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Angriff im Robotermarkt

Der Ex-Continental-Chef will mit seiner Firma Avateramedical einen Operationsroboter auf den Markt bringen und den Monopolisten herausfordern.

Es ist ein tollkühner Schritt, könnte man meinen: Hubertus von Grünberg, der langjährige Vorstandsvorsitzende des Automobilzulieferers Continental, plant, mit dem jungen Medizintechnikunternehmen Avateramedical den weltgrößten Hersteller von Operationsrobotern herauszufordern. Tritt die von Grünberg mitgegründete 120 Mitarbeiter starke Firma doch gegen den seit zwei Jahrzehnten unangefochtenen Marktführer Intuitive Surgical an, der im vergangenen Jahr mit rund 5 500 Mitarbeitern mehr als 3,7 Milliarden Dollar Umsatz erzielte und aktuell auf einen Börsenwert von 66 Milliarden Dollar kommt.

„Wir wussten, dass es schwer wird“, sagt von Grünberg. „Wenn es einfach wäre, hätte ich es nicht gemacht. Die Herausforderung war für mich der Anreiz“, setzt der 77-Jährige hinzu. Das „wir“ bezieht den Chirurgen Jens-Uwe Stolzenberg, Klinikdirektor der Urologie am Universitätsklinikum Leipzig, mit ein. Der Mittfünfziger operiert seit vielen Jahren mit dem Da-Vinci-Operationsroboter von Intuitive Surgical und gilt als einer der Pioniere bei diesen minimalinvasiven Eingriffen.

Da die Da-Vinci-Roboter je nach Ausstattung schnell zwei Millionen Euro kosten können, hatte der Mediziner früh die Idee, dem teuren Monopolisten aus den USA einen eigenen „German Robot“ entgegenzusetzen, und gewann von Grünberg dafür.
Der promovierte Physiker, der sich während seiner Zeit bei Conti und später als Verwaltungsratspräsident von ABB einen Ruf als knallharter Manager erarbeitet hat, hatte schon früher von sich behauptet, Herausforderungen nicht zu scheuen. 2011 gründeten von Grünberg und Stolzenburg mit eigenem Geld das Start-up Avateramedical, als Hauptinvestor war und ist Unternehmer Lars Windhorst mit von der Partie. Von Grünberg sitzt im Beirat von Windhorsts Investmentfirma Tennor Holding.

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Beim Operationsroboter da Vinci werden die beweglichen Arme mit den Instrumenten und der Kamera von einer Konsole gesteuert, die etwas entfernt vom OP-Tisch oder in einem Nebenraum steht. Die Bewegungen, die der Operateur in der dreidimensionalen Welt macht, führen die Roboterarme zitterfrei am Patienten aus. Die hohe Präzision gilt als Vorteil der roboterassistierten Eingriffe.

Das Avatera-System bietet wie da Vinci den Operationsroboter mit seinen vier Armen auf einem Stützpfeiler, die Steuerung ist laut Grünberg allerdings integriert. Kleiner und beweglicher, also zwischen OP-Sälen hin- und herschiebbar, das sei ein Vorteil des Avatera-Systems, meint von Grünberg. Ein weiterer aus seiner Sicht: Während bei da Vinci die Instrumente mehrfach sterilisiert und wiederverwendet würden, kommen beim OP-Roboter aus Deutschland Einmalinstrumente zum Einsatz. Das verringere den Sterilisationsaufwand, für den Kliniken zusätzliche Geräte benötigen, meint von Grünberg.

Bedarf für einen neuen Operationsroboter sieht Avateramedical genug: Nach Schätzungen der Researchfirma Global Markets soll dieser Markt von zuletzt 4,5 Milliarden US-Dollar Jahresumsatz bis 2025 auf 13 Milliarden Dollar wachsen.

„Intuitive Surgical hat dieses Feld sehr breit besetzt“

Eine entscheidende Hürde für den Markteintritt hat das Unternehmen vergangenen Monat genommen: Das Avatera-System hat die CE-Kennzeichnung bekommen und ist nun in Europa als Medizinprodukt zugelassen für Eingriffe in der Urologie und Gynäkologie. Das sind die beiden Felder, in denen auch der Roboter da Vinci des Marktführers am häufigsten eingesetzt wird.

Den nächsten großen Schritt planen die Avateramedical-Gründer im ersten Quartal 2020: Dann soll der deutsche Roboter erstmals publikumswirksam auf einem großen Mediziner-Kongress bei einer Live-Operation zum Einsatz kommen. Wann und wo das sein wird, gibt von Grünberg noch nicht bekannt. Im Lauf des Jahres 2020 sollen dann die ersten Roboter ausgeliefert werden.

Thom Rasche, Medizintechnikexperte und Managing Partner beim Venture-Capital-Investor Earlybird Health, sieht Avateramedical vor großen Herausforderungen: „In der Roboterchirurgie wird die Schlacht im Außendienst und im Service geschlagen. Da braucht man als Neuling im Markt weit mehr als ein gutes Produkt. Intuitive Surgical hat dieses Feld sehr breit besetzt.“

Zudem gebe es andere Wettbewerber, die in den Markt einsteigen wollen und weitaus größer seien als Avateramedical. Der US-Konzern Medtronic zum Beispiel oder auch der Konzern Johnson & Johnson, der mit der Google-Firma Verily zusammenarbeitet. „Das sind alles Platzhirsche in der Chirurgie. Auch gegen diese Wettbewerber müsste sich Avateramedical positionieren“, sagt Rasche.

Von Grünberg hat die Marktszenarien durchgespielt und will mit dem Avatera-System in Europa schneller als Medtronic sein. „Unser Plan ist, in drei Jahren rund 250 Anlagen in Deutschland und Europa stehen zu haben.“ Danach ist der Markteintritt in Russland, Indien, im Vorderen Orient und in China geplant. In einer weiteren Stufe soll dann der Markteintritt in den USA gelingen. Überall dort, wo Avateramedical seine Servicekräfte nicht selbst hinschicken kann, will das Unternehmen mit lokalen Medizintechnikfirmen zusammenarbeiten.

Hartes Kalkulieren kennt von Grünberg

Avatera will gegenüber dem bisherigen Marktführer Intuitive auch Boden gewinnen, indem man mit einem ordentlichen Preisabschlag in den Markt geht: „Wir werden ein attraktives Paket mit Servicevertrag und Zubehör anbieten und einem Preisabschlag zum vergleichbaren Wettbewerbsprodukt im zweistelligen Prozentbereich“, sagt Grünberg. Earlybird-Partner Rasche findet, dass der Preis wichtig ist, aber nicht der entscheidende Wettbewerbsfaktor. „Der Preis wurde von Intuitive festgelegt, ist also künstlich gesetzt. Auf einen preisgünstigeren Herausforderer könnte Intuitive leicht mit Preisnachlässen reagieren.“

Darauf ist Avateramedical eingestellt: „Wir haben hart kalkuliert. Wir müssen damit rechnen, dass sich der Wettbewerber beim Preis auch noch mal bewegt“, sagt von Grünberg. Hartes Kalkulieren kennt er aus der Automobilzulieferbranche. Entsprechend hat er Zulieferer gefunden, die keine ausgewiesenen klassischen Medizintechnikfirmen sind, aber für die Produktion zugelassen sind.

Optik und Gehäuse etwa werden zugekauft, die Mechatronic wird im Unternehmen selbst gemacht. Die Fertigungstiefe beträgt laut von Grünberg mehr als 50 Prozent. In Ilmenau soll jetzt eine große Produktion aufgebaut werden: „In den nächsten beiden Jahren werden wir noch einmal einen dreistelligen Millionenbetrag investieren“, sagt von Grünberg. Für das Geld soll eine Fabrik gebaut, eine Serviceorganisation aufgebaut und es sollen neue Mitarbeiter eingestellt werden.

Hauptinvestor Lars Windhorst, der bisher schon einen dreistelligen Millionenbetrag in die Firma gesteckt hat, ist von dem Vorhaben überzeugt. Die aktuellen Interessenbekundungen von einer breiten Basis europäischer und internationaler potenzieller Kunden stimmten ihn zuversichtlich, dass Avateramedical ein wichtiger Global Player werden könne, wird er in einer Firmenmitteilung zitiert.

Setzt Avateramedical sein Vorhaben wie geplant um, sind noch weitere Investitionen erforderlich: „Wir werden so viel Geld brauchen für die Auseinandersetzung in den jeweiligen Märkten, dass wir irgendwann entweder einen Börsengang machen müssen oder uns einen Partner suchen“, sagt von Grünberg. „Entschieden ist diesbezüglich aber noch nichts.“

Die Expertise für die Expansion hat sich Avateramedical auf jeden Fall schon mal in den Aufsichtsrat geholt: Chef des Gremiums ist Joe Hogan, derzeit CEO vom Zahnmedizintechnik-Unternehmen Align Technology und vormals Chef von GE Healthcare.