Amazon nach Jeff Bezos: Geht das gut?
Das Undenkbare tritt ein: Jeff Bezos wird nach knapp 27 Jahren als Amazon-CEO den Rückzug antreten. Die Wall Street ist sich sicher: Nachfolger Andy Jassy wird’s schon richten. Unterschätzt sie die Risiken?
Man kann sich Jeff Bezos als einen modernen Thomas Edison vorstellen: als unerschütterlichen Gründer, der eine ganze Ära erleuchtete. Ohne den unbeirrbaren Ehrgeiz eines 30-jährigen Informatikers mit einer höchst eigenwilligen Lache wäre das Internet vermutlich nicht das, was es heute ist: das Einkaufs-, aber auch gleichzeitig das Rechenzentrum der Welt.
Amazon wird an der Wall Street mit 1,65 Billionen Dollar bewertet und ist damit nicht nur mit Abstand der wertvollste Internetkonzern, sondern nach Apple, Saudi Aramco und Microsoft tatsächlich bereits die Nummer vier der Welt nach der Marktkapitalisierung.
Jeff Bezos übergibt auf dem Höhepunkt CEO-Posten
Jeff Bezos ist für diese in der Börsenhistorie einzigartige Wertschöpfung im Alleingang verantwortlich. Noch nie ist es einem CEO gelungen, innerhalb seines Wirkungszeitraums eine größere Steigerung des Unternehmenswerts zu generieren.
Revenue generated every second:
Amazon: $15,969 per second
Apple: $14,331 per second
Google: $7,237 per second
Samsung: $7,072 per second
Microsoft: $5,479 per second
Facebook: $3,570 per second
Tesla: $1,367 per second
Netflix: $845 per second— Jon Erlichman (@JonErlichman) February 9, 2021
Den Nachweis seiner Exzellenz lieferte Bezos erst vor einer Woche bei Verkündung der Geschäftsbilanz für das abgelaufene Weihnachtsquartal, in dem Amazon den Fabelumsatz von 126 Milliarden Dollar auswies. In anderen Worten: der Internetpionier generierte fast 16.000 Dollar Umsatz pro Sekunde.
AWS-Chef Andy Jassy wird Nachfolger
Die Billionen-Dollar-Frage, welche Auswirkung der CEO-Wechsel beim Internetgiganten haben dürfte, wurde von der Wall Street angesichts der Nachfolge zunächst mit relativem Achselzucken quittiert. Seit der überraschenden Bekanntgabe im Anschluss an die jüngste Quartalsbilanz vergangene Woche gab die Amazon-Aktie um gerade mal drei Prozent nach.
Amazon’s annual cloud revenue:
2020: $45.4 billion
2019: $35.0 billion
2018: $25.7 billion
2017: $17.5 billion
2016: $12.2 billion
2015: $7.9 billion
2014: $4.6 billion
2013: $3.1 billionhttps://t.co/tK6DF8B0rG— Jon Erlichman (@JonErlichman) February 11, 2021
Der Grund: Mit Andy Jassy übernimmt die bisherige Nummer zwei das Ruder. Jassy galt unter Branchenbeobachtern bereits als Kronprinz., weil es dem 53-Jährigen gelungen war, mit Amazon Web Services (AWS) die wichtigste Konzernsparte aufzubauen, die im vergangenen Geschäftsjahr bereits für 45 Milliarden Dollar Umsatz verantwortlich war und mehr als die Hälfte der Gewinne generierte.
James Cramer: Amazon folgt Apples Vorbild
Allein: Reicht ein ‚Weiter-so’ im Autopilotmodus, um Amazons einzigartigen Wachstumskurs auch in dieser Dekade zu sichern? Wall Street-Experten sind der Meinung: „Ich erinnere noch die Aufregung, an der Apple-Aktie festzuhalten, nachdem Steve Jobs gestorben war“, erinnert CNBC-Marktkommentator James Cramer.
TheStreet's @byKatherineRoss and @jimcramer discussed Amazon ( $AMZN ) founder and CEO Jeff Bezos's decision to step down after 26 years, Alphabet's ( $GOOGL ) record earnings, and markets today.https://t.co/ycV15TtnK8
— TheStreet (@TheStreet) February 3, 2021
„Man sollte sich stattdessen lieber auf das Produkt konzentrieren. Bei Amazon ist das Produkt die Kundenzufriedenheit. Es ist das beste Produkt der Welt“, erteilt Cramer dem E-Commerce-Giganten weiter den Ritterschlag. Folgt Amazon dem Vorbild von Apple, steht Jessy möglicherweise eine weitere goldene Dekade bevor: Unter Jobs’ Nachfolger Tim Cook haussierte Apple bislang um fast 1000 Prozent.
Unterschätzt die Wall Street das Risiko des Microsoft-Beispiels?
Zumindest mittelfristig könnte Amazon von Bezos’ Magie profitieren. Einerseits bleibt der 57-Jährige im Unternehmen, wird Aufsichtsratschef und will sich um neue Entwicklungen kümmern. Zudem erklärte Bezos einst, dass der gegenwärtige Quartalserfolg bereits zwei bis drei Jahre im Voraus „gebacken“ worden sei.
Es gibt jedoch auch andere Beispiele aus dem Tech-Sektor, als die Stabübergabe verpatzt wurde. Als Bill Gates zu Beginn des Jahres 2000 ziemlich überraschend die Führung bei Microsoft an seinen langjährigen Vize Steve Ballmer übergab, war der Softwarepionier der wertvollste Konzern der Welt und scheinbar prädestiniert für eine goldene Ära.
Es sollte jedoch ganz anders kommen. Unter Ballmer verpasste Microsoft die großen Trends der Nullerjahre: den Aufstieg der Internetsuche, von Social Media und vor allem des Smartphones und Tablets. Es sollte 17 Jahre dauern, bis Microsoft wieder neue Allzeithochs markierte – nämlich erst unter Ballmers Nachfolger Satya Nadella, der mit dem Cloud Computing einen neuen Wachstumsmarkt entdeckte. Die gute Nachricht für Amazon-Aktionäre: Der neue CEO hat den Internetveteranen in diesem Segment bereits zum Marktführer gemacht.