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Wohnen im Umland: Wo sich längeres Pendeln für Hauskäufer lohnt

Auch in Nach-Corona-Zeiten werden viele Menschen im Homeoffice arbeiten. Das eröffnet Chancen bei der Wohnungssuche, zeigt eine exklusive Auswertung für Hamburg.

Ottensen gehört eigentlich zu denjenigen Stadtteilen Hamburgs, die in Wohnungsgesuchen gern als „die üblichen“ bezeichnet werden. Nähe zur Innenstadt, intakte Gastroszene und hoher Altbauanteil machen den westlichen Ausläufer der Innenstadt zum begehrten Wohngebiet. Und doch bearbeitet Sidney Cline-Thomas vom Immobilienberater Robert C. Spies derzeit ein ungewöhnliches Gesuch: Einer seiner Kunden will so schnell wie möglich raus aus dem urbanen Ottensen – und sucht eine neue Bleibe in der 45 Kilometer nördlich gelegenen Kleinstadt Bad Bramsted.

Cline-Thomas rechnet damit, dass ähnliche Anfragen künftig häufiger kommen. Der Grund: In der Coronakrise hat sich das Arbeiten im Homeoffice in vielen Unternehmen so gut bewährt, dass mehr Arbeitnehmer als früher dies auch nach der Pandemie für einige Tage in der Woche beibehalten wollen.

Wer solche Arbeitsweisen fest vereinbaren kann, wird längere Pendelwege in Kauf nehmen – etwa um am Waldrand statt am U-Bahnhof zu leben. Oder einfach, um sich für weniger Geld eine größere Wohnung oder gar ein Haus leisten zu können. „In den vergangenen Jahren wollten die Leute in die Großstadt ziehen. Jetzt erleben wir eine bewusste Entscheidung für größere Wohnungen im Umland“, bestätigt Michael Voigtländer, vom Institut der Deutschen Wirtschaft (IW).

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Doch wie verändert der Trend die Wahrnehmung des Umlands? Das Analyseunternehmen Pricehubble hat in Zusammenarbeit mit Targomo für das Handelsblatt eine beispielhafte Betrachtung für die Metropolregion Hamburg vorgenommen.

Die Annahme: Vor der Coronakrise waren für viele Menschen nur Pendelwege mit Bus und Bahn bis 60 Minuten akzeptabel. Die Analytiker haben geschaut, welche Gebiete zusätzlich interessant werden, wenn Immobilienkäufer künftig bis zu 100 Minuten je Fahrt in Kauf nehmen würden.

Dabei zeigt sich: Die Sparpotenziale sind vor allem dann groß, wenn der Arbeitsplatz nicht direkt am Hauptbahnhof liegt. In 60 Minuten Pendelzeit zur Zentralstation findet sich eine Reihe von Gemeinden, in denen das Wohnen preisgünstig ist. Zum Beispiel das Elbstädtchen Boizenburg im Mecklenburger Landkreis Ludwigslust, wo ein Haus im Schnitt der Angebote nur 1711 Euro je Quadratmeter kostet.

Zum Vergleich: In Hamburg kosten Bestandswohnungen im Schnitt laut einer Sparda-Studie 4901 Euro pro Quadratmeter. Auch günstige Wohnungen etwa in Neumünster für 1613 Euro im Quadratmeterschnitt sind innerhalb einer Stunde erreichbar. Die auf 100 Minuten verlängerte Pendeldauer um den Hauptbahnhof erhöht eher die Möglichkeiten, Hamburg aus Nachbarstädten wie Bremen oder Kiel zu erreichen – doch die Sparpotenziale sind dabei begrenzt.

Interessanter wird die Betrachtung, wenn Pricehubble einen typischen Arbeitgeber im weiteren Stadtgebiet untersucht. So kann beispielsweise ein Verwaltungsangestellter des Uniklinikums Eppendorf (UKE) innerhalb einer Stunde mit Bus und Bahn hauptsächlich preisgünstige Wohnorte im nordwestlich gelegenen Kreis Pinneberg erreichen – etwa in Elmshorn oder Tornesch, wo der Quadratmeter immerhin noch um die 3000 Euro kostet.

Innerhalb von 100 Minuten sind über die Regionalzüge deutlich preisgünstigere Orte wie Rendsburg und Itzehoe im Norden oder Uelzen im Süden erreichbar, wo Preise unter 2000 Euro realistisch sind.

Auch rund um das recht kompliziert erreichbare Airbus-Werk am südlichen Elbufer erweitert sich das Gebiet mit längerer Pendelzeit deutlich. Günstige Wohnviertel liegen im Umkreis von 60 Minuten in weniger attraktiven Hamburger Stadtteilen wie Osdorf oder in unmittelbarer Nachbarschaft in Finkenwerder. Innerhalb von 100 Minuten sind jedoch auch viele Orte im Kreis Pinneberg erreichbar. Dazu kommen Seevetal und Neu Wulmstorf im südlichen Kreis Harburg.

Das Beispiel Hamburg zeigt: Mehr Homeoffice erweitert den Pendelraum – allerdings nicht dramatisch. Für den Wohnimmobilienmarkt erwarten Experten daher insgesamt nur mäßige Auswirkungen.

Sichtbar ist aber bereits, dass die Preise im Umland der meisten großen deutsche Städte stärker steigen als in den Metropolen selbst. Von 2017 bis 2020 legte der Preis für Wohnungen etwa in Hamburg um 15,9 Prozent zu, im Umland jedoch um 17,5 Prozent. „Das ist ein Trend, der sich durch Homeoffice womöglich noch verstetigt“, sagt IW-Experte Voigtländer.

Neue Faktoren bedeutsam

Dabei gewinnen Kriterien an Bedeutung, die viele Käufer in der Stadt als gegeben hinnehmen: „In Zeiten des vermehrten Homeoffice ist die Qualität der Breitbandverfügbarkeit ein immer wichtigerer wohnwirtschaftlicher Standortfaktor“, nennt Till McCourt von der Ziegert Group als ein Ergebnis aus einer Untersuchung, die das Unternehmen kürzlich zu Immobilienpotenziale im Berliner Umland angestellt hat.

Der Trend ist längst bei den Immobilienunternehmen angekommen: Das Berliner Immobilienunternehmen Mähren etwa teilt mit, „zunehmend in Baugrundstücke im Speckgürtel und Umland der Hauptstadt“ zu investieren: „Die Nachfrage nach Wohnraum im Berliner Umland ist enorm, hier möchten wir neben unserem Kerngeschäft der Bestandshaltung mit Projektentwicklungen im mittleren Segment ein Angebot machen“, sagt Firmenchef Jacob Mähren.

Besonders weit fortgeschritten ist die Entwicklung dort, wo die Preise besonders hoch liegen. In München ist das Umland bereits seit Jahren stark nachgefragt – wegen guter S-Bahn-Anbindungen auch in weiterem Umkreis.

Mehr Neubau zeigt Wirkung

Das gebremste Preiswachstum in den Innenstadtlagen liegt nicht nur am Trend ins Umland, sondern auch daran, dass die Städte – allen voran Hamburg – den Wohnungsbau durch neue Siedlungsgebiete und Nachverdichtung forcieren und so den Preisdruck abmildern. Kleinere Orte im Umland gehen diesen Prozess häufig noch nicht so strategisch an.

Hamburg etwa plant gleich mehrere große neue Wohngebiete: Im Osten sollen Ackerflächen zum neuen Stadtteil Oberbillwerder werden. Im Bezirk Altona soll nach mehreren spekulativen Verkäufen bald endlich Baustart auf dem ehemaligen Gelände der Holsten-Brauerei sein.

Etwas weiter westlich beginnt der Bau der Science-City Bahrenfeld, die Forschung und Wohnen vereinen soll. Die Hafencity soll zudem in den nächsten Jahrzehnten den Sprung über die Norderelbe schaffen und weiteres ehemaliges Hafengebiet okkupieren. Bei Einfamilienhäusern sind die Gebiete kleiner: Am südlichen Stadtrand in Fischbek etwa ist ein Neubaugebiet auf einem früheren Kasernengelände entstanden, das langsam seiner Vollendung entgegengeht.

Ob Stadt, Land oder Umland: Der Trend zum Homeoffice verändert die Wohnbedürfnisse. „Es gibt bei Wohnungen eine Renaissance des halben Zimmers“, beobachtet Cline-Thomas beispielsweise bei der Vermarktung eines Projekts im Hamburger Stadtteil Barmbek-Süd. In innenstädtischen Lagen suchten Käufer vermehrt kleinteiligere Wohnungen – also mehr Zimmer auf gleicher Fläche. Das ermöglicht abgeschlossene Arbeitszimmer.

Cline-Thomas geht davon aus, dass diese Nachfrage die Coronakrise überdauern wird. Die Pandemie könne eine Generationserfahrung sein, die dauerhaft den Wert des Arbeitszimmers im Bewusstsein verankert.

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Allerdings rechnet er trotz allem nicht damit, dass die Nachfrage in Innenstadtlagen merklich abflaut. Allenfalls würden die Käufer verstärkt auf die Werthaltigkeit achten und Bauprojekte in weniger attraktiven Stadtteilen nicht mehr bedingungslos akzeptieren. Einziger merklicher Corona-Effekt im innerstädtischen Wohnen sei ein „sechswöchiges Luftholen“ zu Beginn des ersten Lockdowns im Frühjahr gewesen, als Besichtigungen oftmals zurückgestellt wurden.

Jetzt steige bei Käufern, die ihre Entscheidung über den Kauf einer Eigentumswohnung zunächst zurückgestellt hatten, das Interesse wieder an. „Wir schließen daraus, dass Kaufinteressenten im Zuge der Pandemie wahrgenommen haben, dass Wohnimmobilien ein krisensicheres Investment sind,“ berichtet auch Becken-Geschäftsführer Stephan Spilker am Beispiel eines Münchener Projekts, das er derzeit vermarktet.

„Deutsche Großstädte bleiben auch während der Corona-Pandemie sichere Häfen für Immobilieninvestoren“, lautet so auch das Fazit einer aktuellen Studie der Unternehmensberatung PwC. Die Marktbeobachter sehen Berlin im Ranking der europäischen Städte mit den besten Investmentgelegenheiten auf Platz eins. Ebenfalls unter den Top Ten sind Frankfurt (Platz vier), Hamburg (Platz sechs) und München (Platz sieben).

Entsprechend laufen viele Großentwicklungen trotz der Wirtschaftskrise weiter, auch in Hamburg. Das trifft auch für den dortigen Büromarkt zu – obwohl viele Unternehmen wie etwa die Deutsche Telekom bereits deutliche Flächenreduzierungen angekündigt haben.

Kleinere Büros in besseren Lagen

So etwa die Pläne für den höchsten deutschen Wolkenkratzer außerhalb der Bankenstadt Frankfurt: Derzeit liegt der Bebauungsplan für den 245 Meter hohen Elbtower in der Hamburger Stadtentwicklungsbehörde aus. Aus den Unterlagen geht hervor, dass der Investor Signa Prime die Büroflächen im Vergleich zur Ursprungsplanung sogar noch deutlich ausweiten will: Die Anzahl der geplanten Geschosse wurde um sieben auf 64 erhöht. Signa-Mastermind Rene Benko teilt offenbar eine These vieler Immobilienexperten: Bürolagen mit Prestige bleiben gefragt – vielleicht sogar mehr als vor der Krise.

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Paradoxerweise stützt der Trend zum Homeoffice diesen Effekt: „Wir erleben, dass Unternehmen in kleinere Büros wechseln wollen, dafür aber in repräsentativeren Lagen“, sagt Experte Cline-Thomas. Denn die Büros ändern ihre Funktion: Statt des täglichen Arbeitens stehen Kundenkontakt und Meetings im Mittelpunkt – und da nutzt eine Prestigelage im Wolkenkratzer. Die Computerarbeit dagegen verlagert sich zumindest zum Teil nach Hause.

Verlierer des Trends sind Eigentümer von Bürogebäuden in weniger attraktiven Lagen. Vor allem am Stadtrand droht Büroleerstand – dort wo Wohnen attraktiver wird. Damit könnte eine Tendenz wieder aufleben, die Stadtplaner in den vergangenen Jahren eigentlich vermeiden wollten: die Trennung von Bürogebieten und Wohnorten.