Es ist eine der wichtigsten und gleichzeitig am wenigsten beachteten Rollen in der Startup-Szene: der Chief of Staff. Die Rolle selbst ist nicht neu, auch Napoleon oder Eisenhower hatten bereits einen Chief of Staff, oder kurz: COS. Auch heute setzen viele Staatsoberhäupter auf einen COS – in diesem Kontext auch Stabschef genannt. Das Konzept hat sich historisch bewährt und ist mittlerweile auch in vielen Unternehmen zu finden. Dort fungiert der Chief of Staff in der Regel als rechte Hand des CEOs. So auch bei Startups.
Wir haben mit drei Experten gesprochen, um herauszufinden, was einen Chief of Staff ausmacht, welche Fähigkeiten es braucht, für welche Unternehmen es Sinn ergibt, welche Aufgaben er erledigt - und was er verdient.
Warum der Chief of Staff die "rechte Hand des CEOs" ist
"Die Grundidee ist, dass ein Chief of Staff zwischen Führungskräften und CEO geschaltet ist", erklärt Sebastian Wesserle. Gemeinsam mit Christian Graser ist er Gründer der Recruiting-Agentur Angeheuert in Innsbruck.
Die Führungskräfte berichten an den COS, der wiederum trage die Informationen für den CEO zusammen. Und umgekehrt. "Vor allem, wenn ein Unternehmen größer und komplexer wird, kann es sinnvoll sein, dass sich der CEO nur noch mit dem Chief of Staff unterhalten muss, anstatt den Überblick über alle Strukturen zu haben", sagt Wesserle. Als "rechte Hand des CEOs" behalte der Chief of Staff einen Überblick über alle internen Prozess und die damit verbundenen Personen. "Dabei geht es auch immer um Umsatz und Stabilität", sagt Wesserle. "Ein Chief of Staff sollte deshalb auch ein Gespür für Zahlen haben."
Wesserle empfiehlt Unternehmen, ab etwa 1.500 Mitarbeitern einen Chief of Staff einzustellen. Aber auch vorher könne es schon sinnvoll sein, eine entsprechende Stelle zu besetzen. "Das ist dann anfangs eher eine klassische Assistentenrolle, auch Founders Associate genannt", sagt Wesserle. Dabei gehe es vorrangig ums Zuarbeiten, während ein Chief of Staff auch selbst Verantwortung trage.
Gerade in schnell wachsenden Startups könne sich der Founders Associate dann aber zum Chief of Staff entwickeln. Wesserle sagt, er sehe häufig, dass die Stelle des Chief of Staff mit Eigengewächsen des Unternehmens besetzt wird. "Das ergibt ja auch Sinn", sagt er. "Ein Founders Associate kennt sich in den Strukturen bestens aus und wächst gemeinsam mit dem Startup." Die Beförderung sei da oft eine logische Konsequenz. Dementsprechend seien Chiefs of Staff in der Regel auch besser bezahlt.
Was verdient ein Chief of Staff?
So unterschiedlich die Anforderungen an verschiedene Founders Associates oder eben Chiefs of Staff seien, so weit reiche auch die Spanne der Gehälter, sagt Wesserle. Nach Erfahrung der Experten aus Innsbruck beginnen Gehälter in diesen Positionen bei etwa 60.000 Euro pro Jahr, aber reichen durchaus bis zu 100.000 Euro. "Dazu kommen dann oft noch Vergütungsoptionen, wie Beteiligungen", sagt Wesserle.
Zu ähnlichen Ergebnissen kommt auch Marius Busen. Er ist selbst Chief of Staff beim Marktforschungs-Startup Appinio und hat Daten zu den Gehältern von Chiefs of Staff und Founders Associate erhoben. Dafür hat er Anfang 2023 120 Menschen aus Deutschland befragt, die in einer solchen Position arbeiten. Seine Ergebnisse: Im Mittelwert gaben die COS an, 81.150 Euro jährlich zu verdienen. Bei den Founders Associates waren es 56.161 Euro.
Busen hat nach seinem Management-Masterabschluss zunächst bei einem VC gearbeitet und ist im Oktober 2022 dann als Chief of Staff zu Appinio gewechselt, nachdem er während seines Studiums schon Erfahrungen als Associate gesammelt hatte. Bei Appinio ist er direkt Jonathan Kurfess, einem der Gründer, zugeordnet. Sich und seine Rolle beschreibt er als "Taskforce". Zu seinen Aufgaben gehörten vor allem Aufträge, die direkt Kurfess betreffen: Gespräche mit Stakeholdern, Strategien erarbeiten, All-Hands-Meetings vorbereiten. Dabei übernehme er in der Regel die Ausführung der jeweiligen To Dos.
CEO und COS sollten sich gut ergänzen
"Jonathan und ich sind ein Duo", sagt Busen. Die Zusammenarbeit sei sehr eng. Und das funktioniere nur, weil sich die beiden auch menschlich gut verstehen würden. "Es hat sofort gepasst", sagt er. Busen glaubt: "Wenn man schon beim Bewerbungsgespräch irgendwelche Zweifel hat, wird es nicht klappen." CEO und COS müssten sich fast blind verstehen. Und gleichzeitig sollten sie sich gut ergänzen.
So sehen es auch die Experten von Angeheuert. "Ein Chief of Staff muss ins Unternehmen hineinpassen", sagt Christian Graser. Dabei könnten die spezifischen Anforderungen ganz individuell sein. Im besten Fall bringe ein Chief of Staff Fähigkeiten mit, die dem Gründer fehlen. In der Regel sei es aber vor allem notwendig, dass ein COS eine gewisse Stressresistenz habe und strukturiert sei, sagt Graser. "Die Situation ist ja häufig so, dass ein Unternehmen wächst und der CEO irgendwann den Überblick verliert. Der Chief of Staff muss dann erst einmal aufräumen", ergänzt Wesserle. Dafür bedürfe es häufig zudem eine gute und klare Kommunikation. "Und das kann auch heißen, dass man nicht immer Everybody's Darling ist", sagt Graser.
Perfektionisten haben es schwer
Auch COS Busen kennt das. "Es gibt auch immer mal wieder unangenehme Aufgaben, die man verteilen muss", sagt er. Als COS stehe man zwischen dem CEO und anderen Mitarbeitenden automatisch zwischen den Stühlen – trotzdem müsse man alles, so gut es geht, im Auge behalten. "Es ist wichtig, für jeden eine Ansprechperson zu sein", sagt er. Dafür sei es hilfreich, wenn man mit vielfältigen Persönlichkeiten umgehen könne. "Man muss sich auf viele unterschiedliche Menschen anders einlassen", sagt Busen.
Zudem glaubt er, dass es Perfektionisten in der Rolle als COS schwer haben werden. "Es gibt immer wieder Tage, da muss ich mich durchs Chaos durcharbeiten", sagt er. Dabei sei es extrem wichtig, zu priorisieren. "Und man muss auch mit nicht perfekten Ergebnissen für den Moment umgehen können", sagt Busen. "Weil es nicht immer darauf ankommt."
Als Chief of Staff habe Busen vor allem eine Generalistenrolle. "Ich kann nichts richtig, aber alles ein bisschen", sagt er. Dafür habe er Einblick in alle Bereiche eines Unternehmens. Der Job habe ihn interessiert, weil er sicher war, sich darin gut weiterentwickeln zu können. Später will Busen vielleicht selbst gründen – jetzt lernt er alles, was er dafür braucht. Er sagt: Als Chief of Staff habe er viele Freiheiten und genieße viel Vertrauen. "Und ich liebe meinen Job."