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Mit „Sedric“ soll das Autonome Fahren beginnen

Auf dem Autosalon in Genf zeigt Volkswagen sein erstes autonom fahrendes Auto. „Sedric“ steht aus Sicht des von der Dieselaffäre geplagten Konzerns für eine neue Schlüsseltechnologie. Milliarden sollen investiert werden.

Matthias Müller drückt auf den Knopf. Das Tor geht auf und wie von Geisterhand bewegt fährt das neueste Auto aus dem Volkswagen-Konzern auf die Bühne. Es sitzt kein Fahrer mehr in dem Wagen, es gibt nicht einmal mehr ein Lenkrad. Der „Sedric“, so lautet der Name des selbstständig fahrenden Autos, sucht sich seinen Parkplatz auf der anderen Seite der Bühne. Fast lautlos, denn das Auto hat einen Elektromotor.

Mit dem Auftritt des „Sedric“ hat Volkswagen-Chef Matthias Müller den Konzernabend des Wolfsburger Autoherstellers auf dem Genfer Autosalon eröffnet. Dieselaffäre, die Auseinandersetzung zu Hause mit dem Betriebsrat, der Konflikt um überhöhte Vorstandsgehälter und -pensionen sind zunächst vergessen. In Genf will Volkswagen ausschließlich mit Autos Schlagzeilen machen und nicht mit den Streitereien der zurückliegenden Wochen.

Der Vorstandschef gibt sich auf der Bühne des Genfer Autosalons am Montagabend als glühender Verfechter des Autonomen Fahrens. Auch wenn ihm das zunächst etwas schwerfällt. „Viele von Ihnen lieben es genauso wie ich, das Steuer selbst in der Hand zu halten“, sagt er vor 400 Gästen auf dem Genfer Messegelände. Doch am Ende ist er von den Vorzügen des Autonomen Fahrens überzeugt: „Es wird individuelle Mobilität für uns alle sicherer, komfortabler und effizienter machen.“

Der „Sedric“, Abkürzung für die englischsprachige Bezeichnung „self-driving-car“, steht dafür, wie sich die Ingenieure des Volkswagen-Konzerns die Zukunft des Autonomen Fahrens vorstellen. Das Auto hat ein Gesicht bekommen: Die Scheinwerfer sind so angeordnet, dass sie als Ganzes wie eine sympathisch-niedliche Figur aus einem Kinder-Comic wirken. Der „Sedric“ soll zum Mitfahren einladen, deshalb das freundliche Erscheinungsbild.

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Das Auto war seit dem Sommer von mehreren 100 Ingenieuren des Volkswagen-Konzerns entwickelt worden. Federführende Kraft war dabei das europäische Future Lab, das der Konzern im vergangenen Jahr in Potsdam gegründet hatte und das sich vor allem um das Autodesign kümmert.

Aus dem ersten komplett selbstfahrenden Vehikel des Volkswagen-Konzerns soll in den kommenden Jahren noch viel mehr werden. Es dürfte eine Produktfamilie des „Sedric“ werden, mit Ablegern und Varianten. Vorstandschef Müller untermauert seine Absichten mit Zahlen. Volkswagen werde in das Autonome Fahren „mehrere Milliarden Euro“ investieren. Die selbstständig fahrenden Autos seien für den Wolfsburger Autohersteller eine „Kerntechnologie“. Genauso wie die Digitalisierung der Fahrzeuge und des neue Batterieantriebs.


Problemthemen weiter dauerpräsent

Doch es dauert nicht allzu lange, dann kommen auch in Genf wieder die gewohnten Themen des Volkswagen-Konzerns ins Programm. Nachdem die Präsentation des neuen autonom fahrenden „Sedric“ abgeschlossen ist, ergreift Volkswagen-Aufsichtsrat Wolfgang Porsche das Wort, der wichtigste Vertreter der beiden Eigentümerfamilien Porsche und Piëch.

Im Konflikt zwischen VW-Markenboss Herbert Diess und dem Betriebsratsvorsitzenden Bernd Osterloh bezieht Porsche wenig überraschend klar Position für den Manager. „Diess macht eine exzellente Arbeit“, sagte er in Genf. Er sei sich sicher, dass Herr Diess mehr Gespür dafür bekomme, wie die Dinge mit den Arbeitnehmern umzusetzen seien.

Diess hatte im vergangenen Jahr nach monatelangem Ringen mit dem Betriebsrat den sogenannten Zukunftspakt ausgehandelt, mit dem die Marke VW ihre niedrige operative Rendite bis 2020 auf vier Prozent verdoppeln solle. Außerdem gab es vor kurzem erneut schweren Streit, weil der Betriebsrat Diess vorwarf, sich nicht an die Vereinbarungen des Zukunftspaktes zu halten.

Auch die Dieselaffäre wurde dann wieder Thema in Genf. Der Kreis der Verantwortlichen für den Skandal ist nach den Worten von VW-Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch größer als bisher bekannt. „Es gibt eine Reihe von Freistellungen“, sagte Pötsch auf dem VW-Konzernabend. Es sei damit zu rechnen, dass es noch eine ganze Reihe von „personellen Konsequenzen gibt“, ergänzte der frühere Finanzchef. Bisher sind mehr als zwei Dutzend Mitarbeiter des Konzerns beurlaubt worden.

Volkswagen habe selbst erst nach einem Gerichtstermin am 10. März in Detroit Zugang zum Material der mit der Aufklärung beauftragten US-Kanzlei Jones Day. Etwa bis Ende des Jahres werde Volkswagen dann selbst nochmal den Hergang der Dieselaffäre aufarbeiten, erklärte Pötsch.

Die Dieselaffäre bei Volkswagen ist zwar noch nicht überstanden, aber der Konzern wird die Probleme wohl in den Griff bekommen. Ganz nach dem Motto von Konzernchef Matthias Müller, der in Genf sagte: „Wir von Volkswagen bleiben Optimisten.“

KONTEXT

Die fünf Stufen des automatisierten Fahrens

Stufe 1: Fahrassistenten

Der Fahrer lenkt, bremst und beschleunigt selbständig. Einfache Systeme wie Abstandshalter unterstützen ihn.

Stufe 2: Teilautomatisiertes Fahren

Das elektronische System übernimmt bestimmte Funktionen wie automatisches Einparken oder das Spurhalten. Der Fahrer bleibt aber weiter in der Verantwortung, die Hände bleiben am Lenkrad.

Stufe 3: Hochautomatisiertes Fahren

Das Fahrzeug fährt weitgehend autonom, der Fahrer muss nicht mehr alles dauerhaft überwachen. Er darf die Hände vom Lenkrad nehmen, muss aber in der Lage sein, nach Vorwarnung die Kontrolle wieder zu übernehmen.

Stufe 4: Vollautomatisiertes Fahren

Der Fahrer kann noch übernehmen, ist aber nicht mehr erforderlich, um das Auto zu steuern. Elektronische Systeme können alle Verkehrssituationen automatisch bewältigen.

Stufe 5: Fahrerloses Fahren

Das Lenkrad entfällt, das Auto wird nur noch vom System gesteuert.

KONTEXT

Die Kosten des Dieselskandals für Volkswagen

Teure Folgen

Für die jüngste Einigung mit US-Klägern in Sachen Dieselskandal muss der Volkswagen -Konzern eine weitere milliardenschwere Last schultern. Mindestens 1,2 Milliarden Dollar (umgerechnet 1,1 Milliarden Euro) muss der Konzern rund 80.000 Besitzern großer Dieselautos in den USA mit umweltbelastenden Drei-Liter-Motoren an Schadenersatz und für den Rückkauf eines Teils der Fahrzeuge bezahlen. Die Kosten könnten nach Gerichtsangaben auf umgerechnet bis zu 3,7 Milliarden Euro steigen, sollten die US-Umweltbehörden die Reparatur eines Großteils der Wagen nicht abnehmen. VW selbst geht davon aus, dass die Reparaturen genehmigt werden.

Knapp vier Milliarden Euro müssen die Wolfsburger bereits für Strafen und Bußen in den USA hinblättern. VW hat mitgeteilt, dass dies die bisherigen Rückstellungen übersteigt und die Ergebnisse 2016 belasten könne. Bisher hat der Konzern 18,2 Milliarden Euro für den Skandal um weltweit millionenfach manipulierte Abgaswerte bei Dieselautos zur Seite gelegt. Doch abschließend sind die Kosten noch nicht zu beurteilen. Analysten schätzen, dass der Skandal am Ende zwischen 25 und 35 Milliarden Euro kosten könnte. Die größte Unsicherheit geht von den vielen Anlegern aus, die VW vorwerfen, sie zu spät über Dieselgate informiert zu haben und deshalb Schadenersatz fordern.

Vergleich mit US-Kunden zu größeren Motoren

Kurz vor Weihnachten klopfte VW mit den US-Umweltbehörden einen Kompromiss über die Schadenersatzansprüche für etwa 80.000 Diesel-Wagen mit 3,0-Liter-Motoren fest. Ein Viertel der Geländewagen von Audi, VW und Porsche soll zurückgekauft und weitere knapp 60.000 umgerüstet werden, sobald die Behörden die Freigabe für die technische Lösung erteilen. Die Höhe der Kosten bezifferte Volkswagen nun mit etwa 1,2 Milliarden Dollar. Zuvor waren sie auf eine Milliarde Dollar geschätzt worden. Schultern muss die Kosten die Tochter Audi, weil sie die 3-Liter-Motoren entwickelt hat. Der nächste Gerichtstermin zur vorläufigen Genehmigung ist für den 14. Februar angesetzt.

Strafzahlung in den USA

Mit dem US-Justizministerium einigte sich Volkswagen Anfang Januar auf eine Strafzahlung von 4,3 Milliarden Dollar. Das ist deutlich mehr, als andere Autobauer für Verfehlungen in den USA hinlegen mussten, und auch mehr, als Analysten erwartet hatten.

Vergleich mit US-Kunden zu kleineren Motoren

Im Oktober einigte sich VW mit Hunderten Sammelklägern, Behörden und US-Bundesstaaten über die Höhe der Entschädigung für Käufer von Autos mit den kleineren 2,0-Liter-Dieselmotoren. Das kostet den Konzern bis zu 15,3 Milliarden Dollar (14,5 Milliarden Euro). Der größte Teil entfällt auf den Rückkauf der bis zu 475.000 Fahrzeuge, für den gut zehn Milliarden Dollar reserviert sind. Die tatsächlichen Kosten hängen aber davon ab, wie viele Dieselbesitzer ihre Wagen zurückgeben. Bis vor Weihnachten hatten 104.000 Besitzer in den Rückkauf eingewilligt. Eine Alternative ist die Reparatur der Fahrzeuge. Bisher hat VW die Genehmigung für die Umrüstung von rund 70.000 Autos mit 2,0-Liter-Motor.

Zahlreiche US-Bundesstaaten wollen zudem zivilrechtlich versuchen, einen höheren Schadensersatz durchzusetzen, weil sie mit dem Vergleich nicht zufrieden sind. Dabei geht es um Hunderte Millionen Dollar.

Entschädigung für US-Händler

Seinen rund 650 US-Händlern zahlt VW insgesamt 1,21 Milliarden Dollar Entschädigung, weil sie seit fast einem Jahr keine Dieselautos mehr verkaufen durften. Der Vereinbarung zufolge kauft VW unverkäufliche Diesel-Autos von den Händlern zurück, hält an Bonuszahlungen fest und verzichtet für zwei Jahre auf geforderte Umbauten.

Rückrufe in Europa

Ein großer Brocken ist auch die Umrüstung der rund 8,5 Millionen Dieselautos in Europa. Kostenschätzungen reichen von gut einer bis drei Milliarden Euro.

Entschädigung auch in Europa?

Bundesweit klagen Autobesitzer vor mehreren Gerichten wegen überhöhter Stickoxidwerte auf Rückabwicklung des Kaufs oder Schadensersatz. Allein vor dem Landgericht Braunschweig sind knapp 226 solcher Klagen anhängig. Die auf Verbraucherschutzverfahren spezialisierte Onlineplattform MyRight, die mit der US-Kanzlei Hausfeld zusammenarbeitet, reichte zu Jahresbeginn die erste Musterklage ein. Eine finanzielle Entschädigung der Kunden in Europa lehnt VW ab, obwohl sich Forderungen nach einem ähnlichen Vergleich wie in den USA mehren. Sollten diese dennoch fällig werden, könnte das Volkswagen wegen der viel größeren Zahl betroffener Kunden im Vergleich zu den USA finanziell ruinieren, fürchten Experten. Der Autoanalyst Jürgen Pieper vom Bankhaus Metzler geht von einem Wertverlust in einer Größenordnung von 500 Euro je Fahrzeug aus.

Vergleich in Kanada

Kanadischen Kunden zahlt VW 2,1 Milliarden kanadische Dollar an Schadenersatz für Dieselautos mit manipulierter Abgasreinigung

Aktionärsklagen

Weltweit sieht sich Volkswagen zudem mit milliardenschweren Schadensersatzklagen von Investoren und Kleinaktionären konfrontiert. Die Inhaber von Aktien und Anleihen werfen Volkswagen vor, zu spät über das Ausmaß des Abgasskandals informiert zu haben und wollen einen Ausgleich für Kursverluste durchsetzen. Zu den Klägern gehören große US-Pensionsfonds, der Norwegische Staatsfonds, aber auch der Versicherungskonzern Allianz und die Dekabank. Auch die Bundesländer Bayern, Baden-Württemberg und Hessen klagen wegen Kursverlusten von Pensionsfonds. Beim Landgericht Braunschweig liegen mehr als 1500 Klagen über insgesamt 8,8 Milliarden Euro vor. Dazu soll es ein Musterverfahren vor dem OLG Braunschweig geben. Anlegerklagen muss sich VW auch in den USA stellen.

Teure Anwälte

Die Scharen an Anwälten, die Volkswagen weltweit wegen des Dieselskandals beschäftigt, kosten ebenfalls viel Geld. Der Autoexperte Pieper geht von bis zu einer Milliarde Euro aus, sein Kollege Ellinghorst schätzt die Anwaltskosten auf mehrere hundert Millionen. Auch gegnerische Anwälte muss VW bezahlen - zum Beispiel 175 Millionen Dollar an Juristen, die in den USA die 475.000 Auto-Besitzer mit manipulierten 2,0-Liter-Motoren vertreten hatten.

Quelle: Reuters