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Schlangengrube Twitter: Der Kampf um 140 Zeichen

Wenn der Kurznachrichten-Dienst Twitter heute an die Börse geht, ist das größte IPO eines Internet-Unternehmens seit Facebook perfekt. Der Börsengang, der Twitter aus dem Stand mit 14 Milliarden Dollar bewertet, krönt den rasanten Aufstieg des neben Facebook wohl faszinierendsten Start-ups der vergangenen zehn Jahre. Doch dabei blieb jedoch mancher Gründer auf der Strecke...

Es gibt Gründergeschichten, um die reißt sich Hollywood. Die legendäre Story vom Aufstieg Apples mit Steve Jobs, Fall ohne Steve Jobs und der Wiedererfindung dank Steve Jobs ist wohl die Blaupause aller Silicon Valley-Mythen – Ashton Kutcher hat sich erst diesen Sommer daran abgearbeitet.

Drei Jahre zuvor verfilmte Starregisseur David Fincher die verworrenen Gründungstage von Facebook im Kassenschlager "The Social Network". Dass Supernerd Mark Zuckerberg dabei nicht besonders gut wegkam, hat weder seinem Ruhm noch dem inzwischen drittwertvollsten Internet-Unternehmen der Welt geschadet.

Die Twitter-Story: Die Erwachsenen-Version des Social Networks

Nach Apple und Facebook interessiert sich Hollywood nun verstärkt für eine weitere Gründer-Saga, die an Intrigen und Ränkespielen wohl alles in den Schatten stellen würde, was man in Cupertino und Harvard in den jungen Jahren von Jobs und Zuckerberg zu Gesicht bekäme – die ruppige  Gründungsphase des Kurznachrichtendienstes Twitter.

Der renommierte New York Times-Journalist Nick Bilton hat pünktlich zum Börsengang nun das erste Buch über das boomende Social Network  vorgelegt, das sich liest wie die Erwachsenen-Version von "The Social Network": "Eine wahre Geschichte von Geld, Macht, Freundschaft und Verrat", so der  vielsagende Titel des heute im Campus Verlag erschienenen 300 Seiten starken Werks.

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„Just setting up my twttr“: Ein Tweet, der die Welt veränderte

Anders als bei Apple und Facebook, die mit ihren ikonischen Gründerfiguren untrennbar verwoben sind, ist die Unternehmensgeschichte Twitter verworrener. Sie beginnt am 21. März 2006 zur Mittagszeit. Ein gewisser Jack Dorsey schreibt: "Just setting up my twttr" –  "starte gerade mein twttr". Verfasst im Message-Fenster auf einer Webseite, verschickt an alle, die es lesen wollen.

Ein Online-Kurznachrichtendienst war geboren, dessen Botschaften als SMS an alle sehr bald reüssieren sollten. Die Idee war so simpel wie genial: Rund ein Jahrzehnt nach dem Siegeszug der Kurznachricht wurde der Kommunikationskanal schlicht erweitert. Aus der klassischen One-to-One-Kommunikation zwischen einem Sender und einem Empfänger entstand nun eine One-to-Many-Kommunikation, bei der ein Absender mit beliebig vielen Adressaten kommunizierte. Die Grundidee des Bloggens, die durch das Aufkommen des Internets potenziell jeden Nutzer zum Verleger machte, wurde mobil weitergedacht – entsprechend machte die Klassifizierung des "Mikrobloggings" schnell die Runde.

Raue Gründertage: Kampf egomaner Charaktere

Dabei wussten die Gründer lange Zeit selbst gar nicht, was sie sein wollten – schon die Namensgebung fiel diffus aus. Sollte man sich, wie es 2006 im Internetkauderwelsch zeitgemäß war, in Verzicht auf Vokale „twttr“ nennen wie in Dorseys erstem Tweet oder die  richtige Schreibweise benutzen? "To twitter" bedeutet im Englischen schließlich "zwitschern".

Das waren noch die eher rudimentäreren Fragen. Wirklich an den Rand der Handlungsfähigkeit brachten die egomanen Charaktere das Start-up. Da war etwa Jack Dorsey, ein Studienabbrecher, der eigentlich davon träumte, Modedesigner zu werden. Dorsey lernte zufällig den Internet-Unternehmer Evan Williams, der einst Blogger.com gegründet hatte, kennen und landete bei seinem Podcasting-Startup Odeo, das Williams mit Noah Glass führte.

Noah Glass: Der vergessene Gründer

Bei Odeo entwickelte sich schnell die Idee von Twitter als Nebenprodukt der Tagesarbeit. Wie sooft in der Geschäftswelt zirkulieren verschiedene Mythen über den Ursprung – Dorsey geht seit Jahren mit der Version haussieren, er habe den Geisteblitz für Twitter gehabt, während Nick Biltons in Twitter-Buch Noah Glass mindestens ebenso Kredit gebührt. Tatsächlich lautet auch in Noah Glass’ Account, der schlicht unter @noah zu finden ist,  der erste Tweet: "just setting up my twttr" – versendet am selben Tag wie Dorseys Tweet, am 21. März 2006.

"I started this", schreibt Glass in seinem Twitter-Profil bis heute: "Ich habe das gegründet". Doch wenige Monate nach der Gründung war die Arbeit für Glass schon wieder vorbei. Twitter begann dank der Investments von Evan Williams und Biz Stone, der ebenfalls bei Odeo arbeitete, abzuheben. Dorsey drängte sich in die führende Rolle – und Glass hinaus.

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CEO-Posten wechseln alle zwei Jahre

Doch dem sendungsbewussten Studienabbrecher fehlte offenkundig das kaufmännische Geschick, Twitter vom hochgehypten Web-Liebling auch zum einem Internet-Unternehmen mit Geschäftsmodell zu machen. 2008 kam es zum Führungswechsel: Dorsey verlor den CEO-Posten an Evan Williams – es sah nach einem spektakulären Abgang aus, wie ihn Steve Jobs 1985 erlebt hatte. Williams brachte Twitter mit der Einführung von gesponserten Anzeigen nach vorne, doch die Monetarisierung dauerte zu lange.

2010 folgte die Palastrevolte: Der bisherige COO Dick Costolo, der ein Jahr zuvor von Google gekommen war, vertrat Williams in seinem Vaterschaftsurlaub – und sollte den CEO-Posten auch nach der Rückkehr der Gründers nicht mehr herausrücken. Der Vorstandschef bei Twitter hatte schon wieder gewechselt – und man sollte sich wohl eher nicht der Illusion hingeben, dies wäre freiwillig passiert.

Riesenhype zum Börsengang

Dann kehrte ein alter Bekannter zurück: Jack Dorsey stieg 2011 zum Aufsichtsratchef auf, der nun die Geschicke der 140-Zeichen-Dienstes im Hintergrund kontrollierte, während er an seinem nächsten Milliarden Start-up feilte: den Mobilbezahldienst Square. Twitter machte sich unterdessen börsenfein: Der 50-jährige Tech-Veteran Costolo gab dem aufstrebenden Internet-Unternehmen endlich ein Gesicht, das auch an der Wall Street bestehen konnte.

Das muss es nun auch. Nach jahrelanger Vorbereitung debütiert heute Nachmittag das wohl nach Facebook in den vergangenen zehn Jahren am höchsten gelobte Internet-Start-up an der Börse. Und das zu einer satten Bewertung: Bei einem Ausgabekurs von 26 Dollar ist Twitter nämlich aus dem aus dem Stand mehr als 18 Milliarden Dollar wert, obwohl es in den ersten neun Monaten einen happigen Verlust von 134 Millionen Dollar eingefahren hat.

Die Hoffnung der Aktionäre liegt im schnellen Umsatzwachstum, das zuletzt immer noch um 104 Prozent nach oben sprang. Vergleichen kann sich Twitter in den Dimensionen und mit seinen "nur" 232 Millionen Mitgliedern mit Facebook zwar nicht. Dafür schlägt den Kurzmitteilungsdienst in ruppigen Gründungszeit keiner: Ein Biopic über die Intrigen und Grabenkämpfe der Frühphase lässt den Facebook-Film wie eine Highschool-Episode erscheinen. 

Nicht alle Gründer machen Kasse

Gelohnt hat es sich für die meisten Gründer indes trotzdem: Evan Williams, der weiterhin 10,4 Prozent am Unternehmen hält, könnte heute zum zweifachen Dollar-Milliardär aufsteigen. Jack Dorsey bringt es auf 4,3 Prozent, die ihn vielleicht auch zum Milliardär machen könnten. Konzernchef Costolo, der erst drei Jahre später zu Twitter stieß, kommt dagegen lediglich auf 1,4 Prozent.

Nur Mitgründer Noah Glass und Biz Stone werden im Börsenprospekt nicht aufgeführt – Glass soll nach seiner harten Aussortierung sogar in die Depression gefallen sein und so gut wie nichts am IPO verdienen. "Sie haben alle zusammen angefangen", resümiert Nick Bilton. "Aus einigen sind Milliardäre geworden, andere sind nicht mal im Entferntesten  dran." Der schmale Grad des Gründerlebens zwischen Glamour und Leere wurde selten offenkundiger dokumentiert als beim heutigen Börsenstar Twitter.

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