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AfD-Radikalisierung alarmiert Verfassungsschützer

Im Wahlkampf provozieren AfD-Spitzenpolitiker mit scharfen Attacken auf die Bundesregierung. Sorgen bereitet Verfassungsschützern vor allem der rechtsnationale Flügel. Im Fokus: Kontakte Einzelner zu Rechtsextremisten.

In der politischen Auseinandersetzung ist der AfD offenbar jedes Mittel Recht. Parteivize Beatrix von Storch erfindet ein Zitat von Justizminister Heiko Maas (SPD) und verbreitet es in den sozialen Medien, ihr Co-Vize Alexander Gauland untergräbt rechtsstaatliche Prinzipen, indem er der Integrationsbeauftragten der Bundesregierung, Aydan Özoguz (SPD), ihre staatsbürgerlichen Rechte abspricht und sie in Anatolien „entsorgen“ will.

Nachdem die heftige Kritik an Gaulands Äußerungen bei einer Wahlkampfveranstaltung in Thüringen immer lauter wird, springt ihm der AfD-Bundesvorsitzende Jörg Meuthen bei. Dieser wiederholt Gaulands Attacke nicht nur, sondern er verschärft sie noch. Der Wirtschaftsprofessor, der einst als bürgerliches Aushängeschild der AfD galt, erklärte bei einer Wahlveranstaltung in Nürnberg, Gauland wolle ja nur Özoguz entsorgen. „Unser Ziel ist es, die ganze Regierung Merkel rückstandsfrei zu entsorgen.“ Meuthen sagte dies mit Blick auf den früheren SPD-Chef Sigmar Gabriel, der im Jahr 2012 gesagt haben soll, dass man die Regierung von Angela Merkel (CDU) rückstandsfrei entsorgen wolle.

Zuletzt sorgte ein von der „Welt am Sonntag“ der AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel zugeordneten E-Mail mit rassistischen Bemerkungen und Demokratie-verachtenden Thesen aus dem Jahr 2013. Weidel bezeichnet die Berichterstattung als „unfassbar“ und plumpe Kampagne. Auswirkungen auf die Wählergunst haben die Vorfälle kaum. Zwei Wochen vor der Wahl liegt die AfD in Umfragen klar über der Fünf-Prozent-Hürde und dürfte nach dem 24. September wohl mit Dutzenden Abgeordneten im Bundestag vertreten sein.

Die jüngste Aggressivität der AfD-Spitzenpolitiker von Storch, Gauland, Meuthen und Weidel markiert indes eine neue Qualität in der Entwicklung der Partei. Während sich in der Vergangenheit insbesondere der rechtsnationale Flügel der Partei um die AfD-Landesvorsitzenden Björn Höcke (Thüringen) und André Poggenburg (Sachsen-Anhalt) solcher verbaler Entgleisungen bediente, um gegen die etablierten Parteien Stimmung zu machen, gehören antidemokratische Verbalinjurien inzwischen zum Standardrepertoire der Partei. Selbst wenn Beschimpfungen und Beleidigungen von Verfassungsorganen von der Meinungsfreiheit gedeckt sein mögen, beschäftigen sich mittlerweile Verfassungsschutzbehörden damit.

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Der Thüringer Verfassungsschutz etwa registriert in diesem Zusammenhang eine wachsende Radikalisierung der AfD. Eine Prüfung offener Quellen habe ergeben, „dass einzelne Mitglieder der AfD zunehmend auf rechtsextremistischen Sprachgebrauch zurückgreifen“, sagte der Chef der Behörde, Stephan Kramer, dem Handelsblatt. Mit Sorge betrachteten Verfassungsschützer in dieser Hinsicht den Einfluss der Patriotischen Plattform auf die Partei.

„Vertreter und Protagonisten der Patriotischen Plattform beziehen vermehrt offen rechtsextremistische, insbesondere ethnopluralistische Positionen.“ Gleichwohl sei diese parteiinterne Gruppe, deren Sprecher der Magdeburger AfD-Landtagsabgeordnete Hans-Thomas Tillschneider ist, derzeit kein Beobachtungsobjekt des Verfassungsschutzes.

Kramer sprach sich daher für weitergehende Maßnahmen aus. „Für eine weitere Bewertung bedarf es einer Betrachtung, die sich nicht nur auf einzelne Aussagen von Mitgliedern bezieht, sondern diese in einen Gesamtkontext der bundesweit agierenden Partei stellt“, sagte er. Bei der Prüfung sei zu berücksichtigen, dass sich die Partei in einem „dynamischen Entwicklungsprozess“ befinde. „Ob die extremistischen Positionen einzelner Mitglieder für die Gesamtpartei prägend werden, bleibt dabei abzuwarten.“


„Hau ab, Du verlogenes Dreckschwein“

Tillschneider fällt immer wieder mit scharfen Tönen Richtung Bundesregierung auf. Bei einer Wahlkampfveranstaltung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vor wenigen Tagen im sachsen-anhaltischen Bitterfeld war der Islamwissenschaftler einer von vielen wütenden Protestlern. Mit „Hau ab“-Rufen und Trillerpfeifen wurde der Auftritt der Kanzlerin gestört. Das ARD-Magazin „Panorama“ fragte einige Demonstrierende nach ihren Beweggründen.

Einer nannte die Kanzlerin eine Verbrecherin, ohne diese näher zu begründen, ein anderer behauptete, Merkel habe „Deutschland kaputt gemacht“, was „in unserer Geschichte einmalig“ sei. Auch der Reporter wurde beschimpft. „Hau ab, Du verlogenes Dreckschwein“, rief einer ins Mikrofon. Auch Tillschneider griff zu drastischen Worten: Merkel gehöre „in einer Zwangsjacke aus dem Kanzleramt geführt“. Denn sie habe ihren Amtseid mehrfach gebrochen. Es sei daher durchaus legitim, auch „Hau ab“ zu rufen.

Dass die Patriotische Plattform in den Fokus von Verfassungsschützern rückt, verwundert nicht. Dafür sprechen die inhaltlichen Schnittmengen mit verfassungsfeindlichen Organisationen oder Bewegungen. Und die teilweise persönlichen Kontakte zu deren Repräsentanten. Tillschneider selbst tritt regelmäßig mit Vertretern der Pegida-Bewegung auf, die in Teilen heute schon vom Verfassungsschutz beobachtet wird.

Dem Vorstand der von Tillschneider geführten Patriotischen Plattform gehört auch der Dresdner Richter Jens Maier an. Maier kandidiert für den Bundestag auf dem aussichtsreichen Listenplatz 2 der sächsischen AfD – hinter Landeschefin Frauke Petry. Maier, der sich selbst gern als „kleiner Höcke“ bezeichnet, hatte im Januar als Vorredner des Thüringer AfD-Rechtsaußen Björn Höcke bei dessen heftig kritisierter Dresdner Rede das Ende des deutschen „Schuldkults“ gefordert. Er wandte sich gegen die „Herstellung von Mischvölkern, um die nationalen Identitäten auszulöschen“.

Schon damals beschloss der Landesvorstand, ein Ausschlussverfahren zu beantragen. Dieser Beschluss wurde aber später zurückgestellt. Ein Landesparteitag hatte sich dagegen ausgesprochen und Maier auf Platz zwei der Landesliste zur Bundestagswahl gewählt - hinter der Höcke-Gegnerin Petry.

Abgrenzungsprobleme hat die Patriotische Plattform auch zur rechtsextremen „Identitären Bewegung“ (IB), die vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Zwei Mitglieder der Plattform nahmen vor einiger Zeit an einer Demonstration der „Identitären Bewegung Österreich“ teil. Einer von ihnen - Dubravko Mandic - gehört dem Schiedsgericht des AfD-Landesverbandes in Baden-Württemberg an. Eine Parteikollegin von Mandic, die Stuttgarter AfD-Landtagsabgeordnete Christina Baum, hat offenbar auch keine Berührungsängste mit den „Identitären“.

Die Beobachtung der Gruppierung ist für die AfD-Politikerin rein machttaktisch motiviert. „Damit sollte nun auch dem letzten Zweifler klar geworden sein, dass der Verfassungsschutz zur Einschüchterung Andersdenkender benutzt wird und somit ein Instrument zur Erhaltung der politischen Macht in Deutschland darstellt“, erklärte sie einmal. Und schickte ein Drohung hinterher: „Doch das Volk lässt sich nicht mehr lange einschüchtern. Das Maß ist voll.“

AfD-Bundesvorstandsmitglied Poggenburg sympathisiert zwar nicht offen mit der „Identitären Bewegung“, er lässt aber Mitglieder der Partei gewähren, die dies tun. Etwa bei einer Podiumsdiskussion des neurechten „Compact-Magazins“ im Schweriner Amedia Plaza Hotel im vergangenen Jahr. Neben Poggenburg saß auch der inzwischen wegen Gewaltdrohungen gegenüber politischen Gegnern aus der Partei ausgetretene Schweriner AfD-Vizefraktionschef Holger Arppe auf dem Podium.

Arppe erklärte seinerzeit: „Von der Identitären Bewegung kann sich dieser ganze linksextremistische Abschaum mal eine Scheibe von abschneiden.“ Er sei „ganz klar Gegner dieser Abgrenzerei und Distanziererei, insofern es hier um Organisationen, Vereine oder Projekte geht, die sich im Rahmen des Verfassungsbogens aufhalten“. Er könne jedenfalls nicht erkennen, inwiefern sich die „Identitäre Bewegung“ außerhalb des „Verfassungsbogens“ aufhalte. Poggenburg applaudierte damals zustimmend, wohl wissend, dass der Bundesvorstand einen "Unvereinbarkeitsbeschluss" getroffen hat, wonach es keine Zusammenarbeit der Partei und ihrer Gliederungen mit der "Identitären Bewegung" gebe. Statt darauf hinzuweisen erklärte Poggenburg, dass er zu denjenigen in der AfD gehöre, "die am wenigsten Distanzeritis betreiben".

Eine Sprecherin Poggenburgs legte indes gegenüber dem Handelsblatt Wert auf die Feststellung, dass der Beschluss des Bundesvorstands gelte und auch Poggenburg sich daran halte. Tatsächlich wird der AfD-Politiker in einem Artikel der "Volksstimme" vom November 2016 mit den Worten zitiert: „Wir wollen keine organisatorische oder politische Zusammenarbeit mit der IB.“ Poggenburg sagte aber auch: Wenn sich einzelne AfD-Mitglieder dort engagieren würden, sei das in Ordnung. „Das ist deren Privatsache.“

Dass Poggenburg die Aussagen Arppes stützte ist schon deshalb bemerkenswert, da der AfD-Bundesvorstand einer Zusammenarbeit mit rechten Gruppierungen wie der „Identitäten Bewegung“ eine klare Absage erteilt hat. AfD-Bundeschef Meuthen kündigte damals an, „parteiintern“ die Sache mit Poggenburg anzusprechen. „Wir haben hier vom Bundesvorstand eine völlig klare Linie, die sagt, wir wollen mit der Identitären Bewegung nichts zu tun haben“, so Meuthen im September 2016 im Deutschlandfunk.


AfD-Chef Meuthen bei Parteitreffen mit Pegida-Chef Bachmann

Bei Meuthen scheint indes selbst einen Wandlungsprozess erfolgt zu sein. Während er früher rechten Bestrebungen in seiner Partei deutlich distanziert gegenüberstand, sucht er heute aktiv die Nähe von Rechtsauslegern wie Gauland oder Höcke. Gegen den Thüringer AfD-Chef läuft ein Parteiausschlussverfahren, das jedoch von Meuthen nicht unterstützt wird. Höcke unterhält enge Beziehungen zu Götz Kubitschek und seiner neu-rechten Denkfabrik, dem „Institut für Staatspolitik“ in Schnellroda in Sachsen-Anhalt.

Schon als Bernd Lucke noch die AfD anführte, stellte sich Meuthen gegen die Absicht, Höcke loszuwerden. „Herr Meuthen ist für mich ein klassischer Schattenboxer“, sage seinerzeit der AfD-Vize und Lucke-Mitstreiter Hans-Olaf Henkel. Nach außen tue er so, als würde er sich gegen den rechtsnationalen Höcke-Flügel stellen, nach innen sei er es gewesen, der die Einstellung des Amtsenthebungsverfahrens gegen Höcke mit betrieben habe. „Er tanzt auf allen Hochzeiten“, sagte Henkel über Meuthen.

So ist Meuthen auch auf regelmäßigen Treffen des ultrarechten „Flügels“ zu Gast, einem informellen, gut organisierten Bündnis von Rechtsnationalen in der AfD. Ins Leben gerufen wurde die Gruppierung im März 2015 von Höcke und Poggenburg. Der „Flügel“ entstand als Reaktion auf die Versuche von Parteigründer Lucke, die Partei klar nach rechts abzugrenzen.

Die „Gründungsurkunde“ des Flügels ist die „Erfurter Resolution“. Darin heißt es, die AfD müsse eine „grundsätzliche, patriotische und demokratische Alternative zu den etablierten Parteien“ und eine „Bewegung unseres Volkes“ gegen „Gesellschaftsexperimente“ wie Gender Mainstreaming und Multikulturalismus sein. Der Berliner Politikwissenschaftler Hajo Funke spricht im Zusammenhang mit dem „Flügel“ von einem „völkischen Nationalismus“.

Zu den Erstunterzeichnern der „Erfurter Resolution“ gehört Markus Frohnmaier, der heute für die AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel arbeitet. Weitere Unterstützer der ersten Stunde sind der Vorsitzende der Brandenburger AfD, Andreas Kalbitz, und Tillschneider.

Der „Flügel“ und seine Sympathisanten treffen sich einmal pro Jahr vor dem Kyffhäuserdenkmal in Thüringen. So auch in diesem Jahr. Mit dabei: Neben Meuthen und Gauland auch der AfD-Politiker Mandic sowie „Compact“-Chefredakteur Jürgen Elsässer und Pegida-Chef Lutz Bachmann.

Mittlerweile schauen denn auch Verfassungsschützer genauer hin. Und stellen Beängstigendes fest: Laut dem Thüringer Verfassungsschutz-Chef Kramer gibt es direkte Kontakte zwischen AfD-Akteuren und Rechtsextremisten. „Einzelne Kenn- und Treffverhältnisse von Rechtsextremisten und Mitgliedern der AfD sind bekannt“, sagte der Verfassungsschützer. „Entscheidend ist die Frage, ob die AfD von solchen Rechtsextremisten möglicherweise unterwandert und dann maßgeblich gesteuert wird.“ Hierfür seien derzeit in Thüringen keine tatsächlichen Anhaltspunkte erkennbar.

„Die Bewertung basiert auf den drei Aspekten Mitgliederstruktur, mögliche Zusammenarbeit mit Rechtsextremisten sowie programmatische Inhalte und Äußerungen von Parteimitgliedern und bezieht sich ausschließlich auf öffentlich zugängliches Material“, erläuterte Kramer. Die Einschätzung berücksichtige dabei belastende wie entlastende Aspekte.


Experte: Bundesverfassungsgericht soll Verfassungsfeindlichkeit prüfen

Für eine geheimdienstliche Beobachtung der AfD sind laut Kramer derzeit „noch keine ausreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte erkennbar“. Dasselbe gelte für eine Beobachtung von Einzelpersonen. Das ist bislang auch die Auffassung des Bundesverfassungsschutzes, wobei die Bundesbehörde ohnehin keiner einzelnen Parteimitglieder ins Visier nehmen kann.

Im vergangenen Jahr begründete Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen die Zurückhaltung. Seine Behörde sei keine „Hilfstruppe der etablierten Parteien“, sagte er der „Rheinischen Post“. „Wir können nicht der Konkurrenzschutz in einer Frage sein, die als politische Auseinandersetzung über Positionen geführt werden muss.“ Die AfD sei „derzeit keine rechtsextremistische Partei“, fügte Maaßen hinzu. Soweit Politiker sich in strafrechtlich relevanter Weise äußerten, sei das eine Sache für die Polizei und die Gerichte.

Rechtsextremismus-Experte Matthias Quent kritisierte die Haltung der Geheimdienstler scharf und brachte Konsequenzen ins Spiel. „Die Vergangenheit hat gezeigt, dass man sich auf das Urteil des Geheimdienstes nicht verlassen kann“, sagte der Direktor des Jenaer Instituts für Demokratie und Zivilgesellschaft dem Handelsblatt. „Für eine transparente, verlässliche und rechtstaatliche Bewertung, ob die AfD als Gesamtpartei als verfassungsfeindlich einzuordnen ist, gerade in Hinsicht auf die jüngst bekanntgewordene angebliche Mail der Spitzenkandidatin Weidel, müsste das Bundesverfassungsgericht angerufen werden.“

Dass der Verfassungsschutz ausgehend von bekannten Neonazis nach Kontakten in die AfD suche und die Mitgliederstruktur betrachte, um daran eine Verfassungsfeindlichkeit festzumachen, sei zudem „Ausdruck eines ahistorischen Verständnisses von Gesellschaft“, sagte Quent weiter. „Die Demokratie wird nicht nur von extremen Rändern bedroht, sondern auch aus ihrer Mitte.“

Wenn Rechtsradikale wie Höcke von über 90 Prozent ihres Landesverbandes gewählt werden, dann sei das eine Unterstützung dieses antidemokratischen Kurses. Die NSDAP sei auch nicht ausschließlich durch „ideologisierte Extremisten“, sondern durch die Unterstützung durch gewöhnliche Menschen aus der Mitte der Gesellschaft an die Macht gekommen, um, wie der Hitler-Vertraute Joseph Goebbels einst gesagt habe, sich „im Waffenarsenal der Demokratie mit deren eigenen Waffen zu versorgen“ und die Demokratie schließlich abzuschaffen.

Quent verwies überdies auf die Erkenntnisse verschiedener neuerer Studien, unter anderem von dem Historiker Michael Wildt und von Politikwissenschaftler Samuel Salzborn. Beide kämen zu dem Ergebnis, „dass in der AfD das Konzept einer ethnisch homogenen Volksgemeinschaft verfolgt wird“. Dies sei nach Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem NPD-Verbotsverfahren im Januar 2017 „grundsätzlich mit dem Demokratieprinzip unvereinbar“.

KONTEXT

Das AfD-Programm zur Bundestagswahl 2017

Demokratie

Die AfD sieht die Demokratie in Deutschland in Gefahr. Sie warnt: "Heimlicher Souverän in Deutschland ist eine kleine, machtvolle politische Oligarchie, die sich in den bestehenden politischen Parteien ausgebildet hat."

Zuwanderung und Asyl

Eine "ungeregelte Massenimmigration in unser Land und in unsere Sozialsysteme durch überwiegend beruflich unqualifizierte Asylbewerber ist sofort zu beenden." Integration sei eine Bringschuld der Migranten. Diese müssten sich "anpassen".

Islam, Kirchen, Religion

Die AfD will verhindern, "dass sich abgeschottete islamische Parallelgesellschaften weiter ausbreiten". Ein Antrag, Kirchensteuern abzuschaffen, wurde abgelehnt. Ins Wahlprogramm aufgenommen ist aber die Forderung, Kirchenrepräsentanten wie Bischöfe nicht mehr aus Steuermitteln zu bezahlen. Eine Initiative der Nachwuchsorganisation Junge Alternative gegen eine medizinisch nicht indizierte Beschneidung von Jungen scheiterte. Parteivize Beatrix von Storch hatte mit Blick auf die jüdische Religionsgemeinschaft gemahnt, das sei "ein politisch völlig falsches Signal".

Frauen und Familie

Die AfD will die Deutschen motivieren, mehr Kinder in die Welt zu setzen, zum "Erhalt des eigenen Staatsvolks". Sie lehnt ein "Gendermainstreaming" ab. Die Partei fordert eine Meldepflicht für Abtreibungen. "Bei Nichterfolgen soll eine spürbare Strafe ausgesprochen werden." Und: "Schwerwiegendes Fehlverhalten gegen die eheliche Solidarität muss bei den Scheidungsfolgen wieder berücksichtigt werden." Familienpolitik solle sich immer am Bild Vater, Mutter, Kind orientieren. Die Delegierten votierten für einen Antrag, in dem das Alleinerziehen als ein "Notfall" bezeichnet wird und als "Ausdruck eines Scheiterns eines Lebensentwurfs". Eine "vorbehaltlose Förderung Alleinerziehender", wie sie von etablierten Parteien praktiziert werde, sei falsch.

Arbeit und Soziales

Die AfD spricht sich im Grundsatz für den Mindestlohn aus, will sich dazu aber noch genauer positionieren. Die Bezugsdauer von Arbeitslosengeld I solle abhängig werden von der Dauer der Erwerbstätigkeit zuvor. Wer als Rentner arbeiten möchte, soll das ohne Einschränkung seiner Rentenbezüge tun können. Bei einer Lebensarbeitszeit von 45 Jahren plädiert die AfD dafür, den Rentenanspruch "abschlagfrei" zu gewähren. Eine Stabilisierung der Sozialsysteme sei nur möglich, wenn "unsere begrenzten Mittel" nicht in eine "unverantwortliche Zuwanderungspolitik" gesteckt würden.

Wirtschaft

Deutschland soll den Euro-Raum verlassen. Für die Wiedereinführung einer neuen nationalen Währung - D-Mark - müssten rechtzeitig Vorkehrungen getroffen werden. Die AfD ist dagegen, dass Steuern und Abgaben "beliebig" erhöht werden können. Sie fordert eine Umsatzsteuersenkung um sieben Punkte.

KONTEXT

Nach welchen Kriterien der Verfassungsschutz seine Ziele auswählt

Beobachten oder nicht beobachten, das ist die Frage

Sollte die rechtspopulistische AfD vom Verfassungsschutz beobachtet werden? Darüber wird nach Antisemitismusvorwürfen gegen den baden-württembergischen AfD-Abgeordneten Wolfgang Gedeon erneut gestritten, Verfassungsschutzämter haben einem Pressebericht zufolge ohnehin AfD-Vertreter im Blick. Ab wann der Verfassungsschutz aktiv wird.

Welchen Auftrag hat der Verfassungsschutz?

Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und die Verfassungsschutzämter der Länder haben den Auftrag, Parteien und Gruppierungen zu beobachten, die die freiheitliche demokratische Grundordnung oder den Bestand und die Sicherheit des Staates in Frage stellen oder gegen die Idee der "Völkerverständigung" gerichtete Ziele verfolgen. So steht es im Verfassungsschutzgesetz. Dazu sammeln sie Informationen und werten sie aus.

Was ist die freiheitlich demokratische Grundordnung?

Der Begriff umfasst die zentralen Konstruktionsprinzipien, ohne die Demokratie und Rechtsstaat gar nicht erst existieren würden. Als unverhandelbare "Spielregeln" sind sie daher der politischen Auseinandersetzung entzogen und dürfen nicht geändert werden.

Dazu gehört der Grundsatz, dass die Staatsgewalt vom Volk ausgeht, das seine Vertreter in freier Wahl bestimmt. Er beinhaltet auch, dass sich das Parlament als Gesetzgeber nicht über die Verfassung hinwegsetzen darf. Ebenso dazu gehören das Recht, im Parlament eine Opposition zu bilden, die Unabhängigkeit der Gericht sowie die Menschenrechte.

Wie geht der Verfassungsschutz vor?

Der Verfassungsschutz entscheidet anhand gesetzlich definierter Kriterien, ob er eine Partei beobachtet. Ihm kann nicht befohlen werden, dies zu tun, er ist also unabhängig gegenüber Weisungen aus der Politik. Auf der anderen Seite darf er nicht willkürlich aktiv werden. Liegen Verdachtsmomente vor, ist er gesetzlich zum Handeln verpflichtet.

Seine Tätigkeit beschreibt der Verfassungsschutz als die eines "Frühwarnsystems". Er meldet seine Lageeinschätzungen an das Innenministerium und strafrechtlich relevante Erkenntnisse an die Polizei, die in eigener Regie über die Konsequenzen entscheiden.

Was bedeutet Beobachtung genau?

Der Begriff Beobachtung ist mehrdeutig und führt in der öffentlichen Diskussion daher gelegentlich zu Missverständnissen. Zuerst leitet der Verfassungsschutz beim Aufkommen bestimmter Verdachtsmomente eine Art Prüfverfahren ein. Dabei analysiert er öffentlich zugängliche Äußerungen von Funktionären oder Dokumente, um herauszufinden, ob eine bestimmte Vereinigung die Kriterien für die eigentliche Beobachtung erfüllt.

Falls ja, wird eine Partei oder Vereinigung zum offiziellen "Beobachtungsobjekt", wie es im Fachjargon des Inlandsgeheimdienstes heißt. Erst wenn diese Stufe erreicht ist, dürfen auch sogenannte nachrichtendienstliche Mittel zum Einsatz kommen. Dazu gehören heimliche Observationen sowie das Anwerben von verdeckten Informanten, den V-Leuten.

Gibt es da nicht Grauzonen?

Die Einstufung als "Beobachtungsobjekt" ist tatsächlich oft schwierig, nicht selten klagen Betroffene vor Gericht gegen die Einstufung. Das gilt schon für die Definition des Begriffs "Bestrebung", der Grundlage für eine Beobachtung ist. Eine entsprechende Geisteshaltung reicht nicht aus, es muss laut Verfassungsschutzgesetz zugleich eine "ziel- und zweckgerichtete Verhaltensweise" vorhanden sein. Nicht notwendig ist aber, dass die Beobachteten die Demokratie schon aktiv bekämpfen oder illegale Taten planen.

Außerdem muss der Verfassungsschutz abwägen, ob die demokratiefeindlichen Bestrebungen gewissermaßen repräsentativ für eine Organisation als Ganzes stehen oder lediglich Splittermeinungen darstellen. In solchen Fällen besteht allerdings immer auch die Möglichkeit, Teilgruppen zu überwachen. Auch Einzelpersonen dürfen beobachtet werden.

Wer wird schon vom Verfassungsschutz beobachtet?

Das Spektrum der vom Verfassungsschutz beobachteten Gruppierungen ist bereits sehr groß. Es reicht von den Dschihadistenorganisationen Al-Kaida und Islamischer Staat (IS) über die rechtsextreme NPD bis hin zur Deutschen Kommunistischen Partei (DKP).

Besonders kontrovers wird immer wieder die Beobachtung bestimmter Gruppierungen wie der Kommunistischen Plattform innerhalb der Linkspartei diskutiert. Auch bekannte Linken-Politiker wie Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow wurden beobachtet. Er aber klagte 2013 vor dem Bundesverfassungsgericht erfolgreich gegen die Überwachung.