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Das AfD-Dilemma der CDU

Die AfD stellt für die CDU eine besondere Herausforderung dar. Das führt mitunter zu bizarren Szenen in den Länderparlamenten. Wie die Christdemokraten damit umgehen, zeigt eine Studie des Wissenschaftszentrums Berlin.

Als die AfD 2014 in die ersten Landesparlamente einzog, war die Aufregung groß. Wie sollten die anderen Parteien mit den parlamentarischen Initiativen der Neuen umgehen? Inzwischen ist die Alternative für Deutschland in 13 Landtagen vertreten – und die Frage des Umgangs mit der nun nicht mehr ganz so neuen Partei stellt sich nach wie vor – wohl auch deshalb, weil die politische Konkurrenz sich immer noch schwer damit tut, eine adäquate Antwort zu finden.

Stattdessen setzten die etablierten Parteien lange Zeit darauf, dass die AfD, die 2013 von liberalen Euro-Kritikern und Anhängern der Neuen Rechten gegründet wurde, über kurz oder lang ohnehin an ihren inneren Widersprüchen zerbrechen werde. Doch das Gegenteil scheint der Fall. Die AfD ist zwar mächtig zerstritten und liefert sich in der Führungsspitze regelmäßig heftige Auseinandersetzungen. Nach ihren Erfolgen auf Landesebene dürfte die Partei im Herbst aber aller Wahrscheinlichkeit dennoch den Einzug in den Bundestag schaffen.

Das könnte vor allem die CDU unter Zugzwang setzen. Denn für die Christdemokraten stellt die AfD schon jetzt eine besondere Herausforderung dar, wie eine Untersuchung zeigt, die am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) ein Team um die Forscher Wolfgang Schroeder (Universität Kassel/WZB) und Bernhard Weßels (WZB) vorgelegt hat.

Die Politikwissenschaftler haben in der ersten empirischen Untersuchung der AfD-Arbeit in zehn Landesparlamenten von Sommer 2014 bis Mai 2017 Parlaments-Dokumente und Mediendarstellungen ausgewertet und Interviews mit Fraktionsvorsitzenden und -geschäftsführungen der AfD und den anderen in den betreffenden Landtagen vertretenen Parteien geführt. Als ein Aspekt wurde dabei das spezielle Verhältnis der CDU zur AfD in den Blick genommen – speziell deshalb, weil die AfD, wie die Experten konstatieren, die CDU von rechts der Mitte herausfordert.

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Beide Parteien konkurrierten um Wählerstimmen aus dem konservativen bis rechten Milieu. Darüber hinaus hätten viele Abgeordnete der AfD ihre parteipolitischen Wurzeln in der CDU, „der sie etwa aus Enttäuschung über die als zu liberal aufgefasste Programmatik der „Merkel-CDU“ den Rücken kehrten“. Aus dieser Konkurrenzsituation heraus versuche die AfD in den Landtagen, die CDU „vor sich herzutreiben“, schreiben die Forscher in ihrer Untersuchung. So bringe die AfD etwa Parteitagsbeschlüsse der CDU ins Parlament ein, wie dies die Linkspartei auch bei der SPD in der Vergangenheit häufig getan habe. „Mit ihren Anträgen“, resümieren die Wissenschaftler, „bohrt sie den Stachel ins Fleisch der gesellschaftspolitisch modernisierten CDU.“

Die AfD macht das nicht ohne Kalkül. Sie setze die CDU, so die Experten, mit parlamentarischen Initiativen „politisch unter Zugzwang, wissend, dass die CDU-Fraktion in ihren Reihen Abgeordnete hat, die vom gesellschaftspolitisch liberalen Kurs der eigenen Partei auch enttäuscht sind“. Als Beispiel hierfür nennen die Wissenschaftler unter anderem einen Antrag der AfD-Fraktion in Sachsen-Anhalt, der sich gegen das Tragen von Burkas ausspricht. Zuvor hatte sich auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) für ein Verbot der Burka im öffentlichen Raum ausgesprochen. Die AfD, so die Forscher, habe mit diesem Wissen die Koalitionsdisziplin der sachsen-anhaltinischen CDU-Abgeordneten testen wollen – letztlich allerdings erfolglos.


Forscher sehen CDU im Parlamentsalltag in einer „Zwickmühle“

Nach außen dürfte diese vermeintliche Gegenwehr der CDU allerdings kaum als wirkungsvolle Strategie wahrgenommen werden. Wie eine solche aussehen könnte, scheint aber selbst die Bundes-CDU nicht zu wissen. Diesen Eindruck vermittelt zumindest CDU-Generalsekretär Peter Tauber. In seinem Blog machte er sich jüngst dafür stark, so weit wie nur möglich auf Distanz zur AfD zu gehen. Weil dies auch die Kirchen in Deutschland für die richtige Umgangsform halten, sollten die Christdemokraten in dieselbe Richtung marschieren.

„Es ist gut, wenn sowohl katholische als auch evangelische Kirche sich klar von der AfD absetzen und deutlich machen, dass Christen in der AfD nicht Mitglied sein sollten. Und die AfD mit christlichen Wertvorstellungen unvereinbar sei. Wer, wenn nicht wir als „C“DU müssen hier fester Bündnispartner für die Kirchen sein“, schrieb Tauber. Das Weltbild der AfD stehe im „klaren Widerspruch“ zu dem der CDU. Daher rät er, die CDU solle mit der Partei „viel härter ins Gericht gehen als wir das in der Vergangenheit getan haben“.

In den Ländern gehen indes manche CDUler andere Wege. Auch deshalb, wie Markus Kurze, Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU-Landtagsfraktion in Magdeburg, einmal sagte, weil die Situation in jedem Bundesland anders sei. Kurze geht es darum, gegen den Opfermythos zu kämpfen, der die AfD attraktiv macht für Wähler, die sich selbst vielleicht auch zu kurz gekommen fühlen.

„Wir wollen sie nicht zu Märtyrern machen, indem wir parlamentarische Gepflogenheiten außer Kraft setzen oder alles pauschal ablehnen“, sagte der CDU-Mann. „Die AfD-Leute pauschal als Anti-Demokraten abzustempeln, sei intolerant und „treibt ihnen nur noch mehr Wähler in die Arme“. In der AfD-Fraktion gebe es neben Hardlinern auch „normale“ Menschen. Er habe kein Problem damit, den AfD-Abgeordneten die Hand zu schütteln.

Kurzes Auffassung deckt sich mit der Beobachtung der Wissenschaftler. In Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Sachsen werde die AfD im Gegensatz zur NPD oder DVU von CDU-Abgeordneten als vergleichsweise moderat empfunden. Mehr noch: In ostdeutschen Ländern, in denen die CDU in Regierungsverantwortung steht, wie in Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Sachsen-Anhalt, sei zu beobachten, dass einzelne Abgeordnete der CDU-Regierungsfraktionen „keine Veranlassung sehen, sich klar von der AfD zu distanzieren“. Vor allem in Ländern, in denen die AfD eine starke politische Stellung einnehmen, wie in Sachsen-Anhalt oder Mecklenburg-Vorpommern als zweitstärkste Kraft, versuche die AfD gelegentlich die CDU in der Regierungsverantwortung „öffentlichkeitswirksam mit deren eigenen Positionen zu konfrontieren“.

In dieser Konstellation befinde sich die CDU in einer „Zwickmühle“, resümieren die Forscher: „Als Regierungspartei muss sie einerseits einen verantwortungsvollen politischen Kurs einhalten, andererseits muss sie sehr darum bemüht sein, dass ihre Wählerschaft aus dem bürgerlich-konservativen Spektrum sich nicht von der AfD positiv angesprochen fühlt.“ In Sachsen-Anhalt versucht die CDU das Dilemma aufzulösen, indem sie, wie die Forscher feststellten, eine Strategie ausgerufen hätten, mit der ein „Abgrenzen statt Ausgrenzen“ hinsichtlich der AfD praktiziert werden sollte.

„Dieser schmale Grat kann eher als taktische Marschroute verstanden werden“, glauben die Experten, „um einerseits auf diejenigen CDU-Abgeordneten vom rechten Parteiflügel zuzugehen, die von einer Regierung mit der SPD und den Grünen wenig angetan sind, und andererseits eine Linie zu ziehen, um Extrempositionen der AfD Einhalt zu gebieten.“


Unions-Konservative gegen „Sonderbehandlung“ bei Umgang mit AfD

Mitunter schwierig scheint der Umgang mit der AfD auch dort zu sein, wo sie quasi mit der CDU die Opposition bildet. In Landtagen, in denen die CDU in der Opposition ist, etwa in Rheinland-Pfalz oder Brandenburg, vollzögen die CDU-Fraktionen „einen komplizierten Balanceakt zwischen Ausgrenzung und Abgrenzung“, haben die Wissenschaftler festgestellt. Das Dilemma vor dem die Christdemokraten stehen, besteht demnach darin, einerseits mit einer effektiven Oppositionsarbeit wirken zu wollen, sich aber gleichzeitig nicht mit der AfD gemein zu machen.

Unterm Strich kommen die CDU-Leute im Westen besser mit dieser Aufgabe zurecht als ihre ostdeutschen Kollegen. „Während in den westdeutschen Landtagen ein klarer Trend zur Abgrenzung zwischen CDU und AfD besteht, verhält sich dies im Osten anders“, resümieren die Forscher in ihrer Untersuchung. „Hier sind Annäherungen zwischen Abgeordneten des rechten CDU-Parteiflügels und Abgeordneten der AfD häufiger zu beobachten.“

Der Chef der CDU-Fraktion im Thüringer Landtag, Mike Mohring, widersprach der Einschätzung der Wissenschaftler. Er sieht seine Partei jedenfalls nicht durch die Parlamentsarbeit der AfD unter Zugzwang gesetzt. „Die CDU treibt keiner vor sich her“, sagte Mohring dem Handelsblatt. „Im Gegenteil: Profilierte Politik in der Mitte hält die politischen Ränder klein, und zwar rechts wie links.“

Mohring hält es überdies für „kontraproduktiv, sich an Parteien und randständigen ideologischen Positionen abzuarbeiten, die keine der Herausforderungen von heute oder morgen lösen“. „Man verschafft ihnen damit mehr Gewicht als sie haben“, sagte Mohring, der auch Mitglied im CDU-Bundesvorstand ist.

Konservative Unions-Politiker, die sich in der Initiative „Freiheitlich Konservativer Aufbruch“ (FKA) zusammengeschlossen haben, mahnten indes, die AfD genauso wie andere Parteien als politische Konkurrenz zu sehen, mit deren politischen Inhalte man sich auseinander setzen sollte. Mit Blick auf die AfD sagte der Vorsitzende der neuen Organisation, Alexander Mitsch, dem Handelsblatt: „Wir sollten als CDU auf diese politischen Unterschiede hinweisen, so wie wir es auch mit der Darstellung der inhaltlichen Unterschiede zur SPD, den Grünen, der Linken und der FDP machen.“ Dagegen dürfe nicht passieren, so Mitsch, dass die Union die AfD durch eine „Sonderbehandlung“ aufwerte und sie auch nicht dadurch fördere, „dass wir sie in ihrer Selbstdarstellung als Märtyrer auch noch indirekt unterstützen“.

Für die Union müsse es vielmehr vor allem darum gehen, durch klare politische und konservative Positionen, verlorene Wählerstimmen zurückzugewinnen und ein Abwandern zu verhindern. „Wenn wir den Menschen glaubhaft machen, dass jahrzehntelange Positionen der Union, etwa in der Migrationspolitik und bei der inneren Sicherheit, wieder fester Bestandteil der Politik der Union sein werden, dann hat sich das Thema AfD ganz schnell wieder erledigt.“ Die meisten Wähler der AfD wählten diese Partei doch nicht aus Überzeugung, so Mitsch, sondern aus Enttäuschung und verlorenem Vertrauen in die etablierten Parteien, vor allem auch in die CDU.


Ost-AfD muss in Umfragen Federn lassen

Vielleicht scheitert die AfD gar an sich selbst. Zumindest tritt sie nach Beobachtung der Wissenschaftler nicht als eine Partei auf, die in eine Richtung marschiert, sondern erweist sich in ihrer parlamentarischen Landtagsarbeit als sehr heterogen. Sie agiert demnach in unterschiedlicher regionaler Ausprägung „bipolar“: als Bewegung und als herkömmliche Parlamentspartei.

Erschwerend kommt hinzu, dass die AfD-Fraktionen überwiegend aus Parlamentsneulingen bestehen. Die meisten ihrer Abgeordneten in den 10 untersuchten Landtagen haben noch nie in einem Landesparlament mitgearbeitet. Die Dominanz der Männer ist dabei so stark wie in keiner anderen Fraktion; der Frauenanteil liegt bei 14 Prozent.

Die Wissenschaftler registrieren in ihrer Studie zudem unterschiedliche Stile und Strategien bei den untersuchten AfD-Landtagsfraktionen. Dies scheint den Eindruck einer nicht bündnisfähigen Protestpartei bei den etablierten Parteien zu verfestigen. So ist laut der Studie der parlamentsbezogene Fraktionstyp der AfD vorwiegend an einer konstruktiven Opposition orientiert, sucht parlamentarische Anerkennung und will die parlamentarische Repräsentationslücke rechts von der Union nutzen. Der eher bewegungsorientierte Fraktionstyp sieht dagegen die parlamentarischen Aktivitäten als einen Baustein in einer Reihe von Maßnahmen, um die politische Kultur zu verändern. Er neigt eher und stärker zu tabuverletzendem Verhalten.

Aufschlussreich für die Bewertung der AfD ist ihr Plenarverhalten und ihre Mitarbeit in den Ausschüssen. Die Neulinge hätten sich nur zögerlich die benötigten Kompetenzen erworben, konstatieren die Forscher. „Insgesamt zeigen die Ergebnisse der Studie, dass die konstruktive Mitarbeit in den Ausschüssen weit hinter dem normalen Partizipationsniveau der anderen Parteien zurückbleibt.“ Dagegen werde das Plenum als Bühne genutzt, um die Kernanliegen mit Hilfe von Online-Medien an die eigenen Mitglieder, Wähler und Unterstützergruppen zu vermitteln und diese so zu mobilisieren.

Glaubt man jüngsten Umfragen, scheint es mit der Mobilisierung nicht mehr weit her zu sein, während die CDU einen ungeahnten Aufschwung erlebt. Das zeigt eine kürzlich veröffentlichte Infratest-Dimap-Umfrage in ostdeutschen Bundesländern. Die CDU kann demnach nach den Einbrüchen während der Flüchtlingskrise in der Wählergunst wieder zulegen.

Wäre am Sonntag Bundestagswahl, könnte die CDU in einer Erhebung für den MDR bei Wählern in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen mit 45 Prozent der Stimmen rechnen. Die SPD liegt dagegen nur bei zwölf Prozent. Die AfD erreicht derzeit 15 und die Linkspartei als zweitstärkste Kraft 16 Prozent. Die Grünen schneiden mit vier Prozent und die FDP mit fünf Prozent unter ihrem Bundesdurchschnitt ab.

Schaut man sich die drei Länder gesondert an, fällt auf, dass die AfD im Vergleich zur Novemberumfrage überall Federn lassen musste. Hochburg bleibt Sachsen, wo die AfD vor der Linkspartei und der SPD liegt.

KONTEXT

Das AfD-Programm zur Bundestagswahl 2017

DEMOKRATIE

Die AfD sieht die Demokratie in Deutschland in Gefahr. Sie warnt: "Heimlicher Souverän in Deutschland ist eine kleine, machtvolle politische Oligarchie, die sich in den bestehenden politischen Parteien ausgebildet hat."

ZUWANDERUNG UND ASYL

Eine "ungeregelte Massenimmigration in unser Land und in unsere Sozialsysteme durch überwiegend beruflich unqualifizierte Asylbewerber ist sofort zu beenden." Integration sei eine Bringschuld der Migranten. Diese müssten sich "anpassen".

ISLAM, KIRCHEN, RELIGION

Die AfD will verhindern, "dass sich abgeschottete islamische Parallelgesellschaften weiter ausbreiten". Ein Antrag, Kirchensteuern abzuschaffen, wurde abgelehnt. Ins Wahlprogramm aufgenommen ist aber die Forderung, Kirchenrepräsentanten wie Bischöfe nicht mehr aus Steuermitteln zu bezahlen. Eine Initiative der Nachwuchsorganisation Junge Alternative gegen eine medizinisch nicht indizierte Beschneidung von Jungen scheiterte. Parteivize Beatrix von Storch hatte mit Blick auf die jüdische Religionsgemeinschaft gemahnt, das sei "ein politisch völlig falsches Signal".

FRAUEN und FAMILIE

Die AfD will die Deutschen motivieren, mehr Kinder in die Welt zu setzen, zum "Erhalt des eigenen Staatsvolks". Sie lehnt ein "Gendermainstreaming" ab. Die Partei fordert eine Meldepflicht für Abtreibungen. "Bei Nichterfolgen soll eine spürbare Strafe ausgesprochen werden." Und: "Schwerwiegendes Fehlverhalten gegen die eheliche Solidarität muss bei den Scheidungsfolgen wieder berücksichtigt werden." Familienpolitik solle sich immer am Bild Vater, Mutter, Kind orientieren. Die Delegierten votierten für einen Antrag, in dem das Alleinerziehen als ein "Notfall" bezeichnet wird und als "Ausdruck eines Scheiterns eines Lebensentwurfs". Eine "vorbehaltlose Förderung Alleinerziehender", wie sie von etablierten Parteien praktiziert werde, sei falsch.

ARBEIT und SOZIALES

Die AfD spricht sich im Grundsatz für den Mindestlohn aus, will sich dazu aber noch genauer positionieren. Die Bezugsdauer von Arbeitslosengeld I solle abhängig werden von der Dauer der Erwerbstätigkeit zuvor. Wer als Rentner arbeiten möchte, soll das ohne Einschränkung seiner Rentenbezüge tun können. Bei einer Lebensarbeitszeit von 45 Jahren plädiert die AfD dafür, den Rentenanspruch "abschlagfrei" zu gewähren. Eine Stabilisierung der Sozialsysteme sei nur möglich, wenn "unsere begrenzten Mittel" nicht in eine "unverantwortliche Zuwanderungspolitik" gesteckt würden.

WIRTSCHAFT

Deutschland soll den Euro-Raum verlassen. Für die Wiedereinführung einer neuen nationalen Währung - D-Mark - müssten rechtzeitig Vorkehrungen getroffen werden. Die AfD ist dagegen, dass Steuern und Abgaben "beliebig" erhöht werden können. Sie fordert eine Umsatzsteuersenkung um sieben Punkte.

KONTEXT

Rechtspopulistische Parteien in Europa

Ungarn

Die nationalkonservative und rechtspopulistische Fidesz regiert das Land seit 2010 mit absoluter Mehrheit. Ministerpräsident Viktor Orban schränkte trotz Protesten der "Brüsseler Bürokraten" Pressefreiheit und Datenschutz ein. Gegen ankommende Flüchtlinge ließ er die Grenzen mit Zäunen abriegeln.

Polen

Die nationalkonservative Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) regiert seit 2015 in Warschau mit absoluter Mehrheit. Muslime sind ihr und weiten Teilen der Bevölkerung nicht willkommen.

Österreich

Die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) ist nicht erst seit Beginn der Flüchtlingskrise im Aufschwung. "Österreich zuerst" ist ihre Devise. Bei den Landtagswahlen 2015 verzeichnete sie massive Zugewinne. Sie ist an zwei Regierungsbündnissen beteiligt. In Umfragen liegt sie derzeit deutlich vor der sozialdemokratischen SPÖ und der konservativen ÖVP.

Frankreich

Die rechtsextreme Front National (FN) ist seit Jahrzehnten eine politische Größe. Die Partei um Marine Le Pen bemüht sich um ein bürgerliches Image. Inhaltlich haben sich die Positionen im Vergleich zur Zeit des Parteigründers Jean-Marie Le Pen aber kaum verändert. Bei der Wahl zum Europaparlament 2014 wurde die FN stärkste Kraft im Land. Sozialisten und Republikaner lehnen eine Zusammenarbeit bisher ab.

Italien

Schon seit Ende der 80er Jahre gibt es die rechtspopulistische Lega Nord. Bei den Wahlen 2013 knackte die europafeindliche Partei nur ganz knapp die Vier-Prozent-Hürde. Seit ihr Chef Matteo Salvini in der Flüchtlingskrise eine immer fremdenfeindlichere Ausrichtung vorangetrieben hat, steigen die Umfragewerte der Partei wieder.

Niederlande

Die Partei für die Freiheit (PVV) von Geert Wilders sitzt seit zehn Jahren im Parlament. Hauptthema ist eine scharfe Islam-Kritik. Seit 2012 ein Tolerierungsabkommen zwischen Christdemokraten, Rechtsliberalen und PVV zerbrach, schließen fast alle Parteien eine Zusammenarbeit mit Wilders aus.

Großbritannien

Die UK Independence Party (UKIP) hat mit dem Brexit-Votum beim britischen EU-Referendum ihr Ziel erreicht. Seit Parteichef Nigel Farage zurückgetreten ist, herrscht in der Partei allerdings Chaos.

Schweden

Die Schwedendemokraten (SD) geben sich national-gesinnt und eurokritisch. Bei der Reichstagswahl 2014 kamen sie auf fast 13 Prozent der Stimmen. Die anderen Parteien lehnen eine Zusammenarbeit mit der rechten Partei ab.

Schweiz

Die nationalkonservative Schweizerische Volkspartei (SVP), die von der AfD als ein Vorbild angesehen wird, ist seit Jahren die wählerstärkste Partei. Mit einem Programm zur Verschärfung des Asylrechts und zur Abgrenzung von der EU kam sie 2015 mit 29,4 Prozent auf ihr bislang bestes Ergebnis. Die SVP ist seit langem in der Regierung vertreten. In der Schweiz ist es üblich, dass die vier wählerstärksten Parteien die siebenköpfige Regierung bilden.

Dänemark

Die Dansk Folkeparti (DF) ist ein akzeptierter Teil des Parteienspektrums. Die strenge Asylpolitik Dänemarks trägt die Handschrift der Rechtspopulisten. Obwohl die DF bei der Wahl im Juni 2015 stärkste bürgerliche Kraft wurde, lehnte sie eine Regierungsbeteiligung ab. In Norwegen dagegen regiert die einwanderungskritische Fortschrittspartei mit, in Finnland die rechtspopulistische Partei Die Finnen.

KONTEXT

Die Sprüche der AfD

Immer wieder im Mittelpunkt

Ob Flüchtlingspolitik oder Fußball - mit markigen Sprüchen sorgen führende AfD-Politiker immer wieder für Kopfschütteln und Empörung, wie jetzt die stellvertretende Bundesvorsitzende Beatrix von Storch. Einige Zitate.

Quelle:dpa

Undeutsches Nationalteam

"Eine deutsche oder eine englische Fußballnationalmannschaft sind schon lange nicht mehr deutsch oder englisch im klassischen Sinne." (Der AfD-Bundesvize Alexander Gauland am 3. Juni im "Spiegel")

Unerwünschter Nachbar

"Die Leute finden ihn als Fußballspieler gut. Aber sie wollen einen Boateng nicht als Nachbarn haben." (Gauland in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" vom 29. Mai über Fußball-Nationalspieler JérÁ´me Boateng)

Bitte abschotten

"Wir müssen die Grenzen dichtmachen und dann die grausamen Bilder aushalten. Wir können uns nicht von Kinderaugen erpressen lassen." (Gauland am 24. Februar im Magazin der Wochenzeitung "Die Zeit" über Flüchtlinge)

Schießbefehl dringend erwünscht

"Ich will das auch nicht. Aber zur Ultima Ratio gehört der Einsatz von Waffengewalt." (Die AfD-Bundesvorsitzende Frauke Petry in einem Interview des "Mannheimer Morgen" vom 30. Januar 2016. Angesichts des Flüchtlingszustroms forderte sie im Notfall auch den Einsatz von Schusswaffen.)

Der Flüchtling als Angreifer

"Wer das HALT an unserer Grenze nicht akzeptiert, der ist ein Angreifer. Und gegen Angriffe müssen wir uns verteidigen. (...) Es gibt keinen Grund, mit Gewalt unsere Grenze zu überqueren." (Die stellvertretende AfD-Bundesvorsitzende Beatrix von Storch Ende Januar auf ihrer Facebook-Seite über Flüchtlinge)

Nachhilfe in Rassenkunde

"Im 21. Jahrhundert trifft der lebensbejahende afrikanische Ausbreitungstyp auf den selbstverneinenden europäischen Platzhaltertyp." (Der Thüringer AfD-Vorsitzende Björn Höcke am 21. November 2015 in einem Vortrag über Asylbewerber aus Afrika)

Flucht als Naturkatastrophe

"Das ist ungefähr so, als würden Sie mit Plastikeimern einen Tsunami stoppen wollen." (Der AfD-Bundesvorsitzende Jörg Meuthen am 24. Oktober 2015 bei einem Landesparteitag in Baden-Württemberg über die Maßnahmen der Bundesregierung zur Bewältigung der Flüchtlingskrise)

KONTEXT

Nazi, Faschist oder doch Nationalist?

Rechtspopulismus

Seit den achtziger Jahren sind Rechtspopulisten in Europa auf dem Vormarsch. Zum Spektrum gehören rechtsextreme Parteien genauso wie Gruppierungen, die mit populistischen Äußerungen auf sich aufmerksam machen wollen. Ihre politischen Ziele reichen vom Wunsch nach "Ordnung", "Autorität" und "Identität" über die Agitation gegen Minderheiten wie Sinti und Roma bis hin zur Forderung, ein "weißes Europa" ohne "jüdischen Einfluss" zu schaffen. Paradoxerweise bauen die teilweise aggressiv nationalistischen Parteien dabei zunehmend auf eine länderübergreifende Zusammenarbeit und verstehen sich meist als "Freunde" im Kampf gegen multikulturelle Überfremdung.

Quelle: Bundeszentrale für politische Bildung

Faschismus

Ursprünglich aus sozialrevolutionären lokalen Zusammenschlüssen, den Syndikalisten, "Bewegung der Tat", entstanden, entwickelte sich Anfang der 1920er-Jahre in Italien rasch eine Bewegung, deren Anhänger sich selbst als Faschisten bezeichneten und deren Symbol, das Rutenbündel (italienisch: fascio), die Stärke und Überlegenheit des Bundes gegenüber dem Einzelnen bedeutet. Die italienische Entwicklung diente teilweise den deutschen Nationalsozialisten als Vorbild, sodass Faschismus und Nationalsozialismus (schwarze und braune Faschisten) teilweise gleichbedeutend verwendet werden. Gemeinsam ist ihnen a) eine charismatische, autoritäre Führerfigur, b) die strikte Unterwerfung unter das Führerprinzip und c) der hierarchische Aufbau der politischen Organisation; weiterhin d) das rechtsextreme, offen rassistische und fremdenfeindliche Gedankengut und e) die (in Bezug auf andere politische Überzeugungen) negative Eigendefinition (als antidemokratisch, anti-parlamentarisch, antiliberal, anti-humanistisch etc.).

Rechtskonservativ

Rechts von christlich-konservativ Positionen kann das rechtskonservative Spektrum verortet werden. Dabei wird zwar vom Rechtsradikalismus unterschieden, allerdings ist der Übergang teilweise fließend. Rechtskonservativ ist, wer sich mit demokratischen Prinzipien und Werten nicht verbunden fühlt, Gewalt als Mittel der Auseinandersetzung nicht ausdrücklich ablehnt, für eine Begrenzung von Zuwanderung ist, um eine kulturelle Überfremdung zu verhindern, gegen eine Integration Europas ist und keine Opposition im Parlament akzeptiert.

Rechtsradikal

Als radikal (von lateinisch "radi" = Wurzel, Ursprung) werden politisch-ideologische Grundeinstellungen beziehungsweise Bestrebungen bezeichnet, die gesellschaftliche Fragen und Probleme von deren Ursprüngen bis in die letzten Details, also mit besonderer Konsequenz und einseitiger Kompromisslosigkeit, zu lösen suchen. Radikale Strömungen verstoßen nicht zwangsläufig gegen die Prinzipien der freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Von den Behörden und der Sozialwissenschaft wird der Begriff Rechtsradikalismus in der Regel auf Personen und Organisationen gerichtet, die klar rechts der Mitte des politischen Spektrums stehen, dabei allerdings im Rahmen der Verfassung bleiben. Der freiheitlich-demokratischen Grundordnung steht Rechtsradikalismus in der Regel nicht feindlich gegenüber. Die Grenzen vom Rechtsradikalismus zum Rechtsextremismus sind dabei allerdings häufig fließend. Einer Definition des Politikwissenschaftlers Michael Minkenberg zufolge schließt der Rechtsradikalismusbegriff "auch Kräfte und Bewegungen" ein, die "die geltende demokratische Ordnung als solche nicht in Frage stellen, jedoch durch Rückgriff auf den ultranationalistischen Mythos eine Radikalisierung nach rechts und damit eine Revision der Verfassungswirklichkeit anstreben."

Extremismus

Der Begriff Extremismus unterliegt einer Zweideutigkeit, aus der sich eine Vielzahl an Debatten und Kontroversen ergibt. Von einigen Liberalen und Libertären wird beispielsweise argumentiert, dass extremistische Ziele und Ideen an sich "unproblematisch" seien, solange sie friedlich und mit legalen Mitteln verfolgt würden. Die Lehre aus dem Aufstieg der Nationalsozialisten - so der österreichische Philosoph Karl Popper - sei, dass tolerante Gesellschaften die Pflicht hätten, sich gegen jegliche Art von Extremisten zu verteidigen: "Wenn wir nicht bereit sind, eine tolerante Gesellschaftsordnung gegen die Angriffe der Intoleranz zu verteidigen, dann werden die Toleranten vernichtet werden und die Toleranz mit ihnen." Hieraus leitet sich das Prinzip der "wehrhaften Demokratie" ab. Für Wissenschaftler ergibt sich aus der Zweideutigkeit des Begriffs eine Notwendigkeit zur Abgrenzung. Viele Forscher unterscheiden deshalb zwischen "kognitiven Extremisten" - also Menschen, deren Ziel- und Wertvorstellungen dem gesellschaftlichen Konsens drastisch widersprechen - und "gewaltbereiten Extremisten"

Nationalismus

Übersteigertes Bewusstsein vom Wert und der Bedeutung der eigenen Nation. Im Gegensatz zum Nationalbewusstsein und zum Patriotismus (Vaterlandsliebe) glorifiziert der Nationalismus die eigene Nation und setzt andere Nationen herab. Zugleich wird ein Sendungsbewusstsein entwickelt, möglichst die ganze Welt nach den eigenen Vorstellungen zu formen.

Nationalsozialismus

Nationalsozialismus bezeichnet eine politische Bewegung, die in Deutschland in den Krisen nach dem Ersten Weltkrieg entstand, 1933 die Weimarer Demokratie beendete und eine Diktatur (das sogenannte Dritte Reich) errichtete. Der Nationalsozialismus verfolgte extrem nationalistische, antisemitische, rassistische und imperialistische Ziele. Politisch schloss der Nationalsozialismus an die radikale Kritik und Ablehnung der demokratischen Prinzipien an und bekämpfte den Friedensvertrag von Versailles. Der Nationalsozialismus war keine geschlossene Lehre, sondern begründete eine "Weltanschauung", in deren Mittelpunkt die Idee des "arischen Herrenvolkes" stand, das sich aller Mittel zu bedienen hat, um sich "Lebensraum" zu schaffen, andere (angeblich minderwertige) Völker und Nationen zu unterdrücken und die Welt vom (angeblich einzig Schuldigen, dem) Judentum zu befreien. Die Verachtung des Menschen im Nationalsozialismus fand Ausdruck in der fabrikmäßigen Tötung von Millionen wehrloser Opfer.