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Alexej Mordaschow: Der Oligarch, der Tui retten soll

Der angeschlagene Reisekonzern will über eine Kapitalerhöhung genug Geld zum weitermachen einsammeln. Schlüsselfigur: der russische Großaktionär.

Tui werde seine führende Position auf dem Reisemarkt behaupten können., sagt Großaktionär Mordaschow. Foto: dpa
Tui werde seine führende Position auf dem Reisemarkt behaupten können., sagt Großaktionär Mordaschow. Foto: dpa

Während Alexej Mordaschow auf der Hauptversammlung des Reisekonzerns Tui am Dienstag seine vorherrschende Stellung noch ausbauen will, setzt der Stahlmagnat privat auf Luxusjacht statt Kreuzfahrt: 142 Meter lang und nach Expertenschätzungen 300 bis 500 Millionen Dollar teuer ist sein neues Schiff „Nord“ von der Bremer Lürssen Werft. Berichtet hat das Ende 2020 die russische Ausgabe des Magazins „Forbes“.

Mordaschow, der bisher die Rolle des bescheidenen Oligarchen einnahm und Sätze wie „ich kann ja keine zwei Anzüge gleichzeitig tragen“ formulierte, rückt damit in die Klasse der russischen Jetset-Oligarchen auf. Auch wenn seine mit Hubschraubergarage versehene Jacht gut 20 Meter kürzer ist als die „Eclipse“ Roman Abramowitschs, früherer Besitzer des Ölkonzerns Sibneft und Eigners des Londoner Fußballklubs FC Chelsea.

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Der in der nordrussischen Stahlstadt Tscherepowez geborene Mordaschow ist seit 2007 Aktionär bei Tui, und sein Investmentvehikel Unifirm Ltd. hält mit bisher 24,9 Prozent den größten Anteil an Europas Reisemarktführer. Auf der außerordentlichen Hauptversammlung an diesem Dienstag soll eine Kapitalerhöhung um 500 Millionen Euro beschlossen werden. Der Anteil von Mordaschows auf Zypern registrierter Unifirm am angeschlagenen Konzern stiege dann auf mindestens 29,9 Prozent.

Da die Finanzaufsicht Bafin Mordaschow am Montag von einem Pflichtangebot an die übrigen Tui-Aktionäre befreite, das normalerweise bei einem Überschreiten der 30-Prozent-Schwelle fällig würde, darf er seine Beteiligung sogar auf bis zu 36 Prozent aufstocken. Die Befreiung hatte der Russe zur Bedingung dafür gemacht, dass er bei der anstehenden Kapitalerhöhung neue Tui-Aktien für bis zu 266 Millionen Euro zeichnen werde. Sonst hätte er sich auf maximal 29,9 Prozent beschränkt.

Die Mordaschow-Familie, Vater Alexej hat bereits Firmenanteile und Teile seines Vermögens an zwei seiner sechs Kinder übergeben, bestätigte dem Handelsblatt die Teilnahme an der Kapitalerhöhung. „Als langfristiger strategischer Investor bei Tui bin ich zuversichtlich, dass das Geschäftsmodell unverändert bleibt und die mittel- bis langfristigen Perspektiven des Unternehmens gut sind“, sagte Mordaschow.

Tui war wegen der Corona-Pandemie und des massiven Rückgangs des Tourismus in eine tiefe Krise gerutscht. Der Konzern konnte nur mit Milliarden der bundeseigenen Kreditanstalt für Wiederaufbau und den am Dienstag erfolgenden weiteren Kapitalerhöhung sowie neuen staatlichen Hilfen vor dem Kollaps bewahrt werden. In dem im September beendeten Geschäftsjahr war ein Betriebsverlust von rund drei Milliarden Euro angefallen.

Dabei hatte Mordaschow seine bis auf Tui weitgehend abgewickelten Auslandsengagements auf einer Konferenz in Moskau zuletzt als „ein Meer von Fehlern“ bezeichnet. Beim Reisekonzern war er 2007 eingestiegen – nachdem die Fusion seines Stahlkonzerns Severstal mit dem luxemburgischen Stahlkocher Arcelor durch ein höheres Angebot der indischen Mittal-Gruppe vereitelt worden war.

Er glaube immer noch an den Konzern: „Tui wird in naher Zukunft zu nachhaltigem Wachstum zurückkehren und seine führende Position im dynamischen Reisemarkt behaupten“, so Mordaschow. Vor allem sehe er den Wandel vom alleinigen Reisevertrieb hin zur Entwicklung „einzigartiger Reiseprodukte“ und die digitale Transformation des Unternehmens mit seinem eigenen Netzwerk von Hotels, Kreuzfahrtschiffen und Fluggesellschaften. Tui werde seine führende Position auf dem Reisemarkt behaupten können.

Vermögensübertragung an die Söhne

Das auf Geldranglisten spezialisierte Wirtschaftsmagazin „Forbes“ notiert ihn mit einem Vermögen von 23,7 Milliarden Dollar als viertreichsten Russen. Seinen volljährigen Söhnen Kirill und Nikita hat der fließend Deutsch sprechende Oligarch bereits Teile seines Tui-Investments und 65 Prozent seiner 98,4-prozentigen Beteiligung am Edelmetallförderer Nordgold übertragen.

„In meinen Firmen arbeiten 140.000 Menschen, für sie trage ich die Verantwortung“, sagt der Unternehmer. Da müsse er „für Stabilität sorgen, auch nach dem Vererben“. Deshalb würden seine beiden Söhne in einem neuen Familien-Fonds Verantwortung übernehmen und quasi für später trainieren. Ilja, sein ältester Sohn aus erster Ehe, ist bisher leer ausgegangen, nachdem seine damalige Frau Elena ihn von 2001 an mit einem Rosenkrieg bis hin zum Europäischen Menschenrechtsgerichtshof überzogen und zeitweise seine Aktien hatte pfänden lassen.

An die heute 77 Prozent betragende Beteiligung am Stahlkocher Severstal in seiner Heimatstadt kam der einst beste Schüler seiner Schule zu Beginn der Privatisierung im Russland der frühen 1990er-Jahre durch einen Trick. Im Alter von 27 Jahren kaufte der zuvor als Mitglied der Kommunistischen Partei eingeschriebene Mordaschow hinter dem Rücken des damaligen Generaldirektors auf eigene Rechnung eine Mehrheit am bisherigen Staatsbetrieb zusammen.

Streit gibt es auch mit Siemens Energy um die künftige Fertigung großer Turbinen in Russland. Dies bestätigte ein Sprecher des Münchener Konzerns dem Handelsblatt. In dem Konflikt soll laut Handelsblatt-Informationen damit gedroht worden sein, dass Mordaschows Anlagenbauer „Silowyje Maschiny“ die Deutschen aus der Produktion in Russland verdränge – während Siemens angestrebt hatte, die Mehrheit in einem gemeinsamen Joint Venture zu bekommen.

Aber Mordaschow, der auch Vizepräsident der deutsch-russischen Auslandshandelskammer (AHK) ist, genießt gerade bei deutschen Unternehmern einen exzellenten Ruf: Heinrich Weiss, langjähriger Vorstands- und Aufsichtsratschef des Hütten- und Stahlanlagenbauers SMS Group, hatte Mordaschow diesen Posten angeboten. „Ich kannte ihn seit vielen Jahren als wichtigen Kunden, und in Russland muss man von Inhaber zu Inhaber gute Kontakte aufbauen und eine Vertrauensbasis schaffen“, sagte der frühere BDI-Chef dem Handelsblatt.

Mordaschow sei „einer der Oligarchen gewesen, die ich kannte, und er war der polyglotteste“. Er habe zudem nicht nur an sein Stahlwerk gedacht, sondern sich mit dem Tui-Engagement „schon früh international orientiert“, so Weiss über Mordaschow. Auch Klaus Mangold, einst Chef des Ost-Ausschusses der deutschen Wirtschaft, hält Mordaschow für einen „großartigen Unternehmer mit langreichenden Perspektiven“. Er sei „ein Fels in der Brandung, wann immer es um ein Commitment zu deutsch-russischen Wirtschaftsbeziehungen geht“. Und Mordaschows Tui-Investment nennt der 2019 abgelöste Aufsichtsratschef des Touristikkonzerns „exzellent und außergewöhnlich“.

„Wie bei Amazon“

Dies könnte man in jedem Fall über Mordaschows wirtschaftlichen Erfolg sagen: Während der russische Aktienindex im vorigen Jahr gut zehn Prozent einbüßte, legten die Papiere seines Severstal-Konzerns trotz Coronakrise um gut 40 Prozent zu. Neben Stahl, Kohle, Erz, Gold und Birkenholz ist Mordaschows Holding auch bei der russischen Supermarktkette Lenta, dem Onlinehändler Utkonos und bei Firmen aus der Gesundheits- und Bildungsbranche investiert. Daraus wolle er ein Ökosystem bauen „vom Typ Amazon“, betont Mordaschow.

Mordaschow, der immer damit kokettierte, weniger durch ausschweifenden Lebensstil als russische Milliardärskollegen exponiert zu sein, ist dennoch auch ein klassischer Oligarch – also ein mit der politischen Führung des Landes verbandelter und den Kreml medial unterstützender Unternehmer. Denn auch Anteile der von engsten Freunden des Staatspräsidenten Wladimir Putin und unter westliche Sanktionen gestellten Skandal-Bank „Rossija“ nennt er sein Eigen; sowie eine Beteiligung an der Nationalen Medien-Gruppe zusammen mit einem Jugendfreund des Kremlchefs. Nur eine der größten Jachten der Welt fehlte bis vor Kurzem noch.