Für Unternehmen, die gerne das Geld der Aktionäre nehmen, aber sie nicht so richtig gerne mit entscheiden lassen, hat das deutsche Firmenrecht eine passende Struktur im Angebot: Die Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA). Bei Investoren nicht übermäßig populär, schien die KGaA zuletzt eher auf dem Weg zum Müllhaufen der Geschichte — Fresenius Medical Care plant eine Neuaufstellung, und auch bei der DWS sollen sich einige Manager etwas mehr Unabhängigkeit vom Komplementär Deutsche Bank wünschen. Schaeffler ist zwar keine KGaA, will aber im ähnlichen Geist stimmrechtslose Vorzüge in Stammaktien umwandeln.
Anders beim Windfarm-Entwickler Abo Wind, wo auf der heutigen HV die Umwandlung in eine KGaA auf der Tagesordnung steht. Der Vorstand will damit die Kapitalaufnahme erleichtern und und “gleichzeitig den familienunternehmerischen Charakter erhalten”. Einige Aktionäre rebellieren, der 5%-Investor Enkraft Capital hat eine Sonderprüfung beantragt. Am Ende dürfte es auf die Haltung des Energieversorgers Mainova ankommen, mit 10% drittgrößter Aktionär und wohl Zünglein an der Waage.
Gemeinhin gilt: Brummt der Laden, scheren sich die Minderheitsaktionäre wenig um die Mitspracherechte, ist die Rechtsform egal. Sobald es aber nicht mehr so rund läuft und das Unternehmen frisches Geld braucht, wird die Struktur zum Thema beim Umwerben der Investoren — siehe Fresenius Medical Care, siehe Schaeffler. Ob der Formwechsel bei Abo Wind die Kapitalaufnahme wirklich erleichtert, wird sich zeigen: Die Aktie hat seit Ankündigung des Plans im Juni über 30% verloren.
Was Marktteilnehmer heute noch bewegen könnte, berichten Ihnen Rainer Bürgin und Boris Groendahl: Noch’n Problem, von Frau zu Frau, Naher Osten köchelt, robuste US-Wirtschaft, und look what you made me do.
Noch’n Problem
Als ob die verbaselte Energiewende für Wirtschafts- (und Klima-) Minister Habeck nicht schon herausfordernd genug wäre, hat er mit dem Hilfeschrei von Siemens Energy nun ein weiteres, multidimensionales Problem an der Backe. Die will Garantien in Höhe von 16 Milliarden Euro von der Bundesregierung, um das — an sich gut laufende — Geschäft mit Gasturbinen und Netztechnik abzusichern, während das Windturbinenproblem endlich in Ordnung gebracht wird. Hauptaktionär Siemens macht sich bei der Aktion derweil einen schlanken Fuß. Wie soll Habeck das seinem marktnahen FDP-Koalitionspartner und seiner antikapitalistischen Basis erklären? Hilfreich könnte da sein, dass Siemens Energy mit seinem Portfolio aus Windmühlen und Gaskraftwerken — wenn mal wieder kein Lüftchen weht — ein Kernelement der Ampel-Umbaupläne für die deutsche Wirtschaft darstellt. Systemrelevant, sozusagen. Die ganze europäische Branche ist in der Krise, mit unrentablen Verträgen, Konkurrenz durch billigere chinesische Produkte und einem schleppenden Ausbau von Windparks, auf die niemand starren möchte. “Siemens Gamesa ist ein tragischer Fall, aber nicht symbolisch für die gesamte Windindustrie”, behauptet standhaft DIW-Ökonomin Claudia Kemfert.
Von Frau zu Frau
In Athen, dem Epizentrum der letzten großen europäischen Staatsschuldenkrise, hat die EZB der Regierung in Rom gerade einen großen Gefallen getan. Wie mit dem Billionenberg an Staatsanleihen umzugehen sei, den die Notenbank über die Jahre angehäuft hat, sei bei der gestrigen Ratssitzung gar nicht gesprochen worden, erklärte Präsidentin Lagarde. Prompt schnurrte der Renditeaufschlag italienischer Staatsanleihen gegenüber Bunds — das übliche Maß für das Italienrisiko — auf unter 200 Basispunkte zusammen. Ein schönes Geschenk für Ministerpräsidentin Meloni, die zur Finanzierung ihrer Wahlversprechen das Defizit gerne ausweiten würde und Sorgen der Märkte um die italienischen Staatsfinanzen gar nicht gebrauchen kann. Der ehemaligen französischen Finanzministerin ist das Terrain nicht unbekannt. “Wir sehen einen nie dagewesenen Ausverkauf bei italienischen BTPs, und das wird mit der fiskalischen Glaubwürdigkeit, für die sich diese Regierung entschieden hat, nicht besser werden”, hatte Allianz-Chefvolkswirt Subran vor der EZB-Sitzung auf Bloomberg TV gesagt.
Naher Osten köchelt
Israel hat nach eigenen Angaben die zweite Nacht in Folge Truppen zu begrenzten Angriffen in den Gazastreifen geschickt. Unterdessen laufen die Vorbereitungen für eine größere Bodenoffensive. Luftangriffe wurden fortgesetzt und Dutzende Ziele der Hamas angegriffen, darunter Raketenabschussrampen. Die USA haben Einrichtungen im Osten Syriens angegriffen, die ihrer Ansicht nach vom Iran genutzt werden, um US-Personal in der Region anzugreifen. Öl-Futures stiegen daraufhin. US-Verteidigungsminister Austin betonte, dass die “Selbstverteidigungsangriffe” als “getrennt und verschieden” vom Krieg zwischen Israel und der Hamas zu betrachten seien. Irans Außenminister Amirabdollahian warnte vor der UN-Vollversammlung, dass die USA bei einer Eskalation des Krieges nicht ungeschoren davonkommen würden. Die USA verstärken ihre Präsenz im Nahen Osten, darunter mit zwei Flugzeugträgergruppen. Damit soll auch der Iran abgeschreckt werden. Der hält seinerseits Armeeübungen ab, um Kampfbereitschaft und Abschreckung zu erhöhen.
Robuste US-Wirtschaft
US-Milliardär Steve Cohen meint, dass die US-Wirtschaft in diesem Jahr kurz in eine Rezession fallen könnte, von der sie sich im ersten Quartal 2024 wieder erholt. Das sei dann aber nur ein “falscher Schrecken”, sein 31,4-Milliarden-Dollar-Hedgefonds Point72 Asset Management sei nach wie vor “ziemlich positiv” für die Wirtschaft. Mit einer annualisierten Rate von 4,9% wuchs die US-Wirtschaft im letzten Quartal dank eines kräftigen Anstiegs der Konsumausgaben so stark wie seit fast zwei Jahren nicht mehr. Viele Ökonomen erwarten allerdings, dass sich das Wachstum in den letzten Monaten des Jahres verlangsamen wird, da die Kreditkosten größere Anschaffungen erschweren. Die “Widerstandsfähigkeit” der Wirtschaft sei der Grund für den Anstieg der längerfristigen Anleiherenditen in den letzten Monaten und nicht der sprunghafte Anstieg der Staatsverschuldung aufgrund des wachsenden Haushaltsdefizits, erklärte US-Finanzministerin Janet Yellen gegenüber Bloomberg TV.
Look what you made me do
Unsere Kollegen vom Superreichen-Index Bloomberg Billionaires haben gerechnet und sind jetzt bereit, es offiziell zu machen: Taylor Swift ist Milliardärin. Anders als andere Stars schuf die 33-jährige Titanin der Popmusik ihr zehnstelliges Vermögen bislang fast ausschließlich direkt mit ihrem Musikgeschäft. Ihre “Eras”-Tournee füllt Fußballstadien und Kinosäle und wurde von Fed-Chef Powell als Faktor bei der Beurteilung von Inflation und Konjunktur in den USA erwähnt. Ungewöhnlich ist, dass Swift es schafft, erhebliche Umsätze mit physischen Musikträgern wie Schallplatten und CDs zu machen, nicht nur mit dem für die Künstler weniger einträglichen Streaming. Noch ungewöhnlicher — und am Ende gewinnbringender — war ihr Schritt, ihre ersten sechs Alben komplett neu zu produzieren, nachdem sie erzürnt über den Rechte-Weiterverkauf ihres ehemaligen Labels war. Ihr neun Jahre alter Kassenschlager 1989 erscheint heute als Taylor’s Version und niemand wäre erstaunt, wenn sie damit erneut Rekorde brechen würde.