Vollzeit geben, ebenso ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz. Geplant sind gebührenfreie Kitas und ein Rechtsanspruch auf Ganztagesbetreuung. In der Krankenversicherung sollen sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber die Beiträge wieder teilen.

Keine Rede ist in der Positivliste von den Forderungen, die von der SPD-Spitze in den Sondierungen nicht durchgesetzt wurden. So findet sich die geforderte Abschaffung der sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverträgen nicht in dem Papier. Auch die von der SPD geforderte Erhöhung des Spitzensteuersatzes taucht nicht auf.

Noch ist völlig offen, wie die Genossen sich positionieren. In gut einer Woche entscheiden die Delegierten eines SPD-Sonderparteitages darüber, ob auf der Basis des Sondierungsergebnisses Koalitionsverhandlungen aufgenommen werden sollen. Wenn der Parteitag dafür grünes Licht gibt, stimmt ein paar Wochen später die SPD-Basis über den Entwurf der Koalitionsvereinbarungen ab.

Bis dahin wird die Parteispitze noch eine Menge Überzeugungsarbeit leisten müssen. „Es war schon 2013 schwer, die Partei davon zu überzeugen, einer Großen Koalition zuzustimmen. Diesmal liegt die Hürde noch höher“, sagt ein Genosse.

Jeder zweite Bundesbürger glaubt nicht daran, dass Schulz seine Partei für eine Neuauflage der großen Koalition gewinnen kann. In einer repräsentativen Civey-Umfrage für die Funke Mediengruppe beantworteten knapp 45 Prozent der Befragten eine entsprechende Frage mit „Eher nein“ oder „Nein, auf keinen Fall“. Rund 38 Prozent zeigten sich optimistischer für Schulz, 17 Prozent unentschieden in der Frage.