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Nun also doch: Russland legt Milliarden-Wiederaufbauplan auf

Die Coronakrise setzt vielen russischen Firmen zu: Sie mussten Löhne weiterzahlen – ohne Staatshilfen. Nun legt der Kreml ein Konjunktur- und Reformprogramm auf.

Der Kreml hat ein umgerechnet 55 Milliarden Euro großes Konjunktur- und Reformprogramm aufgelegt. Foto: dpa
Der Kreml hat ein umgerechnet 55 Milliarden Euro großes Konjunktur- und Reformprogramm aufgelegt. Foto: dpa

Kehrtwende an der Moskwa: Auf dem Höhepunkt der Coronakrise hatte die russische Regierung Millionen Beschäftigte gezwungen, zu Hause zu bleiben. Ihre Arbeitgeber mussten die Löhne voll weiterbezahlen. Viele Firmen gerieten an den Rand der Zahlungsunfähigkeit und riefen nach Staatshilfen. Zeigte der Kreml den Unternehmern da noch die kalte Schulter, wird nun ein umgerechnet 55 Milliarden Euro großes Konjunktur- und Reformprogramm aufgelegt.

Der von der Regierung beschlossene „nationale Aktionsplan zur Wiederherstellung von Beschäftigung und Einkommen, Wirtschaftswachstum und langfristigen Strukturveränderungen in der Wirtschaft“ zielt neben konkreten finanziellen Unterstützungen für den Mittelstand auf langfristige strukturelle Veränderungen in der Wirtschaft.

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Dazu sollen private Investitionen unterstützt, die Importsubstitution soll vorangetrieben und zugleich sollen Exporte gefördert werden. Zudem soll die Rüstungsindustrie diversifiziert, der agroindustrielle Komplex ausgebaut, ein schneller und qualitativ hochwertiger Wohnungsbau forciert, die Verkehrsinfrastruktur massiv ausgebaut und allgemein das Geschäftsklima verbessert werden.

Dadurch soll ein jährliches Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 3,5 Prozent erreicht werden, und die Investitionen in Anlagevermögen sollen um fünf Prozent gesteigert werden, sagte der für Wirtschaft zuständige Erste Vizepremierminister Andrej Beloussow. Die Arbeitslosenquote solle unter fünf Prozent sinken, die Realeinkommen sollten wieder stetig steigen.

Von all dem ist Russland seit der Coronakrise noch weiter entfernt als zuvor. Zudem ist offen, woher die umgerechnet 55 Milliarden Euro für das Konjunkturprogramms in den nächsten zwei Jahren kommen sollen. „Die finanzielle Situation wird in naher Zukunft schwierig sein. Dies wird sich auf den Umfang der Finanzierung auswirken“, warnt Natalja Akindinowa, Direktorin des „Center for Development“ an der Moskauer Higher School of Economics (HSE).

Sind die Szenarien zu optimistisch?

In seiner am Sonnabend veröffentlichten Konjunkturprognose geht Russlands Wirtschaftsministerium von einem BIP-Wachstum 2021 von 3,3 Prozent und für 2022 von 3,4 Prozent aus. Und dies nur im positiven Szenario. In der parallel veröffentlichten konservativen Prognose mit niedrigerem Ölpreis und schwächerem Rubel liegen die Wachstumsraten bei 2,7 und 2,9 Prozent.

Doch auch dies könnte noch zu optimistisch sein, denn beide Szenarien schließen einen neuen großen Lockdown infolge einer zweiten Coronawelle aus – obwohl die Infiziertenzahlen inzwischen wieder so hoch sind wie vor zwei Monaten und allein in Moskau von Montag an zwei Millionen Hauptstädter in Quarantäne sollen.

Unternehmensverbände warnten dringend vor einem neuerlichen Lockdown in Russland: „Die Reserven der meisten Firmen sind aufgebraucht“, erklärte Alexander Kalinin vom Mittelstandsverband „Unterstützung Russlands“. Pawel Titow vom Wirtschaftsklub „Business Russland“, ergänzte: „Die überwältigende Mehrheit der Mittelständler würde die neue Schließungswelle wohl einfach nicht überleben.“ Es herrsche bereits Panik, berichtet Igor Stojanow, Gründer der Kosmetikkette „Persona“.

Hinzu kommt eine erhebliche Verarmung durch die Coronakrise. Laut einer HSE-Untersuchung ist die russische Mittelschicht, der vor der Pandemie 24 Prozent der arbeitenden Bevölkerung zuzurechnen waren, um 6,1 Prozent geschrumpft. Grund sind der Verlust von Arbeitsplätzen und der Rückgang der Einkommen.

Generell sind die Einkommen durch die Krise um 11,5 Prozent gesunken. Schon 2019 lagen die Arbeitseinkommen bei nur noch 93,7 Prozent vom Niveau des letzten Jahres vor den ein Jahr später auferlegten und dann weiter verschärften Russlandsanktionen. Jeder zehnte russische Arbeitnehmer bekommt demnach seit der Coronakrise wieder „graue“ Löhne – bar und unversteuert.

Beide Tendenzen senken die Staatseinnahmen. Dazu trägt auch der drastische Rückgang der russischen Gasexporte bei: Für dieses Jahr rechnet das Wirtschaftsministerium nur noch mit Gasausfuhren von 184,4 Milliarden Kubikmetern. Das wären 16,4 Prozent weniger als 2019. Auch die Exportpreise sinken weiter infolge des Ölpreisverfalls: Für das laufende Jahr rechnet die Ratingagentur mit nur noch 119 Dollar pro 1000 Kubikmeter nach 211 Dollar im Jahr zuvor.