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Agenturwerber Alexander Schill – der selbsternannte Weltveränderer

Der Kreativchef der Agenturgruppe Serviceplan entwirft nicht nur Kampagnen für Großkunden, sondern auch kleine, innovative Projekte. Damit erregt er Aufsehen.

Im Prinzessinnenturm ist es heiß heute. Draußen klettert die Temperatur Richtung 30 Grad, hier drinnen ist es nur geringfügig kühler. Alexander Schill, Kreativchef der Agenturgruppe Serviceplan, sitzt in kurzer Jeans auf dem runden Sofa seines Büro. In dem Gebäude residierte früher eine Bank. Heute thront Schill in dem Turm, den Mitarbeiter nach dem Ausblick einer Königtochter benannt haben.

Der Ausnahmekreative hat es geschafft, die Agentur binnen zehn Jahren an die kreative Spitze des Landes zu bringen. Beweis dieser Leistung ist eine Glasfront, die Schills Büro von dem Großraumbüro in der sechsten Etage trennt: Die Wand ist versehen mit vielen Glasböden, auf denen Miniaturen von Löwen sitzen. Löwen, die Schill und seine Leute jedes Jahr als Auszeichnungen von dem größten internationalen Werbefestival in Cannes nach Hause bringen. Im Juni, als das diesjährige Event endete, sind sechs weitere hinzugekommen.

Dabei sind es längst nicht nur Kampagnen für Großkunden wie BMW, Beck’s und Penny, mit denen die Agentur punktet. Es befinden sich eigenartige Arbeiten darunter, die auf den ersten Blick wenig mit dem Geschäft eines kreativen Dienstleisters zu tun haben. So entwickelten die Werber in Kooperation mit der koreanischen Firma Dot eine Smartwatch für sehbehinderte Menschen. Auf der Armbanduhr erscheinen die Texte in Brailleschrift.

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In einem zweiten Schritt haben die Werber ein kleines Gerät namens Dot Mini auf den Markt gebracht, ein Übersetzungsgerät, das digital erfasste Texte für Sehbehinderte zugänglich macht. Nun ist als dritter Schritt eine Braille-Software hinzugekommen, die Dot verkauft.

Schill hält die Verpackung der Braille-Smartwatch in den Händen. Sie erinnert an die Verpackungen der Kultmarke Apple – weiß, puristisch, edel. Auch die Geräte selbst sehen aus wie die Produkte aus Cupertino. Es ist der erklärte Geschmack der Werber.

Das kommt an: Mit dem Dot-Projekt hat Schill so viele Kreativpreise bekommen wie für kaum eine andere Arbeit.

Vor fünf Jahren startete die Kooperation. Die Agentur Serviceplan wurde über das koreanische Büro auf das Produkt von Dot aufmerksam. Die beiden Firmen vereinbarten eine Beteiligung der Deutschen – daran gekoppelt war eine kostenlose Vermarktung der Produkte. Damals beschäftigte Dot fünf Mitarbeiter, heute sind es 30. Ein Börsengang wird inzwischen erwogen. Eine Win-win-Situation, würden Betriebswirte sagen.

Auch in diesem Jahr spricht Schill in Cannes über das Dot-Projekt. 285 Millionen Menschen seien blind oder sehbehindert, referiert er. Die digitalisierte Welt, die selbst Kaffeegeräten und Waschmaschinen Displays anstelle von haptischen Knöpfen verpasst, bedeute für diese Menschen eine enorme Herausforderung, sagt er. Er sitzt mit einer sehbehinderten Frau auf der Bühne, sie spricht von ihren täglichen Erfahrungen. Der Kreative will die digitale Welt auch den Blinden zugänglich machen, das ist seine Mission.

Warum eigentlich? Bevor Schill diese Frage beantwortet, schweift er ab. Er erzählt von dem diesjährigen überragenden Cannes-Gewinner – der Sportartikelmarke Nike, die den Footballspieler Colin Kaepernick zum Testimonial erklärte, der zuvor gegen Rassismus protestiert hatte. Haltungskampagnen wie diese würden zeigen, „was Agenturen alles tun können“, meint Schill.

Ähnlich wie Wieden + Kennedy, die Agentur hinter der Nike-Kampagne, will auch Schill gesellschaftspolitische Zeichen setzen. Das sei gerade für wirtschaftlich gut aufgestellte Agenturen wie Serviceplan – mit einem Umsatz von 415 Millionen Euro und mehr als 4 000 Mitarbeitern der Marktführer in Deutschland – eine wichtige Aufgabe. „Ich empfinde das als meine Pflicht“, sagt der 50-Jährige.

Agenturen hätten die Möglichkeiten, etwas in der Welt zu verändern. Ein „Weltveränderer“ sei er, sagt Schill von sich selbst.

Wie er so dasitzt, mit Vollbart, Nickelbrille und nachdenklichem Blick, wirkt sein Satz überzeugend. Auch andere Agenturen wandeln auf solchen Wegen. Kolle Rebbe beispielsweise. Die Hamburger Agentur kreierte unter dem inzwischen verstorbenen Kreativchef Stefan Kolle die Öko-Kosmetiklinie „Stop The Water While Using Me“.

Große Liebe zu guter Kreation

Anders als andere Kreative ist Schill seinen Arbeitgebern lange verbunden. Bevor er 2006 zu Serviceplan kam, arbeitete er für die Hamburger Agentur Springer & Jacoby, zuletzt im Rang eines Chief Creative Officers. Es war sein erster Arbeitgeber, als er 1994 in der Werbebranche begann.

Britta Poetzsch, Kreativchefin der Hamburger Agentur Track, hat drei Jahre lang mit Schill zusammengearbeitet. „Er hat eine große Liebe zu guter Kreation“, meint sie. Schill würde viel Kritik üben, sei aber immer auch sehr wertschätzend.

Springer & Jacoby war einst bekannt für seine außerordentliche Kreativität. Schill erhofft sich eine ähnliche Strahlkraft seiner Leuchtturmprojekte hinein in den Rest der Agentur Serviceplan. Projekte wie Dot werden in einem eigenen Team bearbeitet, dem Innovationsteam, bestehend aus zehn Mitarbeitern in München. Und es ist nicht dessen einzige Aufgabe.

In einem anderen Projekt geht es darum, Reisanbau auf dem verseuchten Boden in Fukushima zu ermöglichen. Und zu vermarkten. Dafür ist Schill eine Kooperation mit der Meter Group aus den USA eingegangen. Er will nun Lebensmittelkonzerne dazu bringen, Produkte aus diesem Landstrich wieder zu beziehen. „Ich finde diese Projekte wahnsinnig spannend“, sagt er und blättert versunken in einem Buch, hergestellt aus Papier aus Fukushima.

Schill möchte dem Innovationsteam am liebsten eine eigene Firmenstruktur geben. Dann würde es einen Geschäftsführer geben und Firmenanteile für die Führungskräfte. Serviceplan ist dafür bekannt, immer neue Firmen in seinem Reich zu gründen und damit das Partnermodell zu festigen. Auch auf der Kreativseite hat sich Schill einiges einfallen lassen: 2016 etablierte er das sogenannte internationale „Creative Board“.

Fünf Männer, die Schill für ein offizielles Foto – sehr männlich – in einem Barbershop posieren ließ.

Auch Schills Hobby ist das eines echten Kerls: mit historischen Motorrädern, die einige Jahrzehnte auf dem Buckel haben, an die Strände der Welt cruisen und dort Motorradrennen fahren. Schills Augen leuchten, wenn er von seiner großen Leidenschaft erzählt.

Kein Aufwand ist dann zu groß, er lässt seine Motorräder überall hinbringen, auch über den Atlantik nach New Jersey, um sich mit den besten Fahrern am Strand zu messen. „Das mache ich immer ganz allein – das ist mir wichtig“, sagt er. Es ist sein Energietank, den er braucht, um wieder in das Agenturgeschehen einzutauchen. Hoch oben im Turm in Hamburg.