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Arbeitsniederlegung am "Amazon Prime Day": Diese Streiks haben Geschichte geschrieben

Ausgerechnet an einem der größten Schnäppchentage des Jahres legen Amazon-Mitarbeiter am „Prime Day" die Arbeit nieder und sorgen damit vielleicht nicht für einen neuen Streik-Rekord, vielleicht aber für eine moralische Gesellschaftsfrage. Welche Streiks es tatsächlich in die Geschichtsbücher geschafft haben – ein Überblick.

Schon seit 2013 versucht Verdi, Amazon in die Knie zu zwingen. 2014 streiken Mitarbeiter in Leipzig. (Bild: Getty Images)
Schon seit 2013 versucht Verdi, Amazon in die Knie zu zwingen. 2014 streiken Mitarbeiter in Leipzig. (Bild: Getty Images)

Es ist einer der Tage mit dem größten Umsatz im Jahr: 2018 hat der Online-Gigant am „Amazon Prime Day“ über 100 Millionen Artikel verkauft. Während viele Prime-Mitglieder anlässlich der aktuellen Angebots-Tage die Rabatte nutzen, gehen Mitarbeiter an sieben deutschen Standorten auf die Barrikaden: Unter dem Motto „Kein Rabatt mehr auf unsere Einkommen" fordern sie bessere Bezahlung.

Hintergrund: Streik an Schnäppchentag bei Amazon auch in den USA

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Rund 3,2 Milliarden Euro Gewinn hat Amazon schon im ersten Viertel des Jahres 2019 gemacht – ein Rekord. Das Geld für höhere Löhne sei also durchaus da, argumentiert deshalb die Gewerkschaft Verdi. „Während Amazon mit satten Preisnachlässen beim Prime-Day zur Schnäppchenjagd bläst, wird den Beschäftigten eine existenzsichernde tarifliche Bezahlung vorenthalten", sagt Verdi-Handelsexperte Orhan Akman.

Sollten sich Verbraucher solidarisch zeigen?

Auch, wenn sich laut Amazon bislang „nur wenige Mitarbeiter" an dem Streik beteiligt haben, so hat die Aktion doch große Medienaufmerksamkeit auf sich gezogen. Und damit erneut eine überfällige moralische Gesellschaftsfrage aufgeworfen: Sollten sich Verbraucher solidarisch zeigen und Amazon so lange boykottieren, bis gerechte Arbeitsbedingungen herrschen? Würden sich zwei Drittel der rund 17 Millionen deutschen Prime-Mitglieder (Quelle: Statista / 2016) an dem Streik beteiligen, wäre der bislang größte Streik-Rekord Deutschlands bei weitem übertroffen.

Ein absurder Gedanke? Keineswegs. Denn ein Blick in die Geschichte zeigt: Schon oft standen Millionen Bürger hinter den Streikenden.

Der Streik mit den meisten Beteiligten

Über neun Millionen Arbeitnehmer aus Industrie, Handwerk, Handel und Verkehrswesen nahmen am 12. November 1948 an einer generalstreikähnlichen „Arbeitsruhe“ in der sogenannten Bizone, dem Zusammenschluss von amerikanischer und britischer Besatzungszone, teil. In beiden Zonen befanden sich 80 Prozent aller Beschäftigten im Ausstand. An diesem Tag also streikten mehr Arbeiter in Deutschland als in allen Streiks in den 20 darauffolgenden Jahren zusammen.

Hintergrund war der Aufruf des DGB-Gewerkschaftsrats, für Lohnerhöhungen und Demokratie in der Wirtschaft die Arbeit niederzulegen. Kundgebungen und Versammlungen waren allerdings aus Angst vor Ausschreitungen verboten worden und die Menschen hielten sich auch daran. Wenn die Gewerkschaften auch „mit Befriedigung den imposanten Verlauf" der Geschehnisse vom 12. November zur Kenntnis nahmen, so wurde das Streikziel nicht erreicht.

Der längste Streik

Ganze 16 Wochen lang verweigerten im Jahr 1956/57 insgesamt 33.000 Metaller in Schleswig-Holstein die Arbeit. Ihr Ziel: Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Getoppt wurde das von Arbeitern in der Granitbranche im Bayerischen Wald: 301 Tage dauerte der Streik, bis ein Kompromiss gefunden werden konnte.

Doch noch Streiks? Ufo startet Urabstimmung bei Eurowings

Alles Peanuts für rund 150 Beschäftigte im nordrhein-westfälischen Zementwerk in Erwitte: Im März 1975 legten sie dort wegen drohenden Kündigungen ihre Arbeit nieder und besetzten den Betrieb in einem „wilden Streik“ ganze 449 Tage lang. Unterstützt wurden die Arbeiter mit Sach- und Geldspenden von Menschen aus der Region. Höhepunkt der Mobilisierung war die Solidaritätskundgebung mit 12.000 Menschen am 1. Mai 1975 in Erwitte. Nach mehreren Arbeitsgerichtsprozessen wurde ab Oktober 1976 in dem Zementwerk wieder produziert. Von den ursprünglichen Arbeitnehmern nahmen 45 ihre Tätigkeit wieder auf.

58.000 Beschäftigte traten 1984 in den Streik. (Bild: Getty Images)
58.000 Beschäftigte traten 1984 in den Streik. (Bild: Getty Images)

Härtester Metallerstreik

1984 rief die IG Metall in Hessen und Nordwürttemberg-Nordbaden zum Streik für die 35-Stunden-Woche auf. Es traten bis zu 58.000 Beschäftigte in den Ausstand, 160.000 wurden ausgesperrt, 451.000 waren in anderen Regionen wegen streikbedingter Produktionsstörungen ohne Arbeit. Der Streik dauerte 52 Tage, die Arbeitgeber errechneten zehn Millionen verlorene Arbeitstage.

Der Streik mit dem besten Ergebnis

Rund 60.000 Stahlarbeiter legten 1978/79 in Nordrhein-Westfalen für sechs Wochen die Arbeit nieder, um eine Arbeitszeitverkürzung auf 35 Wochenstunden durchzusetzen. Das Ergebnis: sechs Wochen Urlaub für alle Beschäftigten und Freischichten für ältere Kollegen.

Das Streik-Jahr 2018

Die Streikbeteiligung ist von 131.000 im Jahr 2017 auf knapp 1,2 Millionen Streikteilnehmerinnen und -teilnehmer 2018 gestiegen. Das geht aus der Jahresbilanz zur Arbeitskampfentwicklung des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) hervor.

Dadurch sind rund eine Million Arbeitstage ausgefallen. "Ausschlaggebend für die deutlichen Anstiege bei Streikbeteiligung und Ausfalltagen waren die umfangreichen Streikaktionen während der Metall-Tarifrunde im vergangenen Jahr. Allein auf diesen Arbeitskampf entfielen rund 60 Prozent aller Ausfalltage sowie mehr als drei Viertel aller Streikbeteiligten des Jahres 2018,“ so der WSI-Arbeitskampfexperte Dr. Heiner Dribbusch.

Im Vergleich zu anderen Ländern wird in Deutschland wenig gestreikt. (Bild: Getty Images)
Im Vergleich zu anderen Ländern wird in Deutschland wenig gestreikt. (Bild: Getty Images)

Streikrepublik Deutschland? Keineswegs!

In der internationalen Streikstatistik, bei der die arbeitskampfbedingten Ausfalltage pro 1.000 Beschäftigte betrachtet werden, liegt Deutschland nach wie vor im unteren Mittelfeld. Nach Schätzung des WSI fielen hierzulande zwischen 2008 und 2017, dem letzten Jahr, für das international vergleichbare Daten vorliegen, im Jahresdurchschnitt pro 1.000 Beschäftigte rechnerisch 16 Arbeitstage aus.

In Dänemark waren es im gleichen Zeitraum 116 und in Frankreichs Privatwirtschaft 118 Ausfalltage. Auch in Belgien, Kanada, Spanien und Norwegen fallen deutlich mehr Arbeitstage durch Arbeitskämpfe aus. Ein merklich niedrigeres Streikvolumen als in Deutschland findet sich in Polen, Schweden, Österreich und der Schweiz. In Italien und Griechenland wird seit längerem keine Streikstatistik mehr geführt.

(Mit Material der Deutschen Presse-Agentur dpa)